Einheitliche Vielfalt

KPW Architekten
19. August 2015
Die Wohngebäude umschließen einen ruhigen Innenhof (Landschaftsarchitektur: Breimann + Bruun, Hamburg), im Hintergrund ist St. Katharinen zu sehen. (Foto: Oliver Heissner)
 
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das Besondere an diesem Projekt ist zweifelsohne die seltene Gelegenheit, in zentraler Lage in der Hamburger Innenstadt ein gemischt genutztes Wohn- und Geschäftsquartier planen zu dürfen. Durch das Quartier führt eine Wegeverbindung vom Rathausmarkt zur Hafencity, die derzeit stark an Bedeutung gewinnt. Dass eine der am stärksten befahrenen Verkehrsachsen nördlich an das Quartier angrenzt, war einerseits eine Herausforderung, trägt aber auch maßgeblich zur Wahrnehmbarkeit der Gebäude im Stadtraum bei. Durch die direkte Nachbarschaft zu St. Katharinen – eine der fünf Hauptkirchen Hamburgs – entsteht eine große Verantwortung für die Arbeit an dieser Stelle.

Prägende Elemente der Fassade sind die verschiedenen Klinker, die Fensterrahmungen sowie die Geländerdetails. (Foto: Oliver Heissner)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Mit dem Masterplan unserer Kollegen Darlington Meier Architekten aus Zürich gab es einen starken städtebaulichen Entwurf, mit einem eindeutigen Bekenntnis zu den historischen Straßenräumen. Darauf aufbauend entwickelte sich die Idee einer zeitgemäßen Neuinterpretation von Städtebau, historischer Parzellierung, Material und Detailtiefe in den Fassaden. Dieser rote Faden zieht sich durch das gesamte Projekt.

Der aufgebrochene Dachrand und die wechselnden Steine unterstreichen den Parzellencharakter der einzelnen Gebäude (Foto: Oliver Heissner)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Das Katharinenquartier ist einer der ältesten Teile Hamburgs. Der Stadtgrundriss war im angrenzenden Fleetviertel noch weitgehend intakt, auf dem Baugrundstück selbst aber durch die Nachkriegsbebauung völlig zerstört. Dadurch war auch die Kirche aus dem städtischen Zusammenhang gerissen. Diesen Ort zu reparieren, nicht nur städtebaulich, sondern auch was den architektonischen Charakter des Viertels angeht, war das Ziel unseres Entwurfs.

Beim Bürogebäude werden die unregelmäßigen ffnungen durch einen schmalen Aluminiumrahmen aus der Klinkerfläche „ausgestanzt“ (Foto: Oliver Heissner)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Nach Planungsbeginn hat es eine intensive Diskussion in der Öffentlichkeit und mit der direkten Nachbarschaft gegeben. Das Grundstück war früher nur locker mit einem Schulgebäude bebaut, so dass die historische Katharinenkirche in Richtung Innenstadt besser sichtbar war. Dass die Wiederherstellung eines intakten städtebaulichen Umfelds zwar die direkte Sichtbarkeit einschränkt, die Einbindung der Kirche in den Stadtraum und den Stadtteil aber verbessert, war nicht einfach zu vermitteln. Aus diesem Diskussionsprozess haben sich einige Anpassungen der Baukörper ergeben – aber nicht im negativen Sinne. Wir sind zum Beispiel sehr froh über die Interpretation des Parzellengedankens, der sich jetzt in den unterschiedlichen Klinkertypen an den Fassaden ausdrückt, was jetzt sogar ein wichtiges Merkmal des Projekts ist.

Leicht ansteigende und abfallende Dachkanten prägen die Gebäude und bilden ein übergeordnetes Gestaltungsmerkmal (Foto: Oliver Heissner)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Blickt man auf den ursprünglichen Wettbewerbsbeitrag unserer Schweizer Kollegen, hat sich das Projekt seitdem doch deutlich verändert. Im Städtebau hat sich der Gedanke des aufgebrochenen Blockrands zwar gehalten, Gebäudehöhen und -maße aber wurden angepasst. Die Gebäudegestalt ist auch Ergebnis des oben beschriebenen Diskussionsprozesses, wobei wir als Architekten die «Gestaltungshoheit» nie aus der Hand gegeben haben.

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Derzeit kann man beobachten, das bei Neubauten immer häufiger historische Fassadenelemente aufgenommen werden oder Gebäude insgesamt historisierend gestaltet werden. Das ist nicht unser Ansatz. Auch wir haben uns bei diesem Entwurf sehr intensiv mit dem Bauen im historischen Umfeld auseinandergesetzt. Dabei suchen wir aber eine andere Lösung, nämlich die Verbindung über Proportion, das Material, über einen gewissen Detailreichtum in den Fassaden. Diese Elemente halten den Blick fest und machen Lust darauf, genauer hinzusehen. Das sind abstrakte Qualitäten historischer Fassaden, die wir mit modernen Mitteln wieder aufgreifen wollten.

