Transparent und offen

Thomas Geuder
10. Februar 2015
An der stark befahrenen Äußeren Bayreuther Straße im Nürnberger Stadtteil Herrenhütte präsentiert sich die Deutsche Rentenversicherung seit Kurzem mit einem neuen Dienstleistungszentrum. (Foto: Gerhard Hagen)

Zugegeben: Der Gang auf ein Amt, auch wenn es „nur“ die Deutsche Rentenversicherung ist, weckt bei manchem ein undefinierbares Unbehagen. Schließlich hat man dort nicht nur mit den viel gescholtenen Beamten zu tun, es geht auch um die eigene Zukunft, um das Auskommen und letztendlich den Wohlstand in der wohlverdienten Zeit als Pensionär. Das trifft umso mehr diejenigen, denen über Jahrzehnte hinweg gesagt wurde, die Renten seien sicher und die deswegen keine zusätzliche private Vorsorge getroffen haben. Sie sind nun auf die öffentlichen Gelder angewiesen. Insofern ist das Anliegen der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern durchaus nachvollziehbar, mit dem geplanten Umzug auch gleich in ein Gebäude zu investieren, das den Besuchern die Scheu vor dem Amt nimmt und auf der anderen Seite des Tischs den Mitarbeitern zu einem freundlichen Gemüt animiert.

Ein Baumplatz mit Vierjahreszeitengehölzen und Pflanzbändern betont den Zugangsbereich, Sitzgelegenheiten sollen zum Verweilen einladen. (Foto: Gerhard Hagen)

Der Ort für dieses Bauvorhaben befindet sich weithin sichtbar an einer der Haupteinfallsstraßen von der Autobahn A3 in die Nürnberger Innenstadt, genau im Scheitelpunkt einer eleganten Kurve. Hier auf dem Gelände der alten Landesversicherungsanstalt, eingebettet in eine Umgebung mit parkähnlichem Charakter und heterogener Bebauung, sollte nun das neue Dienstleistungszentrum der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern entstehen. Die Architekten von Baurconsult lehnen in ihrem Entwurf die Großform des Gebäudes an die Grenzen des ungleichmäßig geschnittenen Grundstücks an, wobei dessen Form den Kurven-Scheitelpunkt noch überhöht und sich vor allem den stadteinwärts Fahrenden öffnet. So entsteht vor dem Gebäude ein kleiner Platz, der freilich mit im Quadratraster angeordneten Bäumen eine Art Schutzzone vor der Hektik der viel befahrenen Straße bieten soll.

Der Haupteingang befindet sich an der Äußeren Bayreuther Straße, ein zweiter Eingang im Westen bietet einen raschen Zugang von den Parkplätzen aus. (Foto: Gerhard Hagen)

Erfrischend markant zeigt sich die Fassade des Gebäudes, eine Konstruktion aus Glas und Metall, die durch die deutlich abgesetzten Fensterumrandungen bzw. -laibungen in den Obergeschossen eine zusätzliche räumliche Tiefe erhält. Der Zwischenraum ist mit dunklen Glaspaneelen gefüllt. Die Basis dieser Fassadenkonstruktion bildet die Fensterserie AWS 75 (Schüco). In sie wurden verdeckt liegende Fensterflügel eingesetzt und das Ganze schließlich zu einer vor dem Baukörper durchlaufenden Elementfassade umkonstruiert. In den schlussendlich vorgefertigten Fassadenmodulen sind  alle Anschlüsse, der Sonnenschutz, die raumhohen Verglasungen, die opaken Verkleidungen aus emailliertem ESG und die Öffnungsflügel mit Überwachungsbauteilen enthalten. Für diese Sonderkonstruktion waren umfangreiche statische Berechnungen und Bauteilversuche notwendig, doch der Aufwand hat sich gelohnt: Entstanden ist eine Fassade, die nicht – wie viele andere Fassaden mit derartigem Glasanteil – einfallslos ist und außerdem viel Licht in den Innenraum lässt.

Die Fassadenmodule sind raumweise vorgefertigt und enthalten alle Anschlüsse, den Sonnenschutz, die raumhohen Verglasungen, die opaken Verkleidungen aus emailliertem ESG und die Öffnungsflügel mit Überwachungsbauteilen. (Foto: BaurConsult)

Das Grundprinzip des viergeschossigen Gebäudes ist ein Stahlbetonskeletttragwerk mit einem Grundraster von 30 cm. Trotz der Formvielfalt in der Fassade ist diese dennoch einem modularen System untergeordnet, das sich nicht zuletzt auch in der Innenraumstruktur widerspiegelt. Jedem Raum sind dabei eine raumhohe Fensterverglasung sowie ein ebenso raumhoher, schlanker Lüftungsflügel zugeordnet. Deren Breiten stehen zueinander im Verhältnis 2:1, das somit gleichzeitig auch das Grundthema der Fassadengestaltung darstellt. Die gut gedämmte Hülle ist übrigens Teil eines Energiekonzepts, zu dem auch ein Retentionsbecken gehört, in dem das Regenwasser gesammelt und vor Ort dem Grundwasser zugeführt wird.  tg

Für insgesamt 150 Mitarbeiter bietet das viergeschossige und vollflächig unterkellerte Gebäude Platz. (Foto: BaurConsult)
Lageplan (Quelle: BaurConsult)
Grundriss 3. Obergeschoss (Quelle: BaurConsult)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: BaurConsult)
Vor Ort mussten lediglich die Anschlüsse der Fassadenelemente an den Rohbau einzeln montiert werden. (Foto: BaurConsult)
Fassadenansicht von innen: Durch die raumhohe Verglasung fällt viel Licht ins Innere. (Foto: Gerhard Hagen)
Blick ins Foyer: Der zwei Geschosse hohe Raum wird von einer Lichtdecke belechtet. (Foto: Gerhard Hagen)

Projekt
Dienstleistungszentrum der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern
Nürnberg, D

Architekt
BaurConsult Architekten und Ingenieure
Haßfurt, D

Hersteller
Schüco International KG
Bielefeld, D

Kompetenz
Sonderkonstruktion aus AWS 75

Bauherr
Deutsche Rentenversicherung Nordbayern
Bayreuth, D

Außenanlagen
Lorenz Lanschaftsarchitekten
Nürnberg, D

Projektsteuerung
BPM Consult
Eggenfelden, D

Technische Gebäudeausrüstung
Süss Beratende Ingenieure GmbH
Nürnberg, D

Prüfung Statik und Tragwerk
Prüfamt für Standsicherheit
Nürnberg, D

Schallschutz, Raumakustik, thermische Bauphysik
Hook Farny Ingenieure
Landshut, D

Baugrund-Gutachten
Geoplan GmbH
Osterhofen, D

Fertigstellung
2013

Fotografie
Gerhard Hagen



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