Farbe in Architektur und Stadt

Manuel Pestalozzi
3. Juni 2024
In der Halle an der Hansaallee wird während der Ausstellung unversehens auch die Kleidung der Besucher*innen in den »Farbrausch« integriert. (Foto: Claudia Dreyße)

Jede Lichtwelle hat ihre Länge und ihre Frequenz. Zwischen dem kurzwelligen Ende des Ultraviolett bei 360 bis 380 nm und dem langwelligen Anfang des Infrarots bei 780 bis 820 nm kann sie das menschliche Auge wahrnehmen. Die erwähnten Messwerte sorgen dafür, dass sich der Farbton über das Spektrum kontinuierlich von Violett über Blau nach Grün zu Gelb und Rot verändert. Der Name der Ausstellung »380–780 nm. Farbe in Architektur und Stadt« befasst sich somit mit der Gesamtheit der Spektralfarben.

Der Fotograf Paul Eis verfremdet mit seinem »colourful makeover of architecture« Vertrautes farblich. (Foto: © Paul Eis)

In der Halle an der Hansaallee 190 in Düsseldorf fordert die Ausstellung in den Worten der Veranstalter*innen dazu auf, sich »mit Blick auf eine klimagerechte Baukultur« an der Frage zu beteiligen: Was kann Farbe künftig für unsere räumliche Gestaltung leisten? Der dokumentarische Bereich zeigt Projekte, bei denen die Farbgebung im Zentrum eines Konflikts stand oder bei denen Farbe als Mittel zur Lösung eingesetzt wurde. Thematisiert wird etwa der große Polychromiestreit des 19. Jahrhunderts, bei dem es um die ursprünglichen Farbigkeit der Architektur der Antike ging. 

Auch der berühmte Bierpinsel in Berlin aus den 1970er-Jahren macht seine Aufwartung: Als rote Landmarke hatten ihn Ursulina Schüler-Witte und Ralf Schüler geplant, 2010 verwandelten internationale Street-Art-Künstler*innen das Gebäude in ein buntes Gesamtkunstwerk – gegen den Willen der Architekt*innen. Der neue Betreiber möchte den Turm nun »aufgrund seiner Ähnlichkeit mit einem Baum«, wie es heißt, grün streichen anstatt in seinem ursprünglichen Rot. Ob der Wunsch mit dem Denkmalschutz vereinbar ist und von den Erben des Architektenpaars akzeptiert wird, bleibt abzuwarten. 

Der Fotograf Paul Eis widmet sich mit »a colourful makeover of architecture« mit farbigen Gegenentwürfen Architekturen aus Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel dem Trivago HQ in Düsseldorf und der Zeche Zollverein in Essen. Horst Gläskers »Leuchttürme des Wissens«, gedacht für die Universität Duisburg-Essen, zeigen eine künstlerische Gestaltungsidee, die in besonderer Weise die Hochschularchitektur inszeniert. Welche Wirkung Farben auf uns Menschen haben, zeigen etwa das Projekt »Philly Painting« (USA) und die Geschichte eines Stadtviertels in Kapstadt.

Die farbige Ecke am Wiener Parlamentsgebäude erinnert daran, dass sein Architekt Theophil Hansen intensiv dafür kämpfte, die Fassaden in antikengerechter Farbigkeit ausführen zu dürfen. (Foto: © Herzi Pinki, CC BY-SA 4.0 Deed)

Die »Laborformate« der Ausstellung spielen mit Wahrnehmung, Analyse und Bewusstmachung. Hier liegt der Fokus auf Interaktion: Zur Einstimmung bilden frei im Raum hängende Farbscheiben ein scheinbar willkürliches Kaleidoskop und dokumentieren gleichzeitig die farbliche Entwicklung der zugehörigen Projekte. Interaktive Laborformate spielen mit der Wahrnehmung und laden zum Mitmachen ein. Verschiedene Stationen beschäftigen sich unter anderem mit den Fragen: Welchen Einfluss hat die Lichtqualität auf die Farbdarstellung und die Farbwirkung? Wie steht es um das »Material« Farbe, mit dem wir unsere Wände streichen? Gibt es in Hinblick auf Ökologie, Raumklima, Allergiepotenzial, Kosten und Heimwerkertauglichkeit sinnvolle Alternativen zur allgegenwärtigen Kunstharzdispersionsfarbe? Außerdem bietet ein Rahmenprogramm diverse Veranstaltungen. Passend zur Ausstellung hat Baukultur NRW die Online-Plattform lokalkolor.de entwickelt und sucht Fotos farbiger Fassaden.

Die Stadt Mailand wendet »Tactical Urbanism« unter Einsatz von Farbe mit großem Erfolg an, so wie hier auf dem Belag der Piazza Dergano. (Foto: © Demetrio Scopelliti)

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