3 sehenswerte Ausstellungen in Stuttgart

Ursula Baus
15. Februar 2012
G.M. Cantacuzino in Berlin, 1940 

Was in der Schwabenhauptstadt gerade in Sachen Architektur passiert, spottet jeder Beschreibung: Es tobt die Abrisswut. Rumgesprochen hat sich europaweit der Abriss des Bahnhofssüdflügels; die Bahn will, anders als in der Planfeststellung festgelegt, aus Spargründen jetzt auch noch eines der letzten Schmuckstücke gegenüber dem Bonatz-Bahnhof, die ehemalige Bundesbahndirektion aus den Jahren 1911-12, abreißen. Am Schillerplatz sollen außerdem für eine Investition des Kaufhauses Breuninger und des Landes Baden-Württemberg elegante und bestens weiterbaubare Nachkriegsbauten weggefegt werden, mit Müh' und Not wird das Hotel Silber – wir berichteten im Dezember 2010 und im März 2011 – zu retten sein. Und an der Schnittstelle zwischen der Innenstadt und Stuttgart-Süd wird großflächig abgerissen, was nicht niet- und nagelfest ist: Es ist ein Elend, wie in einer Stadt mit drei Architekturausbildungsstätten und hoher Architektendichte der Wert des Gebauten missachtet wird.

All das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Architektenstadt Stuttgart mehr passiert als die offiziellen Desaster. Die Weißenhofgalerie zeigt derzeit eine Ausstellung über G. M. Cantacuzino, einen Hauptvertreter der rumänischen, eigenartigen, Tradition und Moderne verbindenden Architekturauffassung in den 1930er Jahren. Die Ausstellung bezieht sich auf die Dissertation G. M. Cantacuzino (1899-1960): Dialogik zwischen Tradition und Moderne von Dan Teodorovici, in der die Dimension der Wissenslücken des Westens zur Baugeschichte des Ostens deutlich werden. Viel zu wenig wissen wir über das 20. Jahrhundert im so genannten Ostblock, wo die Moderne genauso wie im Westen auch ein soziales Projekt war. Hier vermittelt die Ausstellung Eindrücke, die auf weitere Entdeckungen neugierig machen.

Die Veränderung der politischen Landschaft Europas seit 1989 (Fall der Mauer) und 1995 (Schengener Abkommen) ermöglichte auch zwei andere Ausstellungen, die in Stuttgart zu sehen sind: Die vhs-photogalerie zeigt die Werkserie "Border" des vielfach ausgezeichneten Fotografen Martin Sigmund (Jahrgang 1970). Er fotografierte überflüssig gewordene Grenzstationen, die einstmals nicht nur Nationen, sondern auch Lebensweisen und Kulturlandschaften trennten. Qualitativ unterschiedliche Architektur zeigt Sigmund in ihrer durch Staatsgeschichte bestimmten Bedeutung – in theatralischen Bildstimmungen, die manchmal nostalgisch, manchmal befreiend wirken. Wo einstmals die Welt für manche Menschen ein Ende hatte, bleiben zum Teil rührend schäbige Häuschen übrig, die ihren Schrecken längst verloren haben.

Ab Ende Februar zeigt die Architekturfotogalerie f75 Fotografien des ebenfalls mehrfach ausgezeichneten Fotografen Dirk Brömmel. Er nahm sich der Villa des Textilfabrikanten Fritz Tugendhat an, die Mies van der Rohe 1928-30 im tschechischen Brünn gebaut hat und die seit 1994 wieder öffentlich zugänglich ist. Brömmel überlagerte historische Aufnahmen aus den Familienalben der Tugendhats mit den Zuständen der letzten Jahre: Entstanden sind irritierende Überblendungen (Sandwichtechnik), die Zeitschichten in einer einzigen Ansicht zusammenführen. Dirk Brömmel, Jahrgang 1968, lebt und arbeitet in Wiesbaden.

G. M. Cantacuzino – eine hybride Moderne. architekturgalerie am weißenhof 30, bis 8. April 2012, Mi-Fr 14-18 Uhr, Sa+So 12-18 Uhr, www.weissenhofgalerie.de

Martin Sigmund: Border. vhs photogalerie, Rotebühlplatz 28, bis 28. März 2012, Mo-Sa 8-23 Uhr, So 9-18 Uhr, www.vhs-photogalerie.de

Dirk Brömmel: Villa Tugendhat. fotogalerie f75, Filderstraße 75, 1. März bis 5. April, Do+Fr 15-19 Uhr und nach Vereinbarung, www.f-75.de

G.M. Cantacuzino, Hotel Bellona, Eforie, 1932-34 (Bild: Archiv Dan Teodorovoici) 
Martin Sigmund: Border 
Dirk Brömmel: Villa Tugendhat 

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