Mediterraner Protestantismus

Neuhermsheim im Osten Mannheims darf kaum zu den Perlen jüngerer Stadtbaugeschichte gezählt werden, aber wer hier wohnt, verdient die gleiche Zuwendung anspruchsvoller Gegenwartsarchitektur wie jeder andere – zum Beispiel aus Rotenburg ob der Tauber – auch. Architekten dürfen keinen einzigen Ort verloren geben, und mit so einem Vorsatz lässt sich das Jahr 2008 trefflich beginnen.

2003 gewannen die Architekten den zweistufigen Wettbewerb der Evangelischen Thomasgemeinde gegen etwa 440 Konkurrenten mit einem Entwurf, der fast unverändert ausgeführt wurde. Nicht zuletzt dem engagierten Bauherrn – in personae der kirchlichen Bauabteilung, der Pfarrerin und mitwirkenden Gemeindemitgliedern – ist zu verdanken, dass ein außergewöhnliches Konzept in einem typischen "Zwischenstadt"-Geklecker einen erstaunlich ruhigen, ordnenden Mittelpunkt bekam.

Von einer vegetabil anmutenden Stützenhülle umgeben, lockt das Gemeindehaus Passanten an, gewährt Ein- und Durchblicke und umschließt einen halböffentlichen, begrünten Hof. Die auffällige, tragende Hülle besteht aus zwei Grundmodulen, die als vorgefertigte Sichtbetonteile auch über Kopf eingebaut werden konnten. So makellos geschalte, geometrisch anspruchsvolle Fertigteile lassen auf einen versierten Hersteller schließen – nahe des sauerländischen Siegen wurde er gefunden.

Innen setzt sich die gleißend helle Atmosphäre fort. Zugegeben sei an dieser Stelle, dass eine unglaublich helle, flache und wärmende Wintersonne beim Besichtigen ins Haus schien. Mit klassischen Raumteilern, weißen Vorhängen und einem Kircheninventar auf