Farbenfroh und hell

Behnisch Architekten
5. März 2014
Aula als Herzstück des Gymnasiums (Foto: David Matthiessen)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Es ist der Grundgedanke Räume zu schaffen, in denen sich Lehrer und Schüler gerne aufhalten, die zu deren Lebensqualität beitragen und sie in ihrem Lernen und Lehren unterstützen: lichtdurchflutet, kommunikationsfördernd und authentisch. Neue, sich immer wieder verändernde pädagogische Ansätze erfordern eine hohe Flexibilität der Räume, damit die Ausgestaltung unterschiedlicher Unterrichtsformen und die Identifikation von Schülern und Lehrern möglich sind. So dienen etwa die von der Aula, dem Herzen des Gebäudes, abgehenden Flure nicht nur der Erschließung. Sie sind als breitere, vorgelagerte Bereiche sowohl eine Erweiterung des Klassenraumes, als auch Orte für Begegnungen außerhalb des Unterrichts, zur Kommunikation zwischen Lehrern, Schülern und Eltern, mit Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen, welche die pädagogische Arbeit unterstützen – sogenannte Lernlandschaften.

Haupteingang mit Pausenhof (Foto: David Matthiessen)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Das Gymnasium Ergolding liegt am Rande eines Naturschutzgebietes, in direkter Nachbarschaft zum bestehenden Sonderpädagogischen Förderzentrum (SFZ) und angrenzend an eine Bundesstraße. Auf diese drei Rahmenbedingungen geht der Entwurf der Schule in unterschiedlichen Tiefen und Ausformulierungen ein.

Ein Grünzug verbindet die Förderschule mit dem Gymnasium, umschließt das gesamte Gebäude und bildet auf der Südseite unterschiedlich geformte Höfe, einen für die Mensa und die Bibliothek, der andere für die Kunstklassen. Ausladende, begrünte Dächer lassen die Schule durch den Blick von den oberen Geschossen aus mit der grünen Umgebung verschmelzen.

Die Ausrichtung der Klassenräume nach Norden hat den Vorteil der gleichmäßigen Belichtung der Räume. Außerdem dienen die Flure auf der Südseite als Pufferzone für den Verkehrslärm der Bundesstraße wie auch für die Wärme der sommerlichen Sonneneinstrahlung.

Bei der Gestaltung der nach Westen orientierten Fassaden spielt die Nähe zum Naturschutzgebiet eine wichtige Rolle. So wurde durch die Bedruckung der Glasfläche mit Texten, die inhaltlich zum jeweils dahinter liegenden Raum passen, und dem Brechen der Spiegelung die Fassade für dort heimische Vögel sichtbar gemacht.

Haupteingang mit ablesbarem Farbschema pro Geschoss (Foto: David Matthiessen)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Die Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft war durch den konstanten Dialog einer eigens ins Leben gerufenen sechsköpfigen politischen Planungsgruppe sehr intensiv. Die Treffen und Besprechungen im vierwöchigen Turnus beeinflussten den Projektverlauf sehr positiv, da hier die Plattform für ausführliche Diskussionen und Bemusterungen gegeben war. Für Entscheidungen in Bezug auf weitreichende Themen wurde zusätzlich der Hochbauausschuss einberufen. Der Nutzer selbst kam erst im Februar 2013 hinzu und wurde von da an in alle Themen einbezogen, insbesondere was die Entscheidungen in Bezug auf die Ausstattung betraf.

Lernlandschaft, Vorbereich Fachräume und Verwaltung im EG (Foto: David Matthiessen)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Das Projekt hat zunächst als VOF-Verfahren mit integriertem Entwurf begonnen, aufgrund dessen wir für die Planung beauftragt wurden. Allerdings wurde dann später ein anderes Grundstück gewählt, was eine komplette Neuplanung nach sich zog, samt Analyse des Grundstücks, der Rahmenbedingungen und darauf aufbauend ein ganz neuer Entwurf. Das Gebäude ist dadurch in seiner Nutzungsfläche sogar noch effizienter geworden, vor allem was die Bewegungsflächen angeht. Auch die Konstruktion der Sporthalle ist eine andere. Hier sind wir von  ursprünglich angedachten Spannbetonbindern zu einer Dachkonstruktion aus Holz, und insgesamt vom Satteldach zum Flachdach übergegangen. Es ist also ein gänzlich anderes Gebäude, das sich, wie bereits erwähnt, vollkommen auf den Ort und die Nutzung einlässt und diese widerspiegelt.

Flurbereich im 1. OG mit Höhenversprüngen für Sitzgelegenheiten (Foto: David Matthiessen)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Innerhalb der Entwurfsplanung haben wir unter Berücksichtigung der Lage und der Ausrichtung des Gebäudes gemeinsam mit Transsolar ein speziell auf das Gymnasium Ergolding abgestimmtes Energie- und Komfortkonzept entwickelt. Ziel war es, visuellen, lufthygienischen und thermischen Komfort bei optimiertem Energiebedarf und der Abwägung von Investitions- und Betriebskosten zu erreichen, mit einem minimalen Einsatz von Technik und mit der Nutzung regenerativer Ressourcen. Die entsprechende entwurfliche und bauliche  Umsetzung war somit durchaus prägend für das Erscheinungsbild der Schule.

