Einfamilienhaus aus Abrissplatten

Wohnung+ in Leinefelde

15. Oktober 2007

Einfamilienhaus aus Abrissplatten
2006

Heinestraße 34
37327 Leinefelde-Worbis

Auftraggeber
privat

Architektur
wbk 21 Architekten
MWM objects Architekten
Erfurt

Projektleiter
David Seidl

Tragwerksplaner
Frank Schneider Bauingenieure
Leinefelde-Worbis

BGF
148 m2

Baukosten
125.000 Euro

Fotografie
WK21

Neues Haus aus alten Bauteilen.

WBK 21 – die kleine Thüringer Architektengruppe hat ihren Namen mit Bedacht gewählt: WBK stand in der DDR für Wohnungsbaukombinat, also synonym für „Platte“ schlechthin; 21 zielt auf das von uns zu bewältigende Jahrhundert. Und ihre Antwort auf die massenhaften Hinterlassenschaften des industriellen Typenwohnungsbaus lautet „Up-Cycling“. Materialien nicht einfach wieder verwenden – etwa geschreddert beim Autobahnbau –, sondern aufwerten. Besser noch: würdigen.
Die Idee besteht, grob verkürzt, darin, bei der im Rahmen des Stadtumbau Ost geförderten Wohnraumvernichtung wenigstens Teile des anfallenden Baumaterials zu retten und erneut zu Behausungszwecken einzusetzen. Wie nach dem Krieg Trümmerfrauen Ziegelsteine klopften, um daraus Städte neu aufzubauen, müsste man heute noch brauchbare Betonfertigteile bergen – stecken in denen doch gigantische Mengen an Material, Arbeitskraft und Energie. Ressourcenschonung als Programm: Wo in schrumpfenden Städten die „Grenzen des Wachstums“ derart drastisch vor Augen gestellt sind, bleibt es nicht aus, dass nachdenkliche Architekten eine neue Wertediskussion anzetteln. Jenseits aller Stil- und Trenddebatten nehmen sie den Begriff der Nachhaltigkeit ernst.

Montage der Platten.

Ihr erster Kunde, ein Ingenieur von der TU Cottbus, hatte ein Familienhaus aus original WBS 70-Platten vom Rückbau in Berlin-Marzahn bestellt. Für ein Handgeld wurden 150 t Betonfertigteile bis hinter den Stadtrand gebracht. Dann kam im zähen deutschen Ämterwesen das Projekt zum Stocken. Der zweite Versuch, buchstäblich im Selbstauftrag, wurde im thüringischen Mühlhausen gestartet, diesmal mit Platten aus Leinefelde. Was dort an Brauchbarem anfiel, war den Architekten wohl vertraut – hatten sie doch für die renommierte Stadtumbau-Metropole im Eichsfeld bereits eine Studie „Teilrückbau mit Wiederverwendung“ erarbeitet und dabei jene Baufirma kennen gelernt, die das sorgsame Rückbauen inzwischen technologisch perfekt beherrschte. Die war froh über die unverhofften Abnehmer der sperrigen Abrisselemente.

Oberlicht im Flur.

Im dritten Anlauf endlich die Chance, in Leinefelde selbst zum Zuge zu kommen! Ein vom Umbau betroffener Mieter ging das Risiko ein. Unter dem Label „Wohnung +“ werden ihm nun auf 108 Quadratmetern drei Wohnräume, Küche, Bad und viel Nebengelass geboten, das ganze kellerlos und barrierefrei um eine zentral gelegene, von oben belichtete Diele arrangiert. Da der Bauherr das Wohnen in der „Platte“ gar nicht verachtete („Am liebsten die alte Bleibe einfach raus auf die grüne Wiese gewuchtet, nach jeder Seite einen Meter zugelegt, und statt Keller einen ordentlichen Carport, mehr nicht.“) musste das neue Domizil seine Herkunft auch nicht umständlich verbergen. Es durfte ein Eigenheim ohne Steildach oder sonstige Folklore werden, der Widerschein egalitärer Bau- und Wohnstandards selbstbewusst inszeniert als kleine Villa für jedermann.
Am Ort betoniert wurden nur die Fundamente und der Ringanker am Dachdeckenrand, der Wiederverwendungsgrad beträgt stolze 91 Prozent. Inzwischen verwundert den Architekten überhaupt nicht mehr, warum gerade Deckenplatten so begehrt sind. „Sattelschlepperweise“, hat er erfahren, werden sie bis nach Holland verfrachtet, denn die rechnen sich am schnellsten: Wer sechs Meter stützen- und schalungsfrei überspannt, gewinnt darunter enorm viel Freiheit zur Grundrissgliederung.

Der "Spenderbau"  für die Platten in Leinefelde.

Eigentlich hatte der Bauleiter für die Montage der Betonelemente drei Tage veranschlagt, deshalb wurde das angesagte Fernsehteam für den mittleren Arbeitstag bestellt. Hoffnungslos zu spät, wie sich zeigte, denn als der Architekt am Vormittag des ersten Tages auf der Baustelle erschien, stand schon die Hälfte der Umfassungswände. Der Rest war bis Feierabend lässig geschafft.
Wolfgang Kil

Einfamilienhaus aus Abrissplatten
2006

Heinestraße 34
37327 Leinefelde-Worbis

Auftraggeber
privat

Architektur
wbk 21 Architekten
MWM objects Architekten
Erfurt

Projektleiter
David Seidl

Tragwerksplaner
Frank Schneider Bauingenieure
Leinefelde-Worbis

BGF
148 m2

Baukosten
125.000 Euro

Fotografie
WK21

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