Tempelwerfen

Christian Holl
4. April 2012
Es gibt so viele Orte auf der Welt, wo man noch ein Tempelchen hinwerfen müsste oder Säulen drankleben könnte. Oder dürfte es nur ein bisschen mehr "Inspired by Starck" sein? (Bild: Christian Holl) 

Es gab einmal eine Zeit, da war Ostern die Zeit, zu der man Kinder suchen ließ. Es war eine Vorbereitung auf die Zeit des Erwachsenenlebens, in der man viele Nerven spart, wenn man ruhig und systematisch suchen gelernt hat, etwa wenn man seinen Schlüssel sucht, aber nur wenig bis gar keine Zeit hat, will man nicht den Bus verpassen. Das Internet hat unser Verhältnis zum Suchen verändert. Irgendwie sucht man dort immer. Und während man das Eine sucht, findet man etwas Anderes, von dem man vorher noch nicht wusste, dass es einen interessieren könnte. Und vergisst darüber, was man eigentlich gesucht hat. Es war einst das Privileg Picassos zu behaupten, er suche nicht, er finde. Heute darf jeder ein kleiner Picasso sein: Im Internet findet man nicht immer was man sucht, aber irgendetwas findet man immer. Wer zum Beispiel eine Wohnung in Berlin sucht, findet yoo berlin. Hier werden Grundrisse im Zickzack um Atrien, um Säulen und umeinander gewickelt, dass es eine Pracht ist. Det janze ist „Inspired by Starck“, also jenem Designer, der es wie kein anderer versteht, das Geschmeidige und das überraschend Zackige miteinander zu verbinden, was er auch hier wieder unter Beweis stellt. Die Wohnungen erscheinen damit wohl größer als sie eigentlich sind. Um so größer damit auch die Herausforderung, schnell den Schlüssel zu finden in einer Wohnung, die einem dann noch viel größer erscheinen wird. Ob man auf den Bus muss, wenn man sich solch eine Wohnung leisten kann, sei dahingestellt. Ein Chauffeur oder Taxifahrer jedenfalls wird sich hüten, Druck auszuüben.

Wer sich in proletarischeren Niederungen bewegt, konnte bis vor Kurzem auf den Seiten kicker.de die lustige Werbung für ein Spiel finden, das sich Grepolis nennt. Worum es genau bei diesem Spiel geht, ist nicht so wichtig, wenn man eigentlich nach Trainerkommentaren zum letzten Kick gesucht hat. Nun findet man statt Floskeln vom "glücklichen, aber nicht unverdienten" Sieg eine kleine Animation, in der die Tempel und Villen vom Himmel fliegen und beim Aufprallen auf der Erde mächtig Staub aufwirbeln. Das Gebot der Firmitas wurde sehr ernst genommen, leiden doch diese Häuser nicht durch den Sturz. Zwar ist das Kellerproblem so noch nicht gelöst ist, aber man weiß nun, dass die Vorstellung vom Häuserbauen noch der des Demiurgen ähnelt. Architekten oder Stadtplaner sind dann wohl die, die aus ihrem Fundus die ein und andere Säulenhalle so auf die Erde pfeffern, dass es staubt. Inzwischen ist diese Werbung leider nicht mehr auf kicker.de – im Film sieht man aber anderes Schönes. Die Häuser wirbeln immer noch Staub auf, aber sie entstehen dort, wo der Platz für sie freigehalten wurde. So kann man es nämlich auch sehen: Die ideale Welt ist latent schon da, sie muss nur noch zum Erscheinen gebracht werden. Dann darf man mit den Kriegern losziehen, in einer Inselwelt, die aussieht wie ein Ferienressort vor Dubai. Grepolis ist ein Strategiespiel – womit wir bei der Erkenntnis wären, wie sehr Architektur eine strategische Angelegenheit ist, um Macht zu sichern. Das macht auch die Beschreibung des Spiels deutlich: "Errichte prächtige Städte, schmiede mächtige Bündnisse, nutze die Macht der Götter, erobere die Welt!" Also: Wer die Welt erobern will, braucht Häuser mit Säulen, nicht solche, die wie bei Starck irgendwo im Wohnraum im Weg stehen, sondern die, die repräsentativ außen nebeneinander stehen. So einfach ist das. Wer sucht heute eigentlich noch Eier?

Bild: Christian Holl

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