Quadratisch praktisch gut

Thomas Geuder
3. März 2015
Im Süden von Leipzig wurde im Oktober 2014 der Neubau der «3. Schule Leipzig» in Betrieb genommen. Im Bild: Schulhof. (Foto: Thomas Lewandovski)

Bis vor Kurzem befand sich die „3. Schule Leipzig“ noch in einem Gebäude aus dem Jahr 1971, erbaut für die damalige „3. Polytechnische Oberschule“, mit horizontal gegliederter Fassade aus Fenster- und Waschbetonbändern und vorgelagertem Schulhof mit dem für damalige Zeiten üblichem Straßenbelag mit Verkehrsübungsplatz. Einen Ort zum Lernen würde man sich freilich anders vorstellen, wirkt das Gebäude doch etwas trist und im dritten Jahrtausend auch ziemlich in die Jahre gekommen. Vermutlich aber haben viele derartige Schulgebäude, wie sie überall zu finden sind, durchlaufen müssen – ich selbst zähle mich dazu, wobei die Dimension des Baus, in dem ich die ersten Schultage verbracht habe, gottlob nicht erschlagend war und wir Kinder ohnehin mit anderen Dingen als der Frage nach der richtigen architektonischen Gestalt beschäftigt waren. In Leipzig nun sollte der Altbau durch einen Neubau ersetzt werden, und so entschied sich die Stadt Leipzig, im Jahr 2009 mittels eines beschränkten Wettbewerbs und einer Jury unter Vorsitz von Prof. Carlo Weber († 2014) die richtige Entwurfslösung für die neue „3. Schule Leipzig“ zu finden. An dem Wettbewerb nahmen rund 30 Büros aus ganz Deutschland teil.

Bei Großveranstaltungen können die nach innen orientierten Räume mit dem Pausenhof verknüpft werden und so ein räumliches Kontinuum bilden. (Foto: Thomas Lewandovski)

Als Gewinner gingen aus dem Wettbewerb JSWD Architekten aus Köln hervor, die alle Funktionen der Schule in einem kompakten, quadratischen Baukörper zu vereinen suchen und der auf dem nördlichen Teil des zur Schule gehörenden Geländes entstanden ist. Dadurch wurde es möglich, dass der Schulbetrieb parallel zum Bau (Beginn im Sommer 2012) stattfinden konnte. Der Entwurf indessen besitzt große räumliche und organisatorische Qualitäten: Im Erdgeschoss befindet der größte Teil der Gemeinschaftsflächen, also die Werkräume und der Musik-, der Mehrzweck- sowie der Speiseraum, das Foyer. Sie umschließen einen Binnenraum, den Schulhof. Von dort aus bestehen auf drei Seiten Blickbeziehungen in das Eingangsfoyer, den Mehrzweckraum mit Mensa und die Sporthalle.  Nach Süden fließt der Schulhof unter dem Gebäude hindurch und bindet den schuleigenen Verkehrsübungsplatz, den Schulgarten sowie die Gymnastikwiese mit angrenzenden Spiel- und Sportflächen an. Im ersten Obergeschoss sind die Gruppenräume des Horts ringförmig um den Schulhof angeordnet. Von hier aus gelangen die Kinder auch auf eine Freifläche, die letztendlich das Dach der Sporthalle im Untergeschoss ist.

Mit dem Fallschutzbelag lassen sich auch Freiformen nahezu jeder Art herstellen, oder – wie bei der 3. Schule in Leipzig – einfach Halbkugeln. (Foto: Thomas Lewandovski)

Das Besondere hier: Der Bodenbelag ist aus dem Fallschutzbelag RoofTop (Playtop) gefertigt, dem (laut Hersteller) einzigen Belag seiner Art weltweit, der eine Zulassung als „harte Bedachung“ für alle Dachneigungen besitzt, zertifiziert mit einem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis der MPA Stuttgart. Die Dämpfungslage des Belags ist 35 mm dick, darüber befindet sich eine 15 mm dicke Deckschicht, wodurch der Einsatz von Spielplatzgeräten mit Fallhöhen bis 1,50 m möglich ist (eine Fallhöhe von 3,0 m wäre bei einer Belagstärke von 140 mm möglich). Hergestellt ist das Material der Dämpfungsschicht aus den Karkassen alter Autoreifen, die – im gruppeneigenen Werk – vom Stahl getrennt und zerkleinert werden, weswegen das so entstandene Gummigranulat zunächst schwarz ist. Wichtig zu wissen bei diesem Belag ist, dass dieser nicht wasserdicht ist, sondern im Gegenteil extrem wasserdurchlässig, mit einem Wasserschluck- bzw. durchlasswert von 19 Liter pro Sekunde und Quadratmeter. Somit ist unter dem Fallschutzbelag eine wasserführende Schicht notwendig.

