Eminent Architects

Wilfried Dechau
11. Januar 2012
Gottfried Böhm (Foto: Ingrid von Kruse) 

Ando, Botta, Calatrava, Foster, Gehry, Koolhaas, Libeskind, Rogers, Venturi, Zumthor… Legt man einem Architekten so eine Liste vor, wird er sofort resümieren: "Klar, das sind alles Architekten, bestens bekannt, zeitgenössisch, noch aktiv." Befragt man zur gleichen Liste den Feuilleton-Redakteur einer Tageszeitung oder den Kultur-Redakteur eines Radio- oder Fernsehsenders, so wird er den einen oder anderen Namen kennen und zu dem klaren Schluss kommen: "Stararchitekten". Wenn in den üblichen Tagesmedien schon mal von Architektur die Rede ist, kann sie schließlich nur von Superman höchstpersönlich stammen und nicht etwa von irgendeinem Feld-Wald-Wiesen-Architekten. So ist nun mal die Sprach- und Denkregelung in den Feuilletons und Kultursendungen. Auch wenn es mich ärgert – ich kann es nicht ändern. Die Fotografin Ingrid von Kruse ist offenbar auch kein Fan dieser ungeschriebenen Regeln, also hat sie nach einem anderen Wort gesucht: "Eminent Architects". Im Deutschen: "Große Architekten". Ist das nicht ein Etikettenschwindel? So ein Buch, so eine Ausstellung funktioniert doch nur, wenn die darin versammelten Architekten (-porträts) den Kriterien des Starkults genügen. Oder hätten Sie lieber wissen wollen, wie Architekt Bröselmann aus Oberlinksweiler aussieht? Selbst wenn: Ein Verlag hätte sich dafür wohl kaum gefunden.
Soviel zum Prinzip des Star-Rummels. Nun zu den Fotos: Was erwartet man von einem Porträt? Es sollte eine gewisse Ähnlichkeit mit der abgebildeten Person haben, im besten Fall etwas vom Porträtierten "treffen". Ob das Porträt auf die ungeteilte Gegenliebe des Porträtierten trifft, ist dabei nicht ausschlaggebend, denn das Bild, das jemand von sich hat, muss keineswegs mit dem übereinstimmen, was andere sich von ihm machen dürfen. Stichwort Eitelkeit.
Gut zwei Drittel (also 22 von 32) der im Buch beziehungsweise in der Ausstellung versammelten Personen kenne ich gut genug, um beurteilen zu können, ob die Porträts gelungen sind. Davon erscheinen mir etwa die Hälfte als brillante "Punktlandungen". Perfekt. Ganz herausragend zum Beispiel die Porträts von Böhm, Botta, Rogers und vor allem Koolhaas. Allein das lohnt bereits den Besuch der Ausstellung (vielleicht auch den Kauf des Buches). Bei der Auswahl der Bilder hat allerdings die harte Hand eines Grafikers und/oder Lektors gefehlt. Mehr als zwei Dutzend der Bilder hätte ich ersatzlos gestrichen. Wenn zum Beispiel von fünf Zumthor-Bildern drei unscharf sind, hätten die zwei brillanten Fotos genügt.

"Große Architekten, fotografiert von Ingrid von Kruse", Ausstellung im DAM bis 15. Januar
Buchtitel: "Eminent Architects". Am Donnerstag, den 12. Januar, hält die Pritzker-Preis-Direktorin Martha Thorne um 19 Uhr einen Vortrag zum Thema.

Rem Koolhaas (Foto: Ingrid von Kruse) 
Peter Zumthor (Foto: Ingrid von Kruse) 

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