Räume zum Lernen und Leben

Simone Hübener
1. Juni 2011

Eine Schule zu planen wird bis heute meist als eine Aufgabe betrachtet, die Architekten zu erledigen haben. Viel sinnvoller wäre es dagegen, verstärkt auch Lehrer und Schüler in diesen Prozess einzubeziehen, also vermehrt nach den Wünschen und Bedürfnissen der künftigen Nutzer zu fragen – besonders im Hinblick darauf, dass immer mehr Schulen zu Ganztagesschulen ausgebaut werden. Was einst reiner Lernraum war, wird dadurch zunehmend zum Lebensraum. Genau mit diesem Thema befasst sich das gleichnamige Buch, das Günther Opp und Angela Brosch herausgebracht haben. 18 Autoren gehen darin in 15 Aufsätzen den Fragen nach, wie gute Raumkonzepte geplant, gestaltet und entwickelt werden können. Der Blick richtet sich dabei in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.
Interessant, aber teilweise etwas zu ausführlich sind die ersten drei Texte, die sich mit der Geschichte, verschiedenen pädagogischen Ansätzen und Beispielen guter Schulen aus dem letzten Jahrhundert befassen. Kurzweiliger lesen sich dagegen die restlichen Kapitel, in denen zu Beginn nochmals die Theorie überwiegt. Rasch werden dann aber Beispiele aufgezeigt, die von Entwürfen für pädagogisch sinnvolle Klassenzimmer über die Umgestaltung von Pausenhöfen bis hin zu begrünten, lichtdurchfluteten Räumen reichen. Dabei kommen Punkte zur Sprache, die wider die Vorstellungen so mancher Architekten laufen dürften; beispielsweise die Verwendung des Materials Holz – selbstverständlich naturbelassen –, sichtbare Materialquerschnitte und Verbindungen. Und auch beim Betrachten des einen oder anderen Bildes wird es manchen Architekten schaudern; wie auf Seite 215, auf der ein Klassenzimmer mit vielen Topfpflanzen zu sehen ist. Dies bedeutet nun allerdings nicht, dass das Buch nicht lesenswert wäre – ganz im Gegenteil. Vielmehr stellt es die Planer vor die Herausforderung, gute Architektur mit den anderen Komponenten, die zu einem erfolgreichen Lernen beitragen, zu einer bestmöglichen Lösung zu kombinieren.

Während sich das eben vorgestellte Buch wie ein pädagogischer Ratgeber für Architekten liest, bringt "Kindergärten, Krippen, Horte" von Bettina Rühm vor allem Pädagogen das Thema Architektur näher, wenngleich natürlich auch Planer wichtige Informationen darin finden. Die 27 Projekte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie eines aus Italien, genauer Südtirol, die von der Autorin auf jeweils vier oder sechs Seiten vorgestellt werden, hat sie im Vorfeld alle besucht, sich mit den Nutzern unterhalten und sich somit ein detailliertes Bild geschaffen. Den Texten merkt man diese sorgfältige Recherche an. Gegliedert ist jeder Projekttext in sechs Abschnitte, die sich mit der Situation, dem Baukörper und der Konstruktion, dem Grundriss, der Innenraumgestaltung, den Freiflächen sowie dem pädagogischen Konzept und der Architektur befassen. Dies mag auf den ersten Blick etwas zu rigide erscheinen. Doch dadurch lassen sich die verschiedenen Bauten vergleichen. Die ausgewählten Bilder vermitteln einen guten Eindruck der Einrichtungen, übersichtlich aufbereitete Pläne mit Raumangaben verdeutlichen die Grundrissstrukturen. Abgerundet werden Text, Bilder und Pläne jedes Projekts durch eine Spalte mit umfangreichen, informativen Projektdaten.
Angeordnet sind die Bauten nicht nach Baujahr oder Standort, sondern nach ihrem architektonischen Konzept, wie rechtwinklige Gebäude, Baukörper-Ensembles und Umbauten. Ein einleitender Text sensibilisiert den Leser zu Beginn für die Thematik, zwei Interviews am Ende des Buches runden das Ganze zu einem gelungenen Werk ab. sh

Lebensraum Schule. Raumkonzepte planen, gestalten, entwickeln
264 S., zahlr. Abb.
kartoniert
Fraunhofer IRB Verlag Stuttgart, 2010
978-3-8167-8265-0
39,- Euro

Kindergärten, Krippen, Horte. Neue Architektur – aktuelle Konzepte
176 S., ca. 160 Farbabbildungen und ca. 80 Pläne
gebunden mit Schutzumschlag, 176 Seiten
DVA Architektur München, 2011
978-3-421-03744-2
69,99 Euro

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