Raum ist in der kleinsten Hütte

Enger kann ein Ortskern aus Einzelhäusern kaum sein: Neben der Kirche stehen hier in Geradstetten die Häuschen dicht an dicht, und wer herkömmliche Ansprüche an komfortables Wohnen mit großem Haus und Garten stellt, wird die Mitte des Ortes meiden. Genau in dieser Enge ist es aber gelungen, ein bestehendes, für eine vierköpfige Familie zu kleines Wohnhaus mit einem Anbau zu einem großzügigen Zuhause zu vervollständigen.

Wo jetzt ein hell glitzernder, Licht bis in die schummerigsten Ecken reflektierender Baukörper in die Höhe ragt, stand zuvor ein altes Häuschen, dessen Sockelbereich im Neubau erhalten blieb. In dieser Zone – vom Haupthaus gesehen wegen leichter Hanglage also im Untergeschoss – konnte eine kleine Einlieger-Wohnung eingepasst werden.
Über dem Sockelgeschoss entspricht die Kubatur des Neubaus mit kleinem Grundriss und steilem Dach derjenigen des Vorgängers, nur dass sie innen nicht mehr in Zimmer oder Etagen unterteilt ist, sondern einen schönen, hellen, hohen Raum bildet. Mit dem Altbau umschließt die Erweiterung jetzt einen kleinen Garten- und Terrassenbereich. Verbunden sind die beiden Baukörper mit einem kompakten, mit Eternit bekleideten Steg.

Es springt nun mal ins Auge: Der Bauherr liest offenbar gern und besitzt manches Buch. Die Regale sind deswegen integraler Bestand der Wände und reichen an einer Ecke bis zur Traufhöhe und darüber hinaus. Die Höhe dieses Innenraums verhilft dem Ensemble zu einer Großzügigkeit, die die vergleichsweise enge, dörfliche Situation vergessen lässt. Wo es gelingt, in alten, kleinteiligen Strukturen mit einfachen Mitteln größere Räume zu schaffen, steigt die Wohnqualität erheblich.  Es gibt eben ausgezeichnete Alternativen zur Zersiedlung der Landschaft mit schauderhaften Einfamilienhausgebieten.
Ursula Baus