Wie der Stadtstaat Hamburg sein Planungsrecht ökologisch ausgerichtet hat

HafenCity zeigt: Holzbau ist wirtschaftlich

Leonhard Fromm
15. März 2023
Visualisierung © Störmer Murphy and Partners

Bei der Holzbau-Konferenz „Building Wood“ Anfang des Jahres berichtete Henning Klattenhoff, ein Tragwerksplaner und Bauingenieur bei Assmann, über seine Erfahrungen im Holzbau: „Es geht nicht Holz gegen Beton, sondern alles an seinem Platz.“ Stadtbrände im Mittelalter und nicht zuletzt die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg seien die Ursprünge gewesen, dass man beim Wiederaufbau in den 1990er-Jahren nichts Brennbares mehr in den Städten haben wollte.

Die IBA 2013 in Hamburg habe ein erstes Umdenken bewirkt. Seinerzeit habe er selbst im Rahmen der IBA ein Hotel in Holzbauweise geplant. Der rot-grüne Koalitionsvertrag habe 2015 festgelegt, dass das Baurecht Richtung Nachhaltigkeit verändert wird und 2020 sei schließlich die Holzbaustrategie für Hamburg beschlossen worden, wonach mehrere tausend Wohnungen in dieser Bauweise entstehen sollten, um Kohlendioxid einzusparen und die Nachfrage zu schaffen, für die die Baubranche das Know-how entwickelt.

Auf dem Weg dorthin habe eine Erhebung ergeben, dass die Bauordnung zu 83 Prozent das größte Hindernis darstellt, mit Holz zu bauen, gefolgt von der mangelnden Kompetenz der Hersteller und der Behörden mit je 60 Prozent. Klattenhoff: „Wir haben also schon 2016 erkannt, dass die Kommunikation zwischen Technikern, Juristen und Kaufleuten nicht funktioniert, insbesondere in den Gebäudeklassen IV und V.“ Dieser Mangel wurde in der Folge behoben und das führte 2018 dazu, dass die Holzmassivbauweise auch in diesen Klassen in Hamburg zulässig wurde. Ein neu eingeführter Bauprüfdienst machte solche Pläne genehmigungsfähig, was sich sofort auf die Gestaltung der HafenCity auswirkte: Im älteren Teil des Quartiers dominierten Stahl, Glas und Beton, während nun immer mehr filigrane Holzhochhäuser dazukamen. 

Das Roots mit 20 Geschossen und 60 Metern Höhe in der Klasse V direkt an der Kaimauer wurde nun zum höchsten Holzhaus Deutschlands. „Jetzt konnten diese Gebäude und ihre Bauweise belegen, dass sie auch wirtschaftlich sind“, rekapituliert Klattenhoff die Entstehungsgeschichte des Holzbaus in Deutschland. Und weil München diese Bauweise im Prinz-Eugen-Quartier seit 2016 förderte, übernahm Hamburg diese Praxis. Die Wirtschaftlichkeit resultiert im Wesentlichen daraus, dass die Bauteile seriell vorgefertigt werden, was sie in Herstellung und Montage effizient und schnell macht. Allerdings erfordert das Verfahren sehr viel Kommunikation und Abstimmung bereits in der Planungsphase, weil bereits für jedes Modul Aussparungen bis hin zu Steckdosen definiert und programmiert werden müssen.
 

Visualisierung © Garbe Immobilien Projekte

Anpassen müssen sich auch Zimmerleute, die zuvor noch nie im 18. Stock gearbeitet haben, und für die Qualitätssicherung braucht es Erfahrungswerte. Ein Grundsatz, den nach Klattenhoffs Eindruck noch immer vier von sechs Architekten bei einem Wettbewerb missachten: Holz darf erst oberhalb der Gebäudekante verbaut werden und hat im Boden nichts zu suchen. Das Fundament wird weiter mit Beton gegossen. Aufstockungen im Bestand seien für die meisten Bauträger und deren Architekten der erste Kontakt mit der Holzbauweise. Vor allem in Berliner Hinterhofhäusern, die um bis zu vier Geschosse erhöht werden, sei Holz der einzige Baustoff, der aus Gründen der Statik möglich sei.

Allerdings liegt die Gewichtseinsparung gemäß seiner Erfahrung netto nur bei einem Drittel. Und dass Holz noch immer das Image des Teuren anhaftet, liegt laut dem Referenten daran, dass frühere Bauherren, wenn sie denn mit dem Naturstoff bauten, es besonders edel wollten. Ein Standard sei aber völlig ausreichend, gerade weil das Material eine so wertige Wirkung entfalte. Vor allem im Wohnungsbau wachse die Nachfrage nach Holz, wobei die Objekte immer größer und ambitionierter würden. Das liege auch an der Skalierbarkeit.
„Wer mit Holz baut, braucht einen Bauleiter, der erfahren ist im Umgang mit diesem Material“, warnt Klattenhoff, „zum Beispiel einen Zimmermann, sonst gibt es schnell sehr viel Ärger.“ Auch im Schulbau, wo man Spannweiten von sieben, acht Metern hat, sei der Baustoff sehr beliebt und komme Assmann ohne Beton aus. Gegenüber mineralischem Massivbau spare Holz 45 Prozent CO2 ein, bei hybrider Bauweise seien es immerhin noch 22 Prozent. Mit dem Holzbau-Netzwerk Nord und dem Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt (ZEBAU) habe Hamburg wertvolle Akteure, um nachhaltiges Bauen voranzubringen.

Für 140 Millionen Euro werden seit Mai 2022 für 19 Etagen und ein Quergebäude in der Hamburger HafenCity 5500 m3 Nadelholz verbaut. Bis Januar 2024 entstehen in dem 65 Meter hohen Holz-Wohnturm 181 Wohnungen, davon 53 sozial gefördert. Das 3200 m2 große Grundstück direkt Am Baakenhafen umfasst auch 180 Pkw-Stellplätze, 1700 m2 Büro, 2000 m2 Ausstellung und 430 m2 Gastronomie. 
Die Garbe Immobilien-Projekte GmbH ist Investor und hat die Bauleitung, Störmer Murphy and Partners das Planungsbüro und Assmann hat die Bauleitung. Rubner Holzbau liefert bis Juli 2023 die 1200 Holzbauelemente, aus denen der Wohnturm entsteht. Im Seitengebäude wurden bereits bis zu 10,3 Meter breite und 2,6 Meter hohe Fassadenelemente montiert, die je 2,6 Tonnen wiegen. Dieser Riegel besteht aus 400 Elementen, die im Werk millimetergenau vorproduziert und vor Ort von einem 80 Meter hohen Kran positioniert werden.
Die Elemente werden zum Großteil bereits mit Fenstern und Loggien geliefert. Das schwerste Bauteil mit 14 Metern Länge wiegt acht Tonnen. Das Nadelholz ist PEFC-zertifiziert und stammt zum allergrößten Teil aus der Steiermark in Österreich. 90 Prozent der tragenden Wände und der aus Brettsperrholz bestehenden Deckenelemente, die 24 bis 28 cm stark sind, bestehen aus Fichte. Der Rest sind Kiefer, Tanne und Buche.

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