Manoeuvres in the Dark

Wolfgang Bachmann
8. Dezember 2010
Christian Illies und Claus Baldus (Foto: Wolfgang Bachmann) 

Die Architekten diskutieren wieder. Alle für sich, nur wohlgesonnene Pressevertreter haben Zutritt zu den einzelnen Logen. Einmal geht es um Nachhaltigkeit, dann um Rekonstruktion oder städtebauliche Ordnung. Oder wie jetzt beim 15. Berliner Gespräch des BDA um "Die beste aller Welten. Vorteil und Nutzen der Utopie".
Man darf diese Veranstaltung geradewegs als Antidot zu der an anderen Orten geführten Debatte verstehen, wo die Selbstbescheidung der Architekten, das Ende der Erfindungskunst, die konventionellen Kategorien von Anmut, Vernunft und Zweckmäßigkeit ausgerufen werden. Die Utopie könnte dieses Korsett sprengen, nicht aus Willkür, sondern weil die über uns dräuenden Probleme systemerweiternde Ansätze verlangen.
Der BDA hatte dazu Philosophen, Künstler und Architekten aufs Podium gebeten. Anders als die legendären Godesburger Gespräche, die jedes Mal in der Geschäftsstelle endeten und sie in ihren Grundfesten erschütterten, gleichen die bescheideneren Berliner Tagungen eher Seminaren für die reifere Jugend. Also berichten wir auch ohne Umschweife, dass dieses Mal Claus Baldus die zunehmende Abschottung gegen neue Ideen beklagt hat, was im Vortrag von Christian Illies mit dem Hinweis aufgenommen wurde, nur Utopien würden Möglichkeitsräume aufschließen. Und beider Konsens, dass wir ohne Erfindungen in der Architektur in eine kulturelle Rezession abstürzten, in ein pessimistisches Zeitalter, kann man geradewegs als Warnung an die Stadtverschönererfraktion in Dortmund, Zürich und Berlin lesen.
Illies' Erwartung, die Kunst könne spielerisch, reflexiv und humorvoll die Gefährdungen der Utopien meistern, lösten die nachfolgenden Beiträge ein, wobei Matt Mulllican intellektuell schwer zu verstehen war und Aldo Cibic mit seinem italienischen Englisch strapazierte. Hier sollte man, und das gilt für viele Veranstaltungen, das Publikum nicht der Mutprobe Ich-habe-das-nicht-verstanden ausliefern, sondern vor dem abschweifenden Diskurs erst einmal die Inhalte nacharbeiten. Dellbrügge & de Moll mit ihrem rhetorisch makellosen Vortrag hatten es einfacher, sie traten unter dem Rubrum "Ironie" an. Insofern fragte niemand, was passieren würde, wenn man Begriffe neu besetzt und eine Gefängnisinsel zur Heterotopie des Inhaftierens definierte. Beiläufig ließ sich auch hier ein Einwurf gegen die "gute städtebauliche Ordnung" vernehmen. Nämlich, dass das Ziegelmaterial auf der Hamburger Hafeninsel Veddel von Fritz Schumacher nur vorgeschlagen wurde, "um die Bewohner als Statisten der Straße zu disziplinieren".
Aber leider, wir sagten es bereits, werden die Debatten zur Zeit nur mit handverlesenen Sympathisanten besetzt. Peter Haimerl zeigte zum Ende sein Werk Zoom City, an dem er seit Jahrzehnten arbeitet. Es handelt sich in erster Linie um ein Mobilitätskonzept mit weitreichenden sozialen und ökologischen Folgerungen. Bevor man sich wundert, wer das einmal finanzieren soll, ist schon eine andere Frage beantwortet, nämlich dass Utopien bei ihren Erfindern als nicht honorierte Ideen nur mit einer gewissen Besessenheit entstehen können. Und die Nähe zur Wirklichkeit zeigte sich bei Haimerl darin, dass die Probleme schon vor Jahren bekannt waren und der Abstand zur utopischen Lösung inzwischen kleiner geworden ist. Fehlte nur noch jemand aus der Politik und der Wirtschaft bei dem Ideenparcours. Aber vielleicht kommen sie ja wieder, die großen epochalen BDA-Gespräche mit den rauschenden Partys, die man später nicht auf YouTube sehen möchte.  Wolfgang Bachmann

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