Leuchtturmprojekte

Ursula Baus
18. Januar 2012
Der Bahnhof in Stuttgart vor dem Anriss des Seitenflügels – Polizeibelagerung am Freitag, den 13. Januar 2012. (Bild: Wilfried Dechau) 

In Sichtweite zum Hauptbahnhof, einem "Leuchtturmprojekt" von 1927, traf man sich in der Stuttgarter Staatsgalerie zu einer Tagung, die anlässlich der Ausstellung über James Stirling (siehe eMagazin 40|2011) mit Unterstützung der Wüstenrot-Stiftung veranstaltet wurde. Morgens war die Polizei mit Hundertschaften am Bonatz-Bahnhof angerückt, um Demonstranten im Zaum zu halten. Und der Einzige, der bei der Tagung "Leuchtturmprojekte in der Architektur" darauf hinwies, dass in diesen Minuten das "Leuchtturmprojekt Bonatz-Bahnhof" verstümmelt werde, war Peter Conradi.
Werner Durth konzentrierte sich auf baugeschichtliche Aspekte des "Besonderen". Arno Lederer legte dar, warum die Museumsarchitektur in Stuttgart auch ohne die Staatsgalerie nicht anders aussehen würde: Denn der stadträumliche Ansatz, den Stirling gefunden habe, sei weder vom Mercedesmuseum, noch vom Kunstmuseum am Schlossplatz, geschweige denn vom Porschemuseum in Zuffenhausen wieder aufgegriffen worden. Abenteuerlich setzte Georg Franck Leuchttürme mit Klassikern gleich und wiederholte seine schon in Einsiedeln vortragenen und kritisierten Thesen zur Genese von Klassikern in der Architektur. Gerd Weiss referierte zum Besucherzentrum des Herkulesdenkmals in Kassel die Leuchtturmthematik nicht gerade zwingend. Es fehlte Jürgen Bruns-Bereting aus Hamburg, der vom Bilbao-Effekt sprechen sollte – und wegen einer Finanzierungsdebatte zur Elbphilharmonie leider absagen musste.
Die von Werner Durth moderierte Abschlussdiskussion mit Adrian von Buttlar, Alexander Schwarz, Kristin Feireiss und Wolfgang Pehnt blieb dichter am Thema "Leuchtturm", dessen begriffliche Untauglichkeit Alexander Schwarz geißelte: Architektur als Architekturmetapher – zugegeben schwierig, Icon oder Signature Building sei gebräuchlicher. Kristin Feireiss erinnerte an die unbestritten positiven Wirkungen von Gehrys Museum in Bilbao, wies dabei auch auf vergleichbare Segnungen der neuen Oper in Oslo hin. Es komme eben auf den Ort an, an dem gebaut werde. Adrian von Buttlar stellte als Historiker auch klar, dass "Solitär" nicht zum Schimpfwort werden und man unter "Leuchttürmen" im weitesten Sinne auch die gelungenen Stadtlandschaften sehen dürfe. In der "Leuchtturm"-Diskussion dürfe man, so resümierte Durth, die Ästhetik eben nicht als einzige Kategorie berücksichtigen.

Womit wir wieder bei Stuttgart 21 wären. Die Befürworter werben in ganz Stuttgart mit dem scheinbar dialiektischen Werbetrick "Es stimmt...  Es stimmt aber auch...". Konkret lesen wir zum Abriss der Bahnhofsflügel (links im Bild zu klein): "Es stimmt, dass für Stuttgart 21 die Seitenflügel des Bonatz-Baus abgerissen werden. Es stimmt aber auch, dass seine historische Substanz mit Turm, Halle und Hauptgebäude erhalten bleibt". Einen solchen baugeschichtlichen Blödsinn liest man selten. Wir transformieren: "Es stimmt, dass beim S21-Bahnhofsentwurf Christoph Ingenhovens die Lichtkuppeln entfallen und die Platzfläche bebaut wird. Es stimmt aber auch, dass unterirdisch 8 Gleise gebaut werden". Derzeit haben wir 16.

Bild: Wilfried Dechau
Bild: Wilfried Dechau

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