Zerstörung und Aufbau

Katinka Corts
5. Juli 2017
Für die syrischen Arbeiter auf den Baustellen bleibt Beirut unerreichbar (Bild: Filmstill)

Die Arbeiter haben keine Stimme, sie wollen nicht reden. Aus Angst vor dem Regime, vor dem IS, vor dem Besitzer des Gebäudes in Beirut. Ihre Tage und Wochen bestehen aus einer Abfolge von schlafen, essen, arbeiten und fernsehen. Die syrischen Flüchtlinge, die Regisseur Ziad Kalthoum – ebenfalls ein Syrer – porträtiert, bauen den Libanon auf.

«Wenn der Krieg beginnt, ziehen die Bauarbeiter in ein anderes Land, wo der Krieg gerade geendet hat. Sie warten dort, bis der Krieg durch ihr Heimatland gefegt ist. Dann kehren sie zurück, um es wieder aufzubauen,» erzählt eine Stimme aus dem Off. Hauptdrehort des Films «Taste Of Cement» ist eine Großbaustelle in Beirut – was ein ungewöhnlicher Ansatz ist, Krieg zu thematisieren. 

Kalthoum erklärt es im Interview plausibel: «Für mich war es wichtiger, den Akt des Aufbauens zu zeigen als den Akt des Zerstörens oder gar des Tötens. Etwas aufzubauen, das bedeutet Hoffnung für mich.» Der Regisseur kam in Homs auf die Welt, studierte im früheren Stalingrad und gelangte als Flüchtling nach Beirut. Heute lebt er in Berlin. «Alles Städte, die erst durch Kriege zerstört und dann wieder aufgebaut wurden», sagt er. 

Für die Arbeiter, die Kalthoum zeigt, ist der Wiederaufbau hingegen noch kein Gewinn von Freiheit, denn sie leben lediglich vor einer «wunderschönen Wandtapete», der sie aber nicht näher kommen können. Abends werden sie auf der Baustelle eingeschlossen, entsprechend einer von der libanesischen Regierung verhängten Ausgangssperre. Sie leben im Untergeschoss des Rohbaus, ohne Möbel, ohne Bäder und Duschen. «Keine syrischen Arbeiter auf den Straßen nach 19 Uhr erlaubt!» prangen die Buchstaben auf einem großen Plakat. Für Kalthoum sind die Arbeiter moderne Sklaven – nur für die Arbeit bestimmt, ohne Kontakt zur Außenwelt. 

«Taste Of Cement» zeigt Ziad Kalthoum momentan auf Filmfestspielen wie dem Valletta film festival, wo seine Arbeit mit einer Anerkennung ausgezeichnet wurde. 
 

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