Der Architekt als Opportunist

Den Architekturhistoriker und Ausstellungsmacher Jean-Louis Cohen interessierte bei seiner Untersuchung nicht, wie nach dem Krieg der Wiederaufbau vonstatten ging und wie die Architektur auf die neue Zeit reagierte. Cohen wollte stattdessen wissen, wie sich Architekten während des Krieges verhielten. Die Spanne zwischen Albert Speer auf deutscher und Erich Mendelsohn auf amerikanischer Seite ist groß: Während Speer als Chefarchitekt den Allmachtsanspruch Adolf Hitlers in Bauten übersetzte, bauten die Architekten Erich Mendelsohn und Konrad Wachsmann «deutsche Dörfer» in Amerika. Die Dörfer wurden dann wieder zerstört, und so untersuchten die Amerikaner das Brennverhalten der typischerweise in Deutschland benutzen Baustoffe.

Autor Joseph Hanimann schrieb für die Süddeutsche: «Die Ausstellung in Paris vermeidet kühn jede moralische Voreingenommenheit und beginnt mit einer Porträtgalerie von vierzig Architektenschicksalen. Die amerikanischen Fabrikbauer Albert Kahn, Buckminster Fuller und Mies van der Rohe […] treten da neben Auguste Perret und Le Corbusier auf, der sich beim Vichy-Regime andienen wollte, neben den deutschen Exilanten Walter Gropius, Erich Mendelsohn, Konrad Wachsmann; aber auch neben Albert Speer oder dem ehemaligen Bauhaus-Schüler Fritz Ertl, der an der Konzeption des Lagers Auschwitz-Birkenau mitwirkte.» Die Architekten wären meist, so Hanimann, in die Uniform geschlüpft, die sich ihnen anbot. Und so kam Le Corbusier 10 Jahre nach dem bombenresistenten Hochhaus bald mit den «Murodin»-Erdhäusern, und Stahlbauer Jean Prouvé fand ob dem Mangel an Metall zunehmend Gefallen am Holzbau. Hanimann: «Die Architekten mochten, so wird suggeriert, mitunter Ideologen sein, Humanisten, Parteigänger, Exilanten, manchmal auch Widerstandskämpfer wie im Fall von Jean Prouvé. In der Hauptsache waren sie Opportunisten.» Die Ausstellung ist noch bis zum 8. September in Paris zu sehen.