Kein Ruhmesblatt

Christian Holl
24. August 2011
Den Tausendfüßler würde die Stadt Düsseldorf gerne ohne Alternativplanungen abreißen – nun muss der Minister helfen. (Bild: Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftschutz e.V.) 

1991 wurde der sogenannte Tausendfüßler unter Denkmalschutz gestellt: eine Hochstraße in Düsseldorfs Innenstadt, 1962 zwischen Königsallee und Hofgarten errichtet. Ein elegantes Tragwerk, das von einer Technikeuphorie und Planungsleitbildern der Nachkriegszeit kündet, das gemeinsam mit dem (leerstehenden) Drei-Scheiben-Haus eine uns fremde hoffnungsfrohe Aufbruchsstimmung jener Zeit repräsentiert. Ein technisches Denkmal ersten Ranges, ästhetisch wie baukonstruktiv. Doch der Denkmalschutz schützt nicht: Die Stadt Düsseldorf würde den Tausendfüßler gerne abreißen. Es ist wieder die Rede von einer zerschnittenen Stadt, von schmuddeligen Orten, von einem großen Wurf, einem neuen Herz der Stadt, dem die Brücke im Wege steht. Doch hinter all diesen schönen Schlagworten steht keine sorgfältige Planung, kein neues Leitbild – nein, der Automobilverkehr soll unter die Erde gepackt werden, neue Rampen werden entstehen, eine offene Diskussion über die Planung fand nicht statt, Alternativen, die den Erhalt der Hochstraße möglich machen würden, sind nicht erwogen worden. Nun hat der Landeskonservator, weil der den Abrisswunsch denkmalrechtlich für nicht hinreichend begründet hält, den Minister angerufen. Der forderte erst einmal die Stadt auf, bis zum 20. September den Abrisswunsch zu begründen. Wie er dann entscheiden wird, ist offen, ist er doch nicht nur Bau- und Verkehrsminister, sondern als Wirtschaftsminister auch denen verpflichtet, denen der Denkmalschutz oft genug Dorn im Auge ist. Richtig wäre, er würde die Sache wieder an die Stadt zurückgeben, mit der Aufgabe, erst einmal ein anständiges Verfahren durchzuführen: Mit Anhörung der Gegenpositionen, Vermittlungsversuchen und Alternativplanungen, kurzum mit dem Nachweis, dass der Versuch, den Denkmalschutz zu achten, ernsthaft gemacht wurde. Weitere Informationen finden Sie hier.

Aber auch anderswo scheint man vergessen zu haben, dass es nicht die Aufgabe des Denkmalschutzes ist, bequem zu sein, den Erfüllungsgehilfen bei der Konstruktion vermarktbarer Atmosphären oder eines investorenfreundlichen Umfelds zu liefern. Schleswig-Holsteins Regierung hat einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der den Ensembleschutz schwächt, der die Entscheidung über den Denkmalschutz Bürgermeistern und Landräten überlässt. Bei Bauten, die nach 1950 errichtet worden sind, soll der Ministerpräsident über die Denkmalschutzwürdigkeit entscheiden. Das ist nicht vermessen, sondern wird beschönigend politischer Pragmatismus genannt, der Diskussionen und ernsthafte Auseinandersetzungen vermeiden soll. "Geringfügige Änderungen" wie energetische Sanierungen müssen ebenfalls nicht mehr genehmigt werden – so sieht kulturelle Blindheit aus. Der Verband Deutscher Kunsthistoriker reagierte mit einem offenen Brief. Ob im nächsten Frühjahr eine neue Regierung bereit ist, dies wieder rückgängig zu machen? ch

Bild: Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftschutz e.V.

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