Eine großzügige zentrale Treppe im Foyer mit mehrgeschossigem Luftraum verbindet alle Ebenen des Gebäudes miteinander, die (natürlich) auch barrierefrei zu erreichen sind. (Foto: Thomas Lewandovski)

Im 2. Obergeschoss befinden sich die Unterrichtsräume, ebenfalls ringförmig angelegt. Eine augenfällige, großzügige Treppe verbindet alle Stockwerke vom Foyer aus. Speiseraum, Foyer und Pausenhof bilden außerdem ein räumliches Kontinuum, das sich über eine großzügige Öffnung auch in den Außenraum fortsetzt, wo sich die allgemeinen Sport- und Freiflächen befinden. Von hier aus gelangt man über eine breite Freitreppe wiederum ins 1. Obergeschoss, wo sich die „Gummi-Spielfläche“ und der Hort befinden. Zum räumlichen Konzept gehört auch, dass – bedingt durch eine Primärkonstruktion aus Stahlbeton und einem Innenausbau überwiegend aus einem Leichtbausystem – Raumänderungen ohne aufwändige Eingriffe in die Gebäudesubstanz erledigt werden können.

Alle Gruppenräume legen sich ringförmig um das zentrale Atrium. Aufweitungen der Erschließungsflächen und Loggien bieten zusätzliche Spielzonen. (Foto: Thomas Lewandovski)

Das farbliche Konzept verbindet die Verkehrsflächen für die Kinder miteinander. So sind die Flure sowie die Turnhalle und der Fallschutzbelag der Spielfläche ihn ähnlichen farblichen Nuancen gestaltet. Beim Fallschutzbelag habe die Architekten drei verschiedene Mixturen zusammengestellt, jeweils unterschiedlichen Mengen Erdgelb, Leuchtgelb, Resedagrün, Rot, und Orange. Verstärkt wird die Wirkung der Farben noch durch das ansonsten in Weiß gehaltene Gebäude, das den idealen Hintergrund für die kräftige Farbgebung bildet. Die Fassade (ein Wäremdämmverbundsystem) ist mit horizontalen Fensterbändern gegliedert, die mit hinterlüfteten Aluminium-Paneelen eingefasst sind. Ein textiler Behang in Form von gelben Sonnenschutz-Rollos sorgt zusätzlich für angenehme Farbtupfer. So ist der Bau am Ende nicht mit Buntheit überfrachtet und besitzt doch eine freundliche und auch kommunikative Ausstrahlung.

Bild aus der Bauphase: Eine breite Freitreppe mit Sitzstufen aus weißem Sichtbeton verbindet Hort und Außenbereich und bildet zugleich eine Art Tribüne für die Kinder. (Foto: Thomas Lewandovski)
Lageplan (Quelle: JSWD Architekten)
Grundriss 2. Obergeschoss (Quelle: JSWD Architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (Quelle: JSWD Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: JSWD Architekten)
Grundriss Untergeschoss mit Sporthalle (Quelle: JSWD Architekten)
JSWD Architeten haben drei RoofTop-Farbmischungen zusammengestellt, aus insgesamt 5 Grundtönen. (Fotos: Playtop)
Aufbau Fallschutzbelag RoofTop (Quelle: Playtop)
Die im Untergeschoss angeordnete drei-teilbare Sporthalle drückt sich nach oben bis ins Erdgeschoss durch und kann so über Fensterbänder von zwei Seiten natürlich belichtet werden. (Foto: Thomas Lewandovski)
Ein attraktives, von altem Baumbestand umgebenes Grundstück ist der Standort der neuen Grundschule für ca. 560 Schüler, die nach Passivhausstandard (PHPP) konzipiert wurde. (Foto: Thomas Lewandovski)
Projekt
3. Grundschule
Leipzig, D

Architektur + Generalplanung
JSWD Architekten
Köln, D

Hersteller
Playtop
Wahlstedt, D

Kompetenz
RoofTop

Bauherr
Stadt Leipzig

TGA-Planung
PGH – Planungsgemeinschaft Haustechnik (bis LP 5)
Dormagen, D

Ingenieurbüro Hirsch (LP 6-8)
Erfurt, D

Elektroplanung
W+P Ingenieure GmbH (bis LP 5)
Schwalbach, D

Ingenieurbüro Hirsch (LP 6-8)
Erfurt, D

Statik, Bauleitung
Hensel Ingenieur GmbH
Kassel, D

Freianlagenplanung
Dalhaus & Engelmayer
Weilerswist, D

Bauphysik
TOHR Bauphysik GmbH & Co.KG
Bergisch Gladbach, D

Brandschutz
BFT Cognos GmbH
Aachen, D

Rohbau
Köster GmbH
Leipzig, D

Fenster und Außentüren
Warnow Metallbau GmbH
Pölchow, D

Wärmeverbundsystem, Alu-Verbund-Bekleidung
Wiedemann & Sohn
Wiesbaden, D

Fertigstellung
2014

Fotografie
Thomas Lewandovski

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