Natur auf dem Bild und im Kopf

Christian Holl
19. September 2012

"Als Magie und nicht als Kunst" betrachte er die Fotografie, schrieb Roland Barthes in seinem Essay "Die helle Kammer", den Gislind Nabakowski in ihrem Text über die Arbeit Peter Schlörs zitiert. Es gibt wohl kein besseres Zitat, das die Faszination von Schlörs Fotos beschreiben könnte. Dabei ist Magie keine absolute Macht, sondern eine, die Einfluss auf andere, größere, unbekannte Mächte zu nehmen versteht. Solche Magie wird in Schlörs großartigen Bildern spürbar; im Kehrer-Verlag sind nun 44 davon wunderbar gedruckt als Buch veröffentlicht. Schlörs, die Möglichkeiten der Kontraststeigerung zwischen Schwarz und Weiß ausreizenden Fotografien, die auf den Kanarischen Inseln entstanden sind, vermitteln wieder etwas jenes Schauderns, das das Gefühl des Ausgeliefertseins an Naturkräfte erzeugt: Die oft nicht zu ortende Lichtquelle, das Verschwinden räumlicher Konturen in Wolken oder Nebel, in unberechenbarer Bewegung festgehaltene Wolken. Kunstgeschichtliche Referenzen sind unübersehbar, und doch erschöpfen sich die Bilder nicht in deren Aneignung – sie stellen neue Fragen an die Kraft einer Landschaft, Erzählungen hervorzubringen wie an ihre Fragilität und oszillieren dabei zwischen Vergegenwärtigung und Verlusterzählung.

Auf die Suche nach der historischen Entwicklung des Landschaftsblicks, mit dem wir nicht nur Bilder wie die Schlörs lesen, sondern unsere Art, über Natur und Umwelt zu denken und zu diskutieren, hat sich Ludwig Trepl begeben. Die Frage nach der "Idee der Landschaft" führt ihn zur Erkenntnis, dass unsere Wahrnehmung von Landschaft von ästhetischen und symbolischen Kategorien geprägt sei: "Denn Landschaft ist nicht einfach vorhanden, sie soll sein", heißt es in der Einleitung des bei transcript erschienenen Buchs. Ausgehend von der Frage nach der Entstehung des Landschaftsgemäldes führt Trepl durch Aufklärung und Romantik über die NS-Landschaftsidee bis in die jüngere Ökologiebewegung. Dabei werden philosophische Zusammenhänge ebenso wie wie kunst- und technikgeschichtliche Begriffe aufgenommen. Dass dabei gewaltige Lücken bleiben müssen, ist vielleicht weniger zu kritisieren, da andererseits der Anspruch, nicht nur ausgewiesene Spezialisten zu erreichen, es nötig macht, die großen Linien nachzuzeichnen. Das gelingt Trepl und als eine Übersicht und Grundlage für eine Auseinandersetzung mit dem Thema Natur und Landschaft ist das Buch gut geeignet. Nur bleibt das auf die heutige Diskussion bezogenen Fazit, dass die Ökologiebewegung vor der Zerreißprobe stehe, weil mit der Windenergienutzung genau die Landschaft zerstört werde, die ersehnt worden war, etwas dürftig.

Wer in diesem schönen Spätherbst noch einen der Orte aufsuchen will, die zur Entstehung unseres heutigen Bilds von Landschaft beigetragen haben, wer noch Sanssouci aufsuchen will, dem sei der Führer durch die Gartenwelt Friedrichs des Großen empfohlen, den Adrian von Buttlar und Marcus Köhler verfasst haben. "Tod, Glück und Ruhm" in Sanssouci zeigt anschaulich und gut verständlich, dass sich in Potsdam Friedrich der Große mit dem Park ein Abbild seiner politischen und philosophischen Ansichten schuf: Der Garten stelle einen "höchst originellen Spiegel der persönlichen Geistes-, Ideen- und Seelenwelt Friedrichs dar, eingekleidet in allegorische mythische und historische Gestalt und Form", wie es in der Einleitung heißt. So schön und eindeutig wie in diesem Buch wurde das bislang noch nicht nachgewiesen.

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