Aktion #ichbinnochgut in Kassel

Manuel Pestalozzi
12. Juni 2023
Es sei noch gut, sagen die Aktivist*innen von Architects 4 Future zum einstigen Versorgungsamt Kassel. (Foto: Viet-Hoang Nguyen/Wikimedia Commons)

Das einstige Versorgungsamt in Kassel aus den 1970er-Jahren ist ein markantes, kubisch geschlossenes Volumen. Mit den fassadenbündigen quadratischen Fenstern über einem ausgedehnten Sockel ist es mit seinen 33 Metern das größte Hochhaus von Kassels Südstadt. Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt plant seinen Abriss und den Bau von rund 335 Wohnungen, von denen 25 Prozent gefördert sein sollen. Das Projekt ist umstritten; im vergangenen November berichtete hna.de, dass einige Mieter*innen in benachbarten Wohnhäusern, die ihm ebenfalls weichen sollen, nicht ausziehen möchten.

Nun ist die seit 2017 leerstehende Büro-Immobilie in den Fokus von Architects 4 Future geraten. Der 2020 gegründete deutsche Verein ist Teil eines sich bildenden globalen Netzwerks, das sich nach eigener Aussage »für einen nachhaltigen Wandel der Baubranche« einsetzt. Eines der Hauptanliegen ist das Hinterfragen von Abrissen. Mit dieser Absicht wurde auf Instagram unter dem Hashtag #ichbinnochgut eine Sammlung von Objekten initiiert. Sie hat in Kassel eine Aktion von Architects 4 Future ausgelöst, in deren Zentrum das ikonenhafte Versorgungsamt steht. Mit Graffiti auf dem Asphalt wird auf die Sachlage hingewiesen. Es zeigt eine Abrissbirne, die von einer Hand gestoppt wird. In Kassel trifft man es aktuell nicht nur in der Südstadt an, sondern bei insgesamt 13 gefährdeten Objekten, so etwa vor der Kaufburg in der Friedrich Ebert Straße, dem Franz Ulrich, einem Live-Club am Hauptbahnhof und vor der alten Polizeiwache im Königstor, wie die Hessenschau berichtet. 

Mehr Aufstockungen und Umbauten gefordert

Architects 4 Future weisen im Rahmen ihrer Aktion darauf hin, dass Neubauten viel Graue Energie beanspruchen und vertreten implizit die Ansicht, dass bei Umbauten und Aufstocken klimafreundlichere Energie-Bilanzierungen möglich sind. Für einen zeitgemäßen Umgang mit Bestandsbauten wird eine Umbauordnung gefordert. Diese könne darauf Rücksicht nehmen, dass man im Bestand nicht die gleichen Möglichkeiten habe, wie im Neubau – und dadurch nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden können. Gleichzeitig sollten Abrisse genehmigungspflichtig werden.

Im konkreten Fall des ehemaligen Versorgungsamtes verwies die Stadt Kassel auf Anfrage der Hessenschau an den Eigentümer, die Nassauische Heimstätte/Wohnstadt. Deren Ziel eines Wohnquartiers mit Nahversorgungseinrichtungen könne nach einer Prüfung durch den Investor nur durch eine völlige städtebauliche Neuordnung erreicht werden, so ein Sprecher der Stadt Kassel. Dies erfordere in diesem Falle auch den Abbruch der Bestandsgebäude. Zudem habe die Stadt in der Regel keinen Einfluss darauf, wie Bauherr*innen mit ihrem Eigentum planten. Ob sich die fortgeschrittene Planung in diesem Fall noch im Sinne von Architects 4 Future modifizieren lässt, ist eher unwahrscheinlich. Doch das Zukunftslabor Wohnen der Universität Kassel hat sich des Themas angenommen. Im vergangenen Herbst lancierte es eine Entwurfsaufgabe für Architekturstudent*innen, welche die Möglichkeiten einer Umnutzung des Versorgungsamtes zu Wohnzwecken unter Einbeziehung der benachbarten Wohnhäuser untersucht.

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