Der auf der Südseite angeordnete Flur und die spezifische Bedruckung der Fassade dienen als Puffer der solaren Wärmeeinträge, die über die Sonnenschutzverglasung zusätzlich reduziert werden. Das wirtschaftlichste und auch primärenergetisch effizienteste System ist die Kombination aus Wärmepumpe für das Niedrigtemperaturheizsystem und einem Gaskessel zur Spitzenlastabdeckung. Die Energie für die Wärmepumpe wird über ein Erdsondenfeld im Bereich des Pausenhofes gewonnen und deckt 85% der Heizlast des gesamten Gebäudes ab.

Chemie Lehrsaal im 3. OG mit Ausblick auf den grünen Innenhof und das benachbarte Sonderpädagogische Förderzentrum (Foto: David Matthiessen)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Besonderes Augenmerk liegt auf dem Licht in allen Räumen, wie zum Beispiel der lichtdurchfluteten Aula. Ein Lichtlenksystem bringt Tageslicht von der Südfassade über den Gang in die Klassenzimmer, die dadurch trotz ihrer Nordausrichtung und der 8 Meter Raumtiefe an den meisten Tagen auf Kunstlicht verzichten können. Im 3. OG sorgen statt der Lichtlenkung Lichtkuppeln für zusätzliches Tageslicht. Außerdem trägt die Wahrnehmung des Tagesverlaufes durch das Tageslicht in den Räumen erheblich zum Komfort bei.

Das ausgefeilte Tageslichtkonzept wird durch den Einsatz von Kunstlicht ergänzt. Hierbei kommen ausschließlich energieeffiziente LED-Leuchten zum Einsatz, sowohl im Schulgebäude als auch in der Sporthalle und im Außenbereich. Diese sind im Gegensatz zu einer konventionellen Beleuchtung im Stromverbrauch um bis zu 70 % effizienter.

Erdgeschoss (Zeichnung: Behnisch Architekten)
Lageplan (Zeichnung: Behnisch Architekten)
Querschnitt (Zeichnung: Behnisch Architekten)
Längsschnitt (Zeichnung: Behnisch Architekten)
Gymnasium Ergolding
2013
Ergolding

Auftragsart
VOF mit integriertem WBW

Bauherrschaft
Landratsamt Landshut

Architektur
Projektarbeitsgemeinschaft
Behnisch Architekten, München
Architekturbüro Leinhäupl + Neuber, Landshut
Team Behnisch Architekten: Stefan Behnisch, Robert Hösle, Brigitte Hoernle, Wyly Brown, Jonathan Fahy, Andreas Leupold, Roxanne Reusse, Thomas Weitzel
Team Architekturbüro Leinhäupl + Neuber: Peter Leinhäupl, Barbara Neuber, Markus Neuber, Markus Neuber, Wilhelm Brugger, Stefania Di Pisa, Klaus Köstler, Stefan Müller, Paul Rapp

Fachplaner
Landschaftsarchitektur: lab landschaftsarchitektur brenner, Landshut
Tragwerksplanung: Arbeitsgemeinschaft BBI / ISP
BBI Bauer Beratende Ingenieure, Landshut
ISP Scholz Beratende Ingenieure, München
Haustechnik HLS: Ingenieurgesellschaft Frey-Donabauer-Wich mbH, Gaimersheim
Elektroplanung: SBI Schicho Beratende Ingenieure, Regensburg
Brandschutz: Brandschutzconsulting, München
Bauphysik: PMI GmbH - Bauphysik, München
Energiekonzept: TRANSSOLAR Energietechnik GmbH, München
Projektsteuerung: Bau- und Projektmanagement Hartl GmbH, Eggenfelden
Küchenplanung: PBB Planungsbüro Bauer, Rednitzhembach
LED-Leuchten: Nimbus Group, Stuttgart, mit SBI  Schicho Beratende Ingenieure, Regensburg
Gebäudeleitsystem und Farbkonzept: OCKERTUNDPARTNER, Stuttgart

Ausführende Firmen
Stahlbetonkonstruktion: Strabag AG,  Thalgau (AT)
Sporthallendach: Grossmann Bau GmbH & Co.KG, Rosenheim

Hersteller
Außenhülle / Fenster: Wicona, Raico
Wärmedämmverbundsystem: Alsecco
Verglasung: Glas Trösch
Dachfenster: Börner
Türen: Wicona, BKM Mihla, Forster, Lindner
Beschläge: Assa Abloy, GEZE, FSB
Innenausbau: Knauf, Heradesign
Systemtrennwände: Lindner, Lichte, Forster, Abopart
Farben: Brillux
Fliesen: Villeroy-Boch, Agrob Buchtal, Starline, Vogue, Ce.Si, Vitra
Bodenbelag Flure: DLW Flooring
Bodenbeschichtung: Remmers
Teppichboden: Fabromont
Möbel: Assmann, VS Möbel, Vitra, Performa, Vitra
Beleuchtung (durchgehend LED): Nimbus Group
Aufzug: Kone
Lichtlenksystem: Warema
Glasbedruckung: Glas Trösch

Energiestandard
EnEV 2009, Unterschreitung um 40%
Gebäudevolumen
55.000 m³

Kubikmeterpreis
496,50 € netto

Bruttogeschossfläche 
12.500 m²

Gesamtkosten
27.310.000 € netto (KGR 200-700)

Gebäudekosten
23.790.000 € netto (KGR 300-400)

Fotos
David Matthiessen

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