Hauptsach', ma hann gudd gess

Ursula Baus
23. November 2011
So sollte er mal aussehen: der 4. Pavillon (Bild: twoo architekten) 

Gestern abend (22.11.2011) beschloss der saarländische Landtag, dass an der Spitze der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz (SSK) nicht mehr dieselbe Person wie in der Leitung des Saarlandmuseums tätig sein dürfe. Damit reagierte der Landtag auf eine der schlimmsten Katastrophen in der Planungsgeschichte der Landeshauptstadt: auf die Erweiterung des Saarlandmuseums.
Am 14. Oktober 2011 hatte der saarländische Kultusminister Toscani den Vorstand der SSK fristlos entlassen: Ralph Melcher, Jahrgang 1967, (Kunsthistoriker, 2003 Direktor des Saarlandmuseums und später auch Vorstandsvorsitzender der SSK) wird Untreue vorgeworfen, er habe seine Pflichten gravierend verletzt. Es geht um den sogenannten 4. Pavillon des Saarlandmuseums, das 1962-74 aus drei miteinander verbundenen Pavillons in einer stadträumlich gelungenen Kompostion von Hanns Schönecker gebaut worden war. Der Projektsteuerer Gerd Marx habe an Melchers Haus in Bayern "unentgeltliche Architektenleistungen" erbracht, Melcher habe ihm dann rund 687.000 Euro zu viel Honorar für den 4. Pavillon zugesagt (FAZ, 14.10.2011). Die Kostensteigerung sei unter der Regie Melchers von 11,5 Mio. auf stattliche 30 Mio. gestiegen. Wie die Rollen des damaligen Kultusministers Jürgen Schreier und seiner Nachfolgerin (und jetzigen Ministerpräsidentin) Kramp-Karrenbauer (beide CDU) dabei zu bewerten sind, beschäftigt die Untersuchungsausschüsse und vielleicht auch mal die Juristen. Melcher habe über 40 Mal mit Projektsteuerer Marx verflixt gut gegessen und getrunken und auch schon mal Privatreisen als Dienstreisen ausgegeben. twoo Architekten aus Köln, die im Wettbewerb auf Platz 5 lagen und deren Entwurf von Anfang an heftig kritisiert worden ist, stiegen im Februar diesen Jahres – auch entnervt von den schaurigen Kommunikationsusancen in Saarbrücken – aus dem Projekt aus. Bei der Präsentation eines ersten Zwischenberichts und einer Rohbauführung am 22. September 2011 nahm die Liste der erkennbaren Mängel kaum ein Ende: ungeeigneter Hochwasserschutz, zu schmale Personenaufzüge, kein Platz für die Kunstanlieferung, kaum Platz für die Klimanalage – wie kam es so weit?
Dazu lese man den Bericht des Rechnungshofs vom 3. November 2011. Der Projektsteuerer Marx ist Innenarchitekt und erfahrungslos im Museumsbau; eigentlich hätte die Projektsteuerung beim zuständigen Hochbauamt liegen müssen – die Rollenverteilung ist verheerend und dem damaligen Kultusminister Jürgen Schreier anzulasten. Leider erweist sich das Saarland einmal mehr als ein von Seilschaften und unlauteren Machenschaften gekennzeichnetes Land, in dem eine Planungskultur nicht gedeihen kann. Nur so lässt sich auch erklären, dass an der so genannten "Kulturmeile" in Saarbrücken eine städtebaulich sinnfällige Gesamtkonzeption fehlt und einfach nur rumgewurstelt wird.
Nachfolger Melchers ist Meinrad Maria Grewenig, ein erfahrener Museumsexperte. Er wird nicht, wie einstmals vorgesehen, den 4. Pavillon im Frühjahr 2012 eröffnen können, sondern erst einmal aus dem Rohbau ein neues Museumskonzept entwickeln müssen. Vielleicht kommen auch twoo architekten wieder ins Spiel. Aber man muss vor allem hoffen, dass die Kapazitäten der Bauverwaltung genutzt werden – sie, die Bauverwaltungen, garantierten in Zeiten, als sie noch unabhängig und angemessen besetzt waren, eine konsequente Planungskultur. Die gilt es wieder aufzubauen. In Saarbrücken sollte man sich Zeit lassen und sehr genau beraten, wie oder ob es mit dem 4. Pavillon weitergehen kann.

Hier geht es zum Prüfbericht des Rechnungshofs (180 Seiten) vom 3. November 2011.

Vorgestelltes Projekt

ppp architekten + stadtplaner

Neubau Landesmuseum für Volkskunde Molfsee

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