Neue Wohnbebauung in Dresden schließt letzte Lücke in Prager Straße
«Wiener Loch» geschlossen
Carsten Sauerbrei
24. octobre 2016
Das «Prager Carrée» umfasst neben Einzel- und Gewerbeflächen auch 241 Mietwohnungen. (Bild: Jeibmann Photographik)
Mit dem unlängst an die Nutzer übergebenen «Prager Carrée» wurde eine seit 15 Jahren bestehende Baugrube im Umfeld des Wiener Platzes in Dresden beseitigt. Das seit 1990 geplante neue Quartier zwischen Prager-Straße-Ensemble und Hauptbahnhof ist damit vollendet.
In der sächsischen Landeshauptstadt Dresden ist der Hang zur Nostalgie in Städtebau und Architektur unübersehbar. Vergessen wird dabei oft, dass die Stadt mit dem zwischen 1965 und 1978 entstandenen Ensemble aus Hotels, Kaufhäusern, Restaurants, Wohnbebauung und Kino entlang der Prager Straße eines der herausragenden Beispiele der Ostmoderne besitzt. Dessen fehlende Urbanität wurde jedoch bereits Mitte der 1970er-Jahre beklagt und aus diesem Grund nach 1990 die Wiederbebauung der sich nördlich und südlich anschließenden Stadträume nach historischem Vorbild beschlossen.
Abwechslungsreich strukturierter Baukörper, klar gestaltete Fassade
Mit dem sechsgeschossigen, in diesem Sommer fertiggestellten «Prager Carrée» des Hamburger Büros «MPP Meding Plan + Projekt» entstanden nun erstmals im Quartier zwischen Prager Straße und Hauptbahnhof neben Einzelhandels- und Gewerbefläche auch 241 Wohnungen. Die Architekten überzeugten die Stadt Dresden mit ihrem städtebaulichen Konzept eines den Blockrand definierenden, ein- bis zweigeschossigen Gewerbesockels und der darauf aufgesetzten fünf- bis siebengeschossigen Wohnbebauung. Die Wohngeschosse teilten sie dabei auf in zwei straßenbegleitende Riegel auf der Ost- und Westseite und insgesamt vier freistehende Kuben auf Nord- und Südseite.
Bis zu 7-geschossige Wohnbebauung umschließt den ruhigen, begrünten Innenhof. (Bild: Jeibmann Photographik)
Mit dem resultierenden Baukörper ermöglichten die Architekten trotz der verdichteten Innenstadtlage eine sehr gute Belichtung aller Wohnungen und schufen gleichzeitig einen klar definierten, geschützt gelegenen und begrünten Innenhof – trotz rund 8500 Passanten pro Stunde. In einem Werkstattverfahren mit der Stadt Dresden entstand die wohltuend lebendig wirkende Fassade, die sich aus einer Lochfassade mit geschossweise alternierendem Fensterrhythmus und der vorgeblendeten Mäanderstruktur der Balkone und Loggien zusammensetzt.
Gewinn an Urbanität auf Kosten der Nachkriegsmoderne
Vom unmittelbaren Umfeld hebt sich das «Prager Carrée» mit seiner klaren Gestaltung positiv ab. Die Verbindung zwischen Prager-Straße-Ensemble und Hauptbahnhof ist mit der nunmehr abgeschlossenen Bebauung des einstigen Leninplatzes wieder hergestellt. Die Prager Straße gewann damit an Urbanität. Als Konsequenz lässt sich jedoch heute die ursprüngliche Konzeption der 1960er-Jahre von locker im Stadtraum gruppierten Solitärgebäuden kaum noch erkennen. Mehr Respekt vor dem Nachkriegsstädtebau hätten der Dresdner Stadtverwaltung und dem Stadtraum im Umfeld der Prager Straße sicher nicht geschadet, dessen vollständige Bau- und Planungsgeschichte hier nachzulesen ist.
Südlicher Beginn der Prager Straße vor Errichtung des «Prager Carrées». (Bild: Norbert Kaiser / CC BY-SA 3.0)
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