Dreck prägt

Maren Harnack
8. Juni 2011
Radierung "Monster Soup, commonly called Thames Water" (Bild: Wellcome Library, London) 

Sauberes Trinkwasser, eine hygienisch unbedenkliche Umwelt, Krankenhäuser in denen man mit einiger Wahrscheinlichkeit gesund wird – all das ist für uns heute selbstverständlich. Und so sehr uns der Ausbruch von EHEC heute Angst auch macht, weil es gegen das Bakterium (noch) kein wirksames Medikament gibt – mit den Attacken, denen die Menschen in früheren Zeiten ausgesetzt waren, ist die Situation kaum zu vergleichen, wie eine Ausstellung im Wellcome Trust in London zeigt. Beginnend im 17. Jahrhundert in den Niederlanden erfährt der Besucher, wie sehr der Schmutz und der fortwährende Kampf um Reinlichkeit nicht nur den Alltag der Menschen bestimmt, sondern auch die gebaute Umwelt geprägt haben. Dies beginnt schon mit der üppigen Kacheldekoration Delfter Bürgerhäuser, die zumindest optisch eher einen sauberen Eindruck machten als andere Oberflächen, schließt die Entwicklung von Trinkwasserversorgung und Kanalisation in London ein und führt bis zu der Problematik moderner Müllentsorgung in New York.
Man kann sich gut vorstellen, dass die ohnehin auf den ersten Blick nicht ansprechende Thematik recht langweilig hätte präsentiert werden können, aber glücklicherweise wird die Geschichte des Schmutzes anhand einer Vielzahl von Originalexponaten erzählt: Haushaltswaren, Kunstwerken, Karten, medizinischen Instrumenten, Karikaturen, Filmen und Modellen. Manches davon ist geeignet, zart besaitete Betrachter zu verschrecken, etwa medizinische Proben oder historische Zeichnungen von Wundbrandinfektionen. Anderes spielt mit unseren eigenen Vorstellungen von Ästhetik und Reinlichkeit, zum Beispiel ein von Indischen Kloakenarbeitern angefertigtes Kunstwerk aus menschlichen Exkrementen, dass die meisten wohl trotz seiner Geruchslosigkeit nicht dauerhaft in ihrer Nähe wissen wollen. Maren Harnack

Dirt: The Filthy Reality of Everyday Life
kuratiert von Kate Forde
bis 31. August, Di-Fr 10-18 Uhr, Do 10-23 Uhr
Eintritt frei

Karte des Quartiers um Broad Street und Golden Square. Verzeichnet sind Choleratodesfälle, die zwischen dem 19. August und dem 30. September 1854 aufgetreten sind. (Bild: Wellcome Library, London) 

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