Neue Mitte, Ulm
Stadtverträglich
5. Dezember 2006
Blick vom Münster: Im Vordergrund die zwei Neubauten von Braunfels, dahinter die Bibliothekspyramide von Gottfried Böhm; rot gedeckt und mit zwei Reihen Gauben übereinander: das alte Ulmer Rathaus.
Kaum eine deutsche Stadt blieb von der ungebremsten Tatkraft der Verkehrsplaner verschont, als nach dem Krieg unter dem Stichwort "Neuanfang" die freudig erwarteten Automassen die Straßenplanungen bestimmten. In Ulm war es nicht anders, im Gegenteil: Zwischen das berühmte Münster und das Rathaus wurde eine gewaltige Verkehrsschneise gelegt. Nachdem der Verkehr vom Münsterplatz verdrängt war, das neue Stadthaus von Richard Meier von neuem Leben in der Stadt kündete und die Bibliothek von Gottfried Böhm ebenfalls von der Bedeutung zeugte, die man der Stadtmitte beimaß, schmerzte die Straße um so mehr. Der Rückbau stand an, der bei den Autofreunden natürlich auf wenig Gegenliebe stieß.
Hans- und Sophie-Scholl-Platz: Links das alte Rathaus, in der Mitte die neue Sparkasse, rechts die alte Straßenrandbebauung.
Das Büro Braunfels gewann den Wettbewerb mit einem Gebäudeensemble, das die kleinteilige Altstadtstruktur in deutlich zeitgenössischer, moderner Architektursprache ergänzt. Zwei markante Baukörper dienen jetzt ihrem Standort gemäß als Kaufhaus beziehungsweise Sparkassenzentrale. Sie stehen gleichsam mitten auf der früheren Straße und bilden nun neue, kleinere Stadträume: Die Stirnseite der Sparkasse konturiert nun mit dem alten Rathaus, dem noch unfertigen neuen Museum und einer vorhandenen Häuserzeile den Hans- und Sophie-Scholl-Platz. (Schau-)Fensterflächen im Erdgeschossbereich signalisieren, dass hier für Stadtflaneure gebaut wurde. Und mit glatten Betonflächen in den geschlossenen Obergeschossabschnitten bekennt sich der Architekt zur Moderne, die er stadtverträglich fortschreiben will.
Rechts an der Sparkasse führt der Fußweg auf das neue, spitzwinklige Kaufhaus zu.
Auf die Spitze getrieben wird die Formbarkeit des Betons an der Kaufhausecke, an der sich der Fußweg gabelt: Rechts geht es zum Münsterplatz. Nun spielt die Dachaufsicht an dieser, vom viel besuchten Münster aus gut zu sehenden Stelle natürlich eine besondere Rolle. Auf dem Kaufhaus lockt eine Dachterrasse, auf der Sparkasse staffeln sich Umgänge. Das moderne Dach wird hier als ein halböffentlicher Raum begriffen. Fazit: In nahezu allen deutschen Städten steht der Rückbau innerstädtischer Verkehrstrassen an, denn die Stadtmitten werden fürs Wohnen wieder beliebter. Hier in Ulm ist ein Weg eingeschlagen worden, der dieser Entwicklung endlich einmal Rechnung trägt.
Ursula Baus
Lageplan
Neue Sparkasse
2006
Neue Mitte
89073 Ulm
Auftraggeber
Sparkasse Ulm
Architektur
Stephan Braunfels Architekten
München/ Berlin
Projektleitung
Johannes Hanf
Bauleitung
Gassmann & Grossmann
Stuttgart
Tragwerksplanung
Scherr + Klimke
Ulm
Haustechnik
Conplaning GmbH
Stuttgart
Bauphysik
Müller BBM
Berlin
Glasfassaden und -dächer
Alfa Plan GmbH
Efringen-Kirchen
Bruttogeschossfläche
4.000 m²
Gesamtkosten
12 Mio. €
Kaufhaus Münstertor
Neue Mitte
89073 Ulm
Auftraggeber
August Inhofer Wohnbau
Senden
Architektur
Stephan Braunfels Architekten
München/ Berlin
Projektleitung
Karin Melcher
Tragwerksplanung
Stephan Sailer Partner
München
Fassadenplanung
R + R Fuchs, München
Bauphysik
MüllerBBM
Berlin
HLS
Planungsbüro Bohnacker
Schelklingen
Elektro
Ingenieurbüro Puscher
Schelklingen
BGF
2.700 m2
Gesamtkosten
5,2 Mio Euro
Fotografie
Stadtarchitv Ulm (Luftbild)
Zooey Braun