Wie Architektur bei der Genesung hilft

Elias Baumgarten
2. Juli 2024
Die Schau »Das Kranke(n)haus« wurde vom Architekturmuseum der TU München entwickelt und ist zurzeit in Dornbirn zu sehen. (Foto: Darko Todorovic)

Muffige Gänge, düstere Zimmer, in der Cafeteria Plastikstühle und billiger Automatenkaffee – Krankenhäuser sind auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit getrimmte Maschinen, auch in architektonischer Hinsicht. Weder die Arbeitsbedingungen von Pflegern und Ärztinnen spielen dabei eine große Rolle noch die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten. – Bisher, denn ausgehend von Nordamerika setzt sich mehr und mehr auch im deutschen Sprachraum die Erkenntnis durch, dass Architektur die Heilung unterstützen kann. Allerdings: Noch finden wir sogenannte »Healing Architecture« nur bei wenigen lobenswerten Einzelprojekten. Den Umdenkprozess beschleunigen möchte nun auch das Vorarlberger Architektur Institut (vai): Dort ist noch bis zum 7. September die vom Architekturmuseum der TU München entwickelte Ausstellung »Das Kranke(n)haus. Wie Architektur heilen hilft« zu sehen. 

Die Ausstellungsgestaltung ist räumlicher als zuletzt bei »Refuse, Reduce, Re-use, Recycle, Rot« und nutzt die Örtlichkeiten in Dornbirn gut. (Foto: Darko Todorovic)
Foto: Darko Todorovic

Die von Tanja C. Vollmer, Andres Lepik und Lisa Luksch kuratierte Schau ist in zwei Teile gegliedert. Zum einen werden beispielgebende Therapie- und Nachsorgeeinrichtungen unter anderem von Herzog & de Meuron, Zaha Hadid, OMA und Foster + Partners gezeigt. Diese Bauaufgabe ist schon länger ein Experimentierfeld für Healing Architecture, denn Architektinnen und Architekten genießen dabei mehr Gestaltungsspielraum als beim Entwerfen von Spitälern. 

Der zweite Teil versammelt herausragende Krankenhausprojekte. Sie wurden von Masterstudierenden der TU München auf sieben von den Architekturprofessorinnen Gemma Koppen und Tanja C. Vollmer definierte Wirkungsfaktoren hin untersucht. Diese »Heilenden Sieben« tragen dazu bei, das Stresslevel der Patienten zu senken und fördern so deren Genesung: eine gute Orientierung, eine angenehme Geruchs- und Geräuschkulisse, genügend Privatheit und Rückzugsräume, sogenannte »Power Points«, Aussicht und Weitsicht sowie ein menschliches Maß. 

Friendship Hospital Satkhira in Bangladesh, Kashef Chowdhury/URBANA (Foto: Asif Salman)
Kreiskrankenhaus im bayrischen Agatharied, Nickl & Partner (Foto: Stefan Müller-Naumann)
»Viele Kliniken in Deutschland wie in Österreich entsprechen nicht mehr den heutigen Standards, müssen renoviert oder abgerissen werden. Wir sind überzeugt, dass gerade diese aktuellen Entwicklungen die einmalige Chance bieten, über innovative Modelle im Gesundheitsbau nachzudenken und die Architektur wieder befähigen, sich daran aktiv und gestalterisch zu beteiligen.«

Das Kurator*innenteam: Tanja C. Vollmer, Andres Lepik, Lisa Luksch

Zu den gezeigten Projekten gehören unter anderen das Kreiskrankenhaus Agatharied (Nickl und Partner Architekten, 1998), das Friendship Hospital Satkhira (Kashef Chowdhury/uRBANA, 2018), das Prinzessin Máxima Zentrum für pädiatrische Onkologie in Utrecht (LIAG architekten + baumanagement, 2018) das Bürgerspital Solothurn (Silvia Gmür Reto Gmür Architekten, 2021) und die Kinder- und Jugendklinik Freiburg (ARGE Health Team Vienna – Albert Wimmer ZT GmbH & Architects Collective ZT GmbH, 2023). Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der auf Deutsch oder Englisch erhältlich ist.

Das Kranke(n)haus – Wie Architektur heilen hilft / Building to Heal. New Architecture for Hospitals

Das Kranke(n)haus – Wie Architektur heilen hilft / Building to Heal. New Architecture for Hospitals
Herausgegeben von Tanja C. Vollmer, Andres Lepik und Lisa Luksch

21 x 27.5 cm
272 Seiten
120 Illustrationen
Hardcover
ISBN 978-3-96680-025-9
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Das Vorarlberger Architektur Institut (vai) gehört zu den wichtigsten Plattformen für den Architekturdiskurs und die -vermittlung in Österreich. Das Ziel des Instituts ist die Stärkung der Baukultur im Bundesland Vorarlberg. Fachleute sollen durch das vai vernetzt werden, Laien, Kindern und Jugendlichen möchte das Team ein baukulturelles Bildungsangebot machen. Die Trägerschaft ist ein gemeinnütziger Verein, und Verena Konrad leitet das vai seit über zehn Jahren als Direktorin.


Mehr zur Krankenhausarchitektur lesen Sie in unserer Spezialausgabe zu Healing Architecture.

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