Zeitenwandel

26. März 2014
Die bisher beiläufige Lage des Senftenberger Sees bekommt durch den neuen Hafen einen klaren Bezug zur angrenzenden Stadt (Foto. Hanns Joosten)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Eine verkehrstechnische Infrastruktur wie ein Hafen mit Liegeplätzen, Fahrgastschiffanleger, Slipanalage und Tankstelle zu einem Ort zu machen, der deutlich mehr kann, als nur Hafen zu sein. Wir wollten einer verkehrstechnischen Anlage eine „Seele“ geben. Ein Anspruch, den wir bei Infrastrukturbauten häufig vermissen.

Die großzügige Promenade wird zum aufgeweiteten Teil des Uferrundwegs und bildet das urbane Ufer des neuen Hafens (Foto: Hanns Joosten)
Der Senftenberger See entstand mit der Flutung eines ehemaligen Braunkohletagebaus und entwickelte sich seit den frühen 1970er-Jahren zu einem beliebten Ausflugsziel. Knüpft der Entwurf ein Band zwischen den Zeiten oder versteht er sich als ein davon abgesetztes, separates Element?

Der Stadthafen stellt vielfache Verknüpfungen her. Er stellt einen weiteren wichtigen Baustein in der touristischen Entwicklung des Sees und der Region dar. Er verknüpft auch das Stadtzentrum von Senftenberg mit dem See, er wird zum Zielpunkt. Und der Hafen wird zum Start- und Ausgangspunkt in das entstehende Lausitzer Seenland: ein Verbund von acht neuen Seen mit einer Länge von mehr als 30 Kilometern.

Der schwimmende „Seebrückenkopf“ bildet den markanten Abschluss der knapp 500m langen Steganlage (Foto: Hanns Joosten)
Mussten im Baugebiet besondere Maßnahmen getroffen werden, weil hier auf künstlich geschüttetem Boden gearbeitet wird?

Ja! Das Baugrundgutachten, das zum Wettbewerb nicht vollständig vorlag, machte deutlich, dass große Teile der Böden im Wasserbereich geschüttet und nicht tragfähig sind. Daher musste der gesamte wasserseitige Bereich mit Ausnahme der als Spundwand ausgeführten Nord- und Nordwestmole schwimmend gebaut werden. Zusätzlich mussten hohe Vorgaben zu Wellengang und Eisdruck berücksichtigt werden.

Als Teil der Wasserlandschaft wird der aufragende «Seebrückenkopf» zum neuen Wahrzeichen Senftenbergs und zum Aussichtsbalkon auf den Senftenberger See (Foto: Hanns Joosten)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Der größte Einschnitt kam mit den Ergebnissen des Baugrundgutachtens und die notwendige Umplanung auf einen in großen Teilen schwimmenden Hafen. Besonders gravierend war die wegen nicht tragfähigem Baugrund notwendige Umplanung der ursprünglich als gespundeter Fangedamm geplanten Westmole mit aufgesetztem „Seebrückenkopf“ in eine schwimmende Variante Die große Herausforderung bestand darin, die architektonische Qualität der Gesamtanlage und im Speziellen die des markanten, nunmehr schwimmenden  „Seebrückenkopfes“ trotz der problematischen Rahmenbedingungen und der strengen Vorgaben konstruktiv und baulich entsprechend der im Wettbewerb dargestellten Qualität umzusetzen.

An der Schnittstelle zwischen Hafenpromenade und Steganlage vermittelt das „Sockelband“ mit eingeschnittenen Sitzelementen, Treppen und Rampen (Foto: Hanns Joosten)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Unser Auftraggeber hat radikal dafür gesorgt, dass die ursprünglich kalkulierte Bausumme nicht überschritten wird, ein Mehr musste durch ein Weniger an Kosten immer ausgeglichen werden, die Qualität musste aber konstant bleiben. Das haben wir geschafft. Wir haben eine ARGE gebildet, in der wir als Landschaftsarchitekten verantwortlich für die Steuerung und die Sicherung der gestalterischen Qualität der Gesamtanlage waren. Damit konnten wir das Ziel einen mehrdimensionalen Ort zu schaffen, kontinuierlich durch alle Planungsphasen verfolgen und weiterentwickeln.

