Leben und Lernen in der Gemeinschaft

Katinka Corts
12. Juni 2024
Foto: Katharina Klopfer

Kinder und Jugendliche in Leipzigs östlichem Stadtteil Volkmarksdorf haben im stadtweiten Vergleich lange Zeit sehr schlechte Voraussetzungen für einen erfolgreichen Bildungs- und Berufsweg, analysierte die Stadt bereits vor Jahren. Da gleichzeitig die Geburtenrate hoch ist und die Bevölkerungszahl im Stadtteil stärker wächst als im Leipziger Durchschnitt, muss die Infrastruktur für Bildung und Betreuung deutlich ausgebaut werden. Unterstützt vom Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung (AWS) hatte die Stadtverwaltung das Vorhaben seit 2013 schrittweise und mit mehreren Beteiligungsprozessen entwickelt. Als Kernaufgaben, so war bald definiert, sollten soziale Benachteiligungen und überdurchschnittliche Entwicklungsrückstände abgebaut werden. 

Als idealen Standort für die Neuplanung eines vielfältigen Bildungscampus bot sich nach intensiver Recherche und Auswertung der Bereich um die ehemalige Herrmann-Liebmann-Schule an. Im Stadtteil fehlte schon lange ein Gymnasium und viele der bestehenden Schulgebäude sind stark sanierungsbedürftig. Der denkmalgeschützte Altbau aus den Jahren 1907/1910 bedurfte einer umfassenden Sanierung. Drumherum lagen zudem mehrere stadteigene ungenutzte Restflächen oder temporär für Garagen genutzte Zonen. Dank erheblicher Veränderungen im öffentlichen Straßenraum und mit der Aktivierung der Brachflächen entstand hier ein großes zusammenhängendes Areal, das im Rahmen eines Architekturwettbewerbs neu entwickelt werden konnte. 

Foto: Katharina Klopfer

Im Architekturwettbewerb war also umfangreiches Handeln gefordert und Raumplanung, Städtebau, Architektur und Schulstandortplanung mussten dafür intensiv in Dialog treten. Mit dem Konzept einer Quartiersschule galt es, hier zwei Schularten unterzubringen: eine vierzügige Oberschule und ein vierzügiges Gymnasium mit zwei Dreifeld-Sporthallen. Neben der reinen Schulnutzung für Jugendliche wollte die Stadt aber auch einen neuen Lernort für alle schaffen und damit ein breites Weiterbildungsangebot im Stadtteil etablieren. 

Den nicht offenen Wettbewerb konnte die RBZ Generalplanungsgesellschaft gemeinsam mit Storch.Landschaftsarchitektur, beide aus Dresden, für sich entscheiden. Auch wenn Blockrandbebauungen die nähere Umgebung im Stadtteil prägen, entschieden sich die Architekten mit ihrem Entwurf gegen eine solche Einbettung des Schulgeländes. Der bestehende Solitär bleibt vielmehr als solcher zu erkennen und das Gelände wird mit Neubauten und neuen Pflanzungen zu einem Campus weiterentwickelt.

Lageplan: RBZ Generalplanungsgesellschaft mbH
Grundriss 2. Obergeschoss: RBZ Generalplanungsgesellschaft mbH
Schnitt durch das bestehende Schulhaus und den seitlichen Anbau (Plan: RBZ Generalplanungsgesellschaft mbH)
»Mit diesem Projekt haben wir optimale Voraussetzungen für eine Öffnung von Schulen in den Stadtteil geschaffen. Unsere Schulen sollen auch nach Unterrichtsschluss einladend sein und von allen Altersgruppen genutzt werden können.«

Burkhard Jung, Oberbürgermeister

Mit ihren je vier Geschossen stehen Oberschule und Gymnasium neben dem Altbau, den die Schülerinnen und Schüler beider Schulen gemeinsam nutzen. Im dreigeschossigen Mehrzweckgebäude finden die Volkshochschule, eine Erziehungsberatungsstelle, die Musikschule und die Anlaufstelle des Quartiersmanagements Leipziger Osten Räumlichkeiten. Im Erdgeschoss ist die Mensa angesiedelt, in einem Obergeschoss die Aula. 

In mehreren Bauabschnitten wurde ab 2019 zunächst das denkmalgeschützte Bestandsgebäude saniert, dann die Mehrzweckhalle und die Oberschule ergänzt und schließlich das Gymnasium sowie die zwei übereinandersitzenden Dreifachturnhallen gebaut. Neben der Mensa ist eine Reservefläche ausgewiesen, auf der ein möglicher Ergänzungsbau für öffentliche Nutzungen seinen Platz im Ensemble finden könnte. Mit 37,4 Millionen Euro an Fördergeldern konnte die vielschichtige Baumaßnahme – inklusive der Neuordnung der Infrastruktur – für 94,5 Millionen Euro realisiert werden.

Foto: Katharina Klopfer
Foto: Katharina Klopfer
Foto: Katharina Klopfer

Abgesehen von einigen Ausnahmen ist das Schulareal dabei auch als Quartierspark gedacht, der von der Nachbarschaft genauso genutzt werden darf wie die Aula für Veranstaltungen und die Sporthallen für Vereinssport. Nach der Fertigstellung ist jedoch wiederum vor der Planung: Weitere drei bis vier Grundschulen werden in Volkmarsdorf in den nächsten Jahren benötigt. Und auch im übrigen Stadtgebiet stehen zahlreiche Maßnahmen an, denn bis 2030, so rechnet man, brauchen die Quartiere circa 80 zusätzliche Kindertagesstätten und 40 neue Schulen.

Ein solcher Schulkomplex wie in Volkmarksdorf, der für lebenslanges Lernen steht und die Bevölkerung zur Teilhabe einlädt, ist in diesem Maßstab einzigartig in Leipzig. Der multikulturell gemischten Bevölkerung bietet sich hier nun die Möglichkeit, eine gerechte Chance auf Bildung zu erhalten. Man mag sich wünschen, dass dieser Ansatz Schule macht und die städtische Bildungslandschaft bestenfalls von diesem Projekt inspiriert wird. 

Generalplaner RBZ Generalplanungsgesellschaft mbH, Dresden
Architektur AGZ Zimmermann Architekten GmbH und Raum und Bau GmbH, Dresden
Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner, Dresden
Landschaftsarchitektur Storch.Landschaftsarchitektur, Dresden

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