Ein Gespräch mit Jürg Zumtobel

Jenny Keller
6. März 2019
Jürg Zumtobel spricht mit uns über Anfänge und Zukunft seiner Firma. (Bild: Zumtobel Group)

Wir brauchen Licht, um zu sehen. Licht hat Kraft, aber keine greifbare Präsenz. Es hat Schwung, aber keine Maße. Man kann es fühlen, aber es kann nicht berührt werden. Es bricht und reflektiert, legt frei und dehnt sich aus. Es kann etwas akzentuieren und alles aufnehmen. Licht kann so viel, wird aber oft wenig verstanden. Licht muss vermittelt werden, und das ist die Aufgabe, die sich die Zumtobel Group selbst gestellt hat.

„Wenn es uns nicht gelingt, faszinierende Erlebniswelten zu schaffen, mit Bedacht kreierte Orte, wo man sich wirklich wohl fühlen kann, an denen sich neue Ideen finden lassen, wo man neue Leute kennen lernen und Neues lernen kann, haben wir verloren“, sagt Jürg Zumtobel, „denn dann bewegen wir uns auf einer Commodity-Ebene, das heißt, wir verkaufen einfach eine Ware, und da braucht es uns nicht.“ Der langjährige Geschäftsführer und Vorsitzende des Aufsichtsrats der Zumtobel Group, Jürg Zumtobel, ist über 80, doch seine Leidenschaft für das Licht und das Familienunternehmen ist allgegenwärtig und ungebrochen. „Mein Vater hat 1950 begonnen, mit Licht zu arbeiten“, erzählt Jürg Zumtobel. Technische Lösungen seien Walter Zumtobels Stärke gewesen, und dafür erhielt er jede Menge Patente. Als Ingenieur hatte er mit Vorschaltgeräten für Leuchtstoffröhren in den 1950er-Jahren die zündende Idee für ein anhaltend florierendes Unternehmen. „Die Kunden meines Vaters waren Leuchtenhersteller“, sagt Jürg Zumtobel, „und er hat dann festgestellt, dass er das besser konnte. 1952 wurde in Dornbirn schließlich die erste komplette Leuchte produziert.“ Dabei handelte es sich um einfache Leuchtstoffleuchten mit integriertem Vorschaltgerät, das Energie sparte. In der Folge dominierten Vorschriften, Standards und Normen das Geschäft.

«Starbrick» von Olafur Eliasson an der 12. Architektur Biennale von Venedig 2010. (Bild: Zumtobel Group)

Zu Beginn der 1980er-Jahre waren Vorschriften, Standards und Normen im Geschäft mit dem Licht etabliert. „Wir wollten aber stets besser sein als die Norm“, sagt Jürg Zumtobel, „wir wollten zeigen, wie das Licht die Welt um uns herum formt, doch nicht alle Kunden haben diesen Gedanken verstanden.“ Ettore Sottsass, der italienische Architekt und Designer, hat in den 1980er-Jahren mit einer Aussage die Welt von Jürg Zumtobel verändert und die Philosophie der Zumtobel Group geprägt: Anlässlich eines Vortrags im Kuppelsaal der ETH in Zürich soll Sottsass sinngemäß gesagt haben, dass jedes Produkt eine Geschichte erzählen müsse. „Heute hört sich das vielleicht banal an und überrascht niemanden mehr“, räumt Jürg Zumtobel ein. Damals sei das jedoch ein Aha-Erlebnis für den Unternehmer gewesen. Und so begann man bei Zumtobel vermehrt mit Architekten zusammen zu arbeiten: Das Design einer Leuchte sollte von Spezialisten, also Architekten und Designern kommen, die technischen Vorzüge einer Leuchte von den Ingenieuren von Zumtobel. „Der Architekt ist der einzige im ganzen Gefüge von Lichtplaner, Elektroplaner und anderen, der holistisch denkt. Und wenn dem Architekten etwas wirklich gefällt, dann kämpft er dafür. Ein Ingenieur kämpft nicht in diesem Umfang“, fasst Jürg Zumtobel die über viele Jahre erfolgreiche Strategie des Leuchtenherstellers aus Dornbirn zusammen. „Ich muss mich doch mit Leuten zusammentun, die neue Impulse geben!“, ist Zumtobel überzeugt. Und damit meint er Künstler, Designer und Architekten.

„Was mich am meisten fasziniert an der Architektur ist ihre Vielseitigkeit“, schwärmt Jürg Zumtobel, der selbst gerne Architektur studiert hätte, aber – nach eigenen Angaben – nicht zeichnen konnte und so Hochfrequenztechnik studierte. 1961 beendete er sein Studium und stieg ins Familienunternehmen ein, das in den 1990er-Jahren durch Übernahmen und inneres Wachstum enorm expandierte und zu einem beachtlichen Unternehmen mit heute mehr als 6'000 Angestellten anwuchs.

Der Skyspace «Lech» von James Turrell. (Bild: Zumtobel Group)

Die jüngste Vergangenheit war nicht einfach für die Zumtobel Group. Umsatzrückgänge und intensiver Preiswettbewerb haben die Profitabilität stark belastet. Es wurden deshalb grundlegende organisatorische und strategische Änderungen zusammen mit Restrukturierungs- und Kostensenkungsmaßnahmen eingeleitet. Die Schuld an den aktuellen Herausforderungen alleine dem Markt zuzuschreiben, würde jedoch zu kurz greifen. Man habe es versäumt, den Innovationen der klassischen Leuchte und deren heutigen Anforderungen genügend Aufmerksamkeit zu schenken, erklärt Jürg Zumtobel selbstkritisch. 

Auch das Geschäftsjahr 2017/2018 war nicht das erfreulichste, wenn man aber den Geschäftsbericht, ein buntes Werk des österreichisch-amerikanischen Grafikduos Sagmeister und Walsh anschaut, herrscht kein Grund zum Schwarzmalen. Seit 1991 lädt die Zumtobel Group international renommiert Persönlichkeiten aus den Bereichen Architektur, Grafikdesign und Kunst ein, sich mit dem Thema „Licht“ und der Entwicklung des Unternehmens auseinanderzusetzen, liest man im Geschäftsbericht. Selten hat man einen Geschäftsbericht so gerne angeschaut. Beinahe ein Kunstbuch, vermittelt so ein Geschäftsbericht die oben angesprochene Unternehmenskultur – „Du musst dem Kunden die Werte vermitteln.“ – der Zumtobel Group hervorragend und außerhalb der Corporate Identity. Genau hier soll wieder angeknüpft werden. Die klassischen Erfolgsfaktoren – die technologische Orientierung einerseits und die ästhetische Kompetenz in Design und Architektur andererseits – müssen reaktiviert und mit den neuen Anforderungen aus dem Bereich Internet der Dinge (IoT) und Konnektivität verbunden werden. Das aktuelle Geschäftsjahr 2018/2019 gilt als Übergangsjahr, in dem Zumtobel die Hausaufgaben erledigen und ein Fundament für profitables Wachstum legen muss. 2020 wird zeigen, wie erfolgreich die aktuelle Strategie umgesetzt wurde.

Hendon Bridge. (Bild: Zumtobel Group)

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