Olle Kamelle

Christian Holl
25. Januar 2012
Open Source Planungs-Workshop der HCU Hamburg in Hamburg-Barmbek (Bild: Martin Kohler, Hamburg) 

Die Architekten sollen sich um die Vororte kümmern – noch vor Weihnachten hatte Niklas Maak die Armseligkeit der Stadtränder beklagt. Richtig. Die NZZ schickt nun Georg Franck ins Rennen: "Fährt man über Land, gewinnt man den Eindruck, ein wütender Riese hätte seine Spielzeugkiste ausgeschüttet: Zersiedlung, wohin man schaut. Dieser Eindruck – das Verschwinden der Landschaft und der historischen Stadtbilder in der wuchernden Agglomeration – ist der Grund für das allgemeine Unbehagen an unserer Baukultur." Allgemein vielleicht, aber auch unbelegt. Franck weiter: "Seltsamerweise dreht sich aber der Diskurs in der Architekturszene nicht vorrangig um dieses Problem." Kann sein. Es kann aber auch sein, dass der Diskurs, der sich mit Vororten und Stadträndern beschäftigt, für Kritiker nicht so recht interessant ist: Er ist zäh und mühsam, und Erfolge stellen sich nur langsam ein. Wir erinnern einmal an dieser Stelle, dass Die Welt im Jahre 2005 triumphierend verkündete: "Das einst gefeierte urbanistische Konzept der 'Zwischenstadt' ist still und leise beerdigt worden"; kurzerhand wurde der Abriss der Zwischenstadt gefordert. Das muss man wohl nicht mehr kommentieren. Jahr für Jahr müht man sich seit 1997 in Nord-Rhein-Westfalen mit der Regionale, Netzwerke zu knüpfen, Verbesserungen außerhalb der Kernstädte anzustoßen. Den Erfolg nimmt das Feuilleton nicht zur Kenntnis. Christa Reicher präsentierte letzten Sommer eine Ausstellung zum Ruhrgebiet, die gestaltbare Zusammenhänge sicht- und handhabbar macht, auch das ist in der Feuilleton-Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen worden; einfacher ist es scheinbar, zum weiß der Kuckuck wievielten Male nach Schema F zu schimpfen und Großsiedlungen pauschal zu diffamieren – siehe den Beitrag von Melanie Mühl in der FAZ vom 15. Januar. Vielleicht sollte Mühl das Angebot einer Bewohnerin von Cergy unvoreingenommen annehmen?: "Ich würde gerne die Autorin dieses Artikels einladen, um ihr das Cergy zu zeigen, welches sich hinter den Beton-Massen verbirgt."
Franck fordert fürs Bauen Regeln auf der Basis gewachsener Konventionen. Was anderes sind die in B-Plänen niedergelegten Vorschriften, nach denen gebaut wird? Er regt nun an, Architektur als Mannschaftssport zu verstehen und den "Open Source-Gedanken" auf die Stadtplanung zu übertragen. Eine ganz neue Idee! Lassen wir beiseite, dass Mannschaftssport (mit meist zahlenmäßig überlegener gegnerischer Mannschaft!) Alltag im Architektenberuf ist. Wer "Open Source" und "Stadtplanung" bei google eingibt, landet noch auf der ersten Seite bei einem Text aus dem Jahr 2000. 2009 fanden entsprechende Workshops in Köln statt. Ausführlich berichteten Martin Kohler und Andreas Fritzen darüber in der Polis 2/2011 (Beyond Institution)– und Volker Stollorz in derselben Ausgabe über den von Franck bemühten Begriff der Allmende. Warum wird das verschwiegen? Sind die Ergebnisse (noch) nicht gut genug, oder ist es falsch, dass nicht nur Architekten mitspielen sollen? Oder lässt sich daraus kein einfacher Ratschlag destillieren? Ach, ein wenig Demut und ein wenig mehr Kritik im Sinne von Foucault, der sich eine wünschte, die versucht, das Gras wachsen zu hören, wären schön. Dazu muss man aber erst mal zuhören wollen.

Die Biennale Rotterdam "Open City" thematisierte 2009 das Prinzip der Quellen-Offenlegung. (Bild: Martin Kohler, Hamburg) 

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