Am südöstlichen Quartierseingang entsteht ein ruhiger, städtischer Außenraum. (Foto: Oliver Heissner)
Durch das neue Quartier wird der Kirchplatz wieder räumlich gefasst. Zwischenzeitlich ist ein Cafe im Neubau eingezogen und lädt zum Verweilen. (Foto: Oliver Heissner)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Sicherlich der Backstein. Wir beschäftigen uns als Hamburger Büro ohnehin gerne und häufig mit diesem Material. Dass wir bei diesem Projekt aber ein ganzes Quartier aus einem Guss entwickeln konnten, war eine besondere Gelegenheit. Unser Leitgedanke lautete: Vielfalt in der Einheit. Wir wollten Variationen der Materialien, Farben und Details zulassen, ohne den übergeordneten Faden zu verlieren. Wir haben viele positive Reaktionen auf unser Projekt erhalten, erfreulicherweise nicht nur aus der Fachwelt, sondern auch aus der Öffentlichkeit. Das zeigt, dass unsere Gedanken aufgegangen sind. Übrigens freuen wir uns insbesondere darüber, das auch die Nachbarschaft jetzt sehr zufrieden mit dem Ergebnis ist – die Diskussionen, Abstimmungen und Änderungen haben sich also für alle Beteiligten gelohnt.

Lageplan / Freianlagen: Das Bürogebäude im Norden und die zwei Wohngebäude bilden das Quartier (Zeichnung: KPW)
Grundriss Erdgeschoss: Im Quartier mischen sich Gewerbe, Gastronomie und verschiedene Wohnungstypen (Zeichnung: KPW)
Längsschnitt von Süd nach Nord. Das ganze Quratier ist durch eine Tiefgarage unterbaut (Zeichnung: KPW)
Katharinenquartier
2014
Willy-Brandt-Straße / Neue Gröningerstraße / Grimm
20457 Hamburg

Nutzung
Mietwohnungen, Büro, Gastronomie, Gewerbe

Auftragsart
Objektplanung Lph. 2 - 5 nach Wettbewerb (4.Preis)

Bauherrschaft
Hochtief Projektentwicklung GmbH, Niederlassung Hamburg

Architektur
KPW Papay Warncke und Partner Architekten mbB, Hamburg
Projektleitung: Niels Vagt, Michael Krüger
Mitarbeiter: Frank Buss, Katharina Chlosta, Lisa Dargies, Daniel Dietz, Corina Holzhausen, Benjamin Kinzinger, Anna Lässig, Eva Schnieders, Mareike Selonke, Nicolas Willms
Wettbewerb, städtebaulicher Masterplan und Vorentwurf Wohngebäude:
Darlington Meier Architekten, Zürich

Fachplaner
Landschaftsarchitekten: Breimann & Bruun Landschaftsarchitekten, Hamburg
Tragwerk: Wetzel & von Seht Ingenieurbüro für Bauwesen, Hamburg
Gebäudetechnik: m+p consulting Hanse GmbH, Hamburg
Fördertechnik: amw Aufzugsmanagement Windeck, Hamburg
Bauphysik: Kötter Consulting Engineers GmbH & Co. KG, Rheine
Brandschutz: HIB Hanseatische Ingenieurgesellschaft für Brandschutz, Hamburg
Grundbau: Steinfeld und Partner Ingenieure, Hamburg
Verkehrsplanung: Argus Stadt- und Verkehrsplanung, Hamburg

Bauleitung
Hochtief Hamburg GmbH

Ausführende Firma
Hochtief Hamburg GmbH (als Generalunternehmer)

Hersteller
Klinkerfassade: Wienerberger, Hebrok Klinker, ABC Klinker, Janinhoff Klinker
Betonfertigteile Fassade: Allton Fertigteile GmbH
Metallfassaden: Wartstat Aluminiumbau GmbH
Kunststofffenster: Kochs GmbH

Energiestandard
KFW 70

Zertifizierung
Bürogebäude: DGNB Silber

Gebäudevolumen
77.500 m³ oberirdisch,
28.000 m³ UG und Tiefgarage

Bruttogeschossfläche
insges. 22.500 m² BGF oberiridisch, 
davon 6.900 m² Büro und Gewerbefläche
131 Wohnungen
Tiefgarage mit 150 Stellplätzen

Auszeichnungen
Fritz-Höger-Preis 2014, Winner Silver
BDA Hamburg Architekturpreis 2014, 2. Preisrang
BDA Hamburg Publikumspreis 2014, 1. Preis

Fotos
Oliver Heissner

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