Beton, Stahl und Holz sind die gestaltprägenden Materialien für den Stadthafen Senftenberg (Foto: Hanns Joosten)
Lageplan (Zeichnung: bgmr, ASTOC))
Seebrückenkopf (Zeichnung: ifb frohloff staffa kühl ecker, Sauerzapfe Architekten)
Inwiefern findet sich die „Handschrift des Büros“ wieder?

Wir mögen raue Orte wie zum Beispiel das „Restloch“ eines Tagebaues. Die Gestaltung des Hafens wirkt nicht lieblich, sondern durch den bewussten Einsatz von Stahlspundwänden, großformatigen Betonelementen- und Platten und auch seriellen, technischen Ausstattungselementen rau und ehrlich, zugleich jedoch klar und maritim elegant. Auch wenn in der Ausführung bis ins Detail gefeilt wurde, ist die Anlage nicht kleinteilig und verspielt, sondern vielmehr als gestalterisches Ganzes deutlich ablesbar.

Stadthafen Senftenberg
2013
Steindamm 57
01968 Senftenberg

Nutzung
Hafenanlage

Auftragsart
Beauftragung nach gewonnenem Wettbewerb

Bauherrschaft
Stadt Senftenberg, vertreten durch den Zweckverband Lausitzer Seenland Brandenburg, Senftenberg

ARGE Stadthafen Senftenberg
bgmr Landschaftsarchitekten, Berlin, Leipzig
Projektleiter: Winfried Richard, Carlo W. Becker; Mitarbeiter: Martin Stokman, Dirk Christiansen, Stefan Wiebersinsky, Tim Krüger
ASTOC Architects and Planners, Köln
Projektleiter: Oliver Hall
Mitarbeiter: Thorsten Salmen
Ecosystems Saxonia, Dresden
Projektleiter: Klaus-Peter Lange
Mitarbeiter: Hans-Jürgen Jäkel, Michael Lenze, Heidemarie Tiedtke, Wolfgang Augst

Fachplaner
Tragwerksplanung Seebrücke / Gangways: ifb frohloff staffa kühl ecker, Berlin
Objektplanung Seebrücke / Gangways: Sauerzapfe Architekten, Berlin
Objektplanung / Statik Schwimmsteganlagen: AbTiWa, Grünheide
TGA-Planung Hafengebäude: HACON, Ingenieurgesellschaft mbH, Finsterwalde
Statik Hafengebäude: Planungsbüro Meiger, Köln

Bauleitung
Tiefbau / Wasserbau: ECOSYSTEM Saxonia
Freianlagen/Verkehrsanlagen/Schwimmstege/Brücken: bgmr Landschaftsarchitekten
Hafengebäude: IPRO Lausitz, Senftenberg

Ausführende Firmen
Tiefbau, Wasserbau, Rohbau Gebäude, Landschaftsbau, Straßenbau: STRABAG
Wasserbau, Schwimmsteganlagen, Seebrücke / Gangways: Clement
Wasserbau: Colcrete v. Essen

Hersteller
Betonelemente/Plattenbeläge: Firma Rinn
Schwimmstege: Firma Clement
Leuchten: Firma Bega, Firma Kegel-Producz GmbH & Co. KG

Energiestandard
Hafengebäude nach ENEV 2009

Gebäudevolumen
Hafengebäude 3600 m³

Kubikmeterpreis
Hafengebäude 333 €/m³

Bruttogeschossfläche Hafengebäude
 800 m²

Baukosten
11.300.000 € brutto

Gesamtkosten
12.500.000 € brutto

Gebäudekosten Hafengebäude
1.200.000 €

Auszeichnung
Bau des Jahres 2014
Brandenburgischer Baukulturpreis 2013, Sonderpreis

Fotos
Hanns Joosten

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