Einfachheit im grünen Kleid

Ludwig Zitzelsberger
22. Mai 2024
Atelierhaus in grüner Umgebung (Foto: Sebastian Schels)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?

Es ist vor allem die Vorstellung einer schlichten Scheune als Ort des künstlerischen Arbeitens und Wohnens. Die historischen Scheunen der Umgebung mit ihren knappen Dachüberständen und steilen Dächern haben dabei Pate gestanden. Die Auseinandersetzung mit der einfachen Konstruktion und Materialfügung zu einem sinnlichen Raum und einem stimmigen Ganzen hat in diesem Zusammenhang eine besonders große Rolle gespielt.

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der Ort ist geprägt von einer heterogenen Bebauung. In direkter Nachbarschaft befinden sich Wohnhäuser und LKW-Garagen aus den 1960er-Jahren und gleich daneben der älteste Profanbau der Stadt Bobingen, das denkmalgeschützte Cosimosinische Schlösschen aus dem 16.Jh.

Das Atelierhaus bezieht sich in diesem Spannungsfeld mit seiner klaren und einfachen Formensprache auf Scheunen, die früher einmal an dieser Stelle standen. Gleichzeitig bereichert der Neubau mit einer selbstbewussten Farbgebung die Komplexität des Ortes.

Der Neubau im historischen und gewachsenen Kontext (Foto: Sebastian Schels)
Grün lasiertes Holzkleid mit großen Scheunentoren (Foto: Sebastian Schels)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?

Die Bauherrin ist Künstlerin, die sich am Ort Ihrer Kindheit ein Atelier zum Arbeiten, Wohnen und Ausstellen wünschte. Das knappe Budget war eine besondere Herausforderung und hat das Projekt geprägt. Das Vertrauen und das gestalterische Verständnis der Bauherrin haben dabei viele Freiheiten zugelassen, das war sehr bereichernd.

Das Faltwerk des Daches bleibt im Atelierraum sichtbar, strukturiert und prägt den Raum. (Foto: Sebastian Schels)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Der Entwurf stand schnell fest, ein 18m langes, eingeschossiges, scheunenartiges Haus mit prägnantem Satteldach. Die wesentlichen Dinge sind geblieben, aber natürlich ist Bauen immer ein Prozess mit Anpassungen und stetigen Verbesserungen.

Enfilade mit Blick in den Atelierraum (Foto: Sebastian Schels)
Großzügige Festverglasung nach Nordosten (Foto: Sebastian Schels)
Welche digitalen Instrumente haben Sie bei der Planung eingesetzt?

Der Planungsprozess ist mit sehr geringer Bürokratie abgelaufen. Es waren nur wenige präzise CAD-Zeichnungen notwendig, ein einziger Querschnitt und ein paar präzise Handskizzen. Das war als Kommunikationsmittel völlig ausreichend und ist das Schöne an solch einer Projektgröße: Es gibt wenig Reibungsverluste.

Sparsame Ausführung der Dachentwässerung und Sockel aus Tiefbordsteinen (Foto: Sebastian Schels)
Welche Überlegungen stecken hinter den Entscheidungen für die eingesetzten Materialien?

Zu Beginn haben wir versucht das Haus komplett aus Brettsperrholzelementen zu planen, so einfach gefügt, wie etwa das erste Modell aus Pappe.

Um allerdings ein breiteres Bieterfeld anzusprechen, die Kosten zu senken, geringe Holzquerschnitte zu verwenden sowie die Wertschöpfung bei den lokalen ausführenden Firmen zu lassen, wurde die Wand als Holzständerkonstruktion konzipiert.  

Aus einer materialgerechten Grundhaltung haben wir die Details entwickelt, wie die aus der Dachschalung gefaltete Dachrinne. Die unbewehrte Bodenplatte hat nur eine Stärke von 18 cm, ist lediglich flügelgeglättet und dient als fertiger Fußboden.

Die Dachdeckung bildet ein absolutes Standardprodukt, eine Schweißbahn mit grünen Schiefern. Der Sockel besteht aus Tiefbordsteinen, die eher im Straßenbau beheimatet sind.

Schwarzplan (Zeichnung: Ludwig Zitzelsberger)
Lageplan (Zeichnung: Ludwig Zitzelsberger)
Grundriss (Zeichnung: Ludwig Zitzelsberger)
Schnitt (Zeichnung: Ludwig Zitzelsberger)
Ansicht (Zeichnung: Ludwig Zitzelsberger)
Tragstruktur (Axonometrie: Ludwig Zitzelsberger)
Atelierhaus in Bobingen
2023
Lindauer Straße 10c
86399 Bobingen
 
Nutzung
Atelier und Wohnhaus
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
privat
 
Architektur
Ludwig Zitzelsberger Architekt, München
 
Fachplaner
Tragwerk: merz kley partner, Dornbirn
 
Ausführende Firmen
Baumeister: Oberauer Bau GmbH, Mammendorf
Zimmerer: Reimann Holzbau GmbH, Marktoberdorf
Dachdecker/Spengler: Mayer Dachdecker GmbH, Günzburg
Fenster: Herz Fensterbau GmbH, Durach
Sanitär: Henne GmbH, Fürstenfeldbruck
Elektro: Elektro Langenmayr, Wehringen
 
Hersteller
Holzlasur Innen und Außen: Finnfarben Engelhardt, Trogen
 
Bruttogeschossfläche
124 m2
 
Gebäudevolumen
481 m3
 
Gesamtkosten
k.A.
 
Fotos
Sebastian Schels

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