Auf der Suche nach Bär und Stier

Gesa Loschwitz
7. März 2016
Der Floraplatz nach der Neugestaltung (Bild: Neumann Gusenburger)

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Große Tiergarten, der große zentrale Park Berlins, in desolatem Zustand. Bomben hatten ihm schwer zugesetzt. Den Rest erledigten die Berliner selbst: Sie verfeuerten die Bäume, um es warm zu haben, und auf den Wiesen, die einst Peter Joseph Lenné in den Waldpark schlagen ließ, legten sie Selbstversorger-Äcker an. Dennoch: der Zweite Weltkrieg zerstörte die Grundstrukturen des Parks nicht komplett. Und auch diverse Statuen standen noch im verwüsteten Park. Darunter waren auch die Bronzefiguren des Bildhauers Rudolf Siemering. Sie standen auf dem Floraplatz, der im 18. Jahrhundert als runder «Salon» mit verspielten Barockelementen in den Tiergarten eingefügt worden war. In der Mitte befand sich die Statue der Flora, die aber Anfang des 20. Jahrhunderts gegen eine Amazone getauscht wurde. Damals wurden auch die acht lebensgroßen Tierfiguren aufgestellt, von denen zwei – Bär und Stier – Ende der 1940er-Jahre verschwanden. Die restlichen Objekte wurden an anderen Stellen im Park platziert.

Die kritische Rekonstruktion, der sich Berlin um die Jahrtausendwende unter Senatsbaudirektor Hans Stimmann verschrieben hat, begann im Großen Tiergarten nach dem Mauerfall. Es ist die vierte Erneuerung seit seiner Entstehung als Jagdwald vor über 300 Jahren. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde er vom kurfürstlichen Park zum öffentlichen Park – zeitgemäß im barocken Stil gestaltet. Die Gegenbewegung zum Barock, der Landschaftspark, ging 100 Jahre später natürlich auch am Tiergarten nicht spurlos vorüber: Peter Joseph Lenné erhielt teilweise das barocke  Straßen- und Wegesystem, legte jedoch eine neue Park-Schicht über den Tiergarten, mit landschaftlich geführten Wegen, hellen Lichtungen und großen Wiesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg dann gab es zwar Entwürfe, um den zerstörten Tiergarten wiederherzustellen. Doch die Teilung der Stadt und der Bau einer sogenannten Entlastungsstraße für West-Berlin, die den Tiergarten im Osten durchschnitt, durchkreuzten die Pläne. Unter dem Westberliner Gartenamtsleiter Wilhelm Alverdes wurde in den 1950er-Jahren der Rest des Tiergartens schließlich zum naturnahen Erholungspark mit Langgraswiesen.

Weitere Bilder vom Stier und Aufnahmen vom Bär werden gesucht (Bild: Privatbesitz Nicola Vösgen)

Kurfürstliches Jagdrevier, Barockpark, Landschaftspark, naturnaher Erholungspark – alle Schichten sind heute wieder lesbar. Gerade die Naturnähe wollte nach dem Mauerfall nicht mehr passen. Denn plötzlich war der Eingang des Tiergartens wieder im Osten: dort, wo der Park am wildesten war, weil am wenigsten besucht – am Brandenburger Tor. Die Chance, den Tiergarten nochmals neu zu denken und an die neue, jetzt wieder stark frequentierte und repräsentative Umgebung anzupassen, kam mit dem Rückbau der Entlastungsstraße und dem Bau des Tiergarten-Tunnels im Jahr 2001. Damit wurde es möglich, den Vorkriegs-Eindruck des Parks wiederherzustellen, und ihn zugleich an die neuen Nutzungen anzupassen. Das Berliner Landschaftsarchitekturbüro Neumann Gusenburger wurde mit den Ausgleichsmaßnahmen für den Tunnelbau betraut und entwarf auch den Floraplatz, der von der Entlastungsstraße angeschnitten gewesen war, als schlichten Rasenplatz mit Stauden-Rondell rund um die Amazone. Der Platz wirkt heute wieder als selbstverständlicher Teil des Tiergartens. Dennoch: die Stadt möchte die Zeitschicht zur Kaiserzeit dort hervorholen. Sollten Sie in Ihrem Archiv Bilder des Parks haben, die Bär und Stier zeigen, können Sie mit diesen die weitere Planung unterstützen (Kontakt: Petra Porsche, Tel.: 030 90139 3234).

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