Ein Ärgernis

Oliver G. Hamm
6. Juli 2011
Bild: Karsten Pagel, Pressefotografien KSV 
 

Das "trompe l’oeil"-Kulissenschloss von Catherine Feff mussten Berliner und Touristen 1993/1994 anderthalb Jahre lang ertragen. Mit der Ende Juni eröffneten Humboldt-Box werden die Berliner und ihre Gäste deutlich länger leben müssen: Vor der für 2019 geplanten Fertigstellung des Humboldt-Forums auf dem Areal des früheren Stadtschlosses wird sie nicht abgebaut werden. Kaum vorstellbar, dass ihm einmal, wie seinerzeit der roten Info-Box am Potsdamer Platz, auch nur eine Träne nachgeweint werden wird.
Das merkwürdig hybride Bauwerk, vom Berliner Büro KSV Krüger Schuberth Vandreike entworfen, ist zwischen die Verlängerung des Boulevards Unter den Linden und die künftige Bauflucht des Humboldt-Forums gerückt, damit sie die 2013 beginnenden Bauarbeiten nicht behindert. Die Jury eines Architektenwettbewerbs hatte 2009 noch von der "Anmutung einer gebauten Skulptur" geschwärmt, die "Elemente des Provisorischen und Flüchtigen vereint". Die realisierte Humboldt-Box wird diesen Erwartungen aber nicht gerecht, denn das 28 Meter hohe Gebilde, ein Stahlskelett mit eingehängten Stahlbeton-Flachdecken und -Treppenhäusern, hat so gar nichts Spielerisches, Leichtes, die Phantasie Anregendes. Selbst die äußere Hülle aus Porenbeton-Platten wirkt merkwürdig starr. Immerhin sorgt der hinterleuchtete Zwischenraum in den Abendstunden für etwas Leben unter der Oberfläche.
Ein echtes Ärgernis sind die Innenräume: Die Ausstellungsflächen gleichen dunklen Höhlen, lediglich ein großes Panoramafenster zum Lustgarten gewährt großzügige Ausblicke auf den Stadtraum, der ansonsten nahezu ausgeblendet wird. Der im Faltblatt angepriesene 360°-Rundblick bietet sich Besuchern nur auf den Aussichtsterrassen im 5. Obergeschoss. Wer dorthin gelangen will, muss zunächst ein Café mit Goldtapete und pseudobarocker Möblierung passieren, das zum sonstigen Erscheinungsbild der Box wie die Faust aufs Auge passt. Die Ausstellungen über die Geschichte des Schlossareals und die Planungen der vier Hauptnutzer des geplanten Humboldt-Forums sind nicht der Rede wert – und die Art der Präsentation hoffentlich kein Vorbild für das umstrittene Bauwerk. Oliver G. Hamm

Bild: Karsten Pagel, Pressefotografien KSV 

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