Bücher statt Waffen
22. April 2015
Hunger nach Wissen, Stadtbibliothek in Birmingham (Bild: faz.net)
Früher als Zentrum der britischen Rüstungsindustrie bekannt – und seit 2002 Sitz des von Daniel Libeskind entworfenen Imperial War Museum North – ist Birmingham heute stolze Besitzerin der größten öffentlichen Bibliothek von Europa.
Man sollte meinen, öffentliche Bibliotheken wären ein Auslaufmodell, sinnierte kürzlich die FAZ. Schließlich nehme die auf Gedrucktes, also Bücher, Zeitschriften und Zeitungen verwendete Lesedauer ständig ab. Doch gleichzeitig zeichnet sich ein gegenteiliges Phänomen ab, denn vielerorts in Europa erleben Bibliotheken eine eigentliche Renaissance.
Dabei entwickeln sie sich vermehrt zu Multifunktionsgebäuden, die zuweilen Funktionen von Gemeindezentren oder informellen Treffpunkten übernehmen. Gesehen aus der Perspektive der Architektur- oder Baugeschichte fühlt man sich recht eigentlich an die 1970er-Jahre erinnert, wurden vor rund 40 Jahren doch vielerorts Gemeinschaftseinrichtungen geplant und oft auch realisiert, die multifunktional angelegt waren.
Die Stadt Birmingham ist zur zweitwichtigsten Dienstleistungsmetropole Englands geworden und beherbergt eine Universität. Auch ist Birmingham sehr jung: ein Viertel der Einwohner ist jünger als 25 Jahre. Zudem hat sie Großbritanniens höchsten Einwohneranteil mit Migrationshintergrund.
Und es seien primär diese jungen Menschen, die mit ihrem Hunger nach Bildung und Qualifikationen, aber auch nach zwanglosen Begegnungen das Angebot einer Stadtbibliothek nutzten. Doch generell zieht der Ort Menschen in Scharen an: Durchschnittlich sollen es 10'000 Besucher und Besucherinnen pro Tag sein.
Das spektakulärste Beispiel eines zeitgenössichen Bibliothekbaus also steht in Birmingham. Den Neubau realiserte das niederländische Architekturbüro Mecanoo unter der Leitung der langjährigen Partnerin Francine Houben. Ein wesentliches Kriterium der getroffenen Lösung ist es, die Depots nicht unterirdisch anzuordnen, sondern sie als Herzstück in der Gebäudemitte zu platzieren.
In Zeiten des Internets und vieler virtueller Welten gewinnt eine andere also erneut an Attraktivität: die physisch greifbare Welt. Die Welt der Menschen mit all ihren Begegnungen.