Noblesse im Hinterhof

In der Nähe des Rosenauparks in Nürnberg stand das Gelände einer ehemaligen Schlosserei zur Disposition. Der ursprüngliche Plan des Architekten Loebermann sah eine Bebauung mit drei Reihenhäusern vor. Doch niemand konnte sich vorstellen, wie auf dieser Fläche hochwertiger Wohnraum entstehen sollte. Deshalb entschloss sich der Architekt ein Haus für sich und seine Frau zu bauen.
Das 450 Quadratmeter große Grundstück ist auf drei Seiten von Brandwänden umgeben, die zu erhalten waren, nur die vierte Seite ist über eine Durchfahrt vom Vorderhaus zugänglich. Diese Situation spiegelt sich auch im Entwurf wieder, denn es entstand ein nach drei Seiten fast komplett geschlossener Baukörper, der sich nach Westen hin öffnet.
Um die wahren Qualitäten dieses Gebäudes erfahren zu können, muss man es betreten, sich vor allem in und durch die obere Etage leiten lassen. Beide Geschosse sind als Zweibund angelegt, die repräsentativen Funktionen orientieren sich nach Westen, die dienenden nach Osten. Im Erdgeschoss befinden sich Arbeits- und Gästebereich, die auf herkömmliche Weise mit Türen voneinander getrennt sind. Die Zonierung im Obergeschoss übernehmen zwischen Boden und Decke eingespannte Wandscheiben. Auf Türen wurde hier – vom Schlafzimmer abgesehen – gänzlich verzichtet. So entsteht ein Raumkontinuum, in dem klare Bereiche definiert und den verschiedenen Funktionen zugeordnet sind.

Die großzügigen Holzfenster sind vom Fußboden durch eine Stufe abgesetzt und mit einem Holzrahmen gefasst. Sie werden zu einem eigenständigen, den Raum prägenden Element. Zum Schutz vor Kälte oder zu intensiver Sonnenstrahlung können die Öffnungen mit Faltschiebeläden verschlossen werden. Die mittleren Elemente dieser Fensterläden sind wärmegedämmt, auf der Oberfläche fand der Putz der Fassade Verwendung. In die beiden äußeren Teile wurde Milchglas eingebaut. Die so gefilterten Sonnenstrahlen tauchen den Innenraum in ein angenehmes Licht, und auch mit geschlossenen Fensterläden bedarf es keiner künstlichen Beleuchtung.
Die Küche im rückwärtigen Teil des Hauses überrascht als lichtdurchfluteter Raum. Mit einem Atrium werden dieser und die gegenüberliegende Bibliothek mit Tageslicht versorgt – zwar nur ein kleines, aber genau an der richtigen Stelle angeordnetes. Denn der Blick schweift über die Baumkronen des Nachbargrundstückes hinauf in einen strahlend blauen Himmel. Liegt dieses Haus wirklich mitten in der Stadt?

Hier, mitten in Nürnberg, entstand ein schönes Beispiel dafür, wie wir unsere Städte nachverdichten können, wie auf relativ kleiner Fläche hohe Wohnqualität geschaffen werden kann. Denn heute, das fertige Gebäude vor Augen, sind plötzlich diejenigen zur Stelle, die diesem Bauvorhaben anfänglich kritisch gegenüberstanden. Vielleicht finden sich ja in Nürnberg (und auch anderswo) ähnliche Grundstücke und vor allem Bauherren, die bereit sind, neue Wege zu gehen und sich vom „Traum“ des Einfamilienhauses auf der Grünen Wiese zu verabschieden.
Simone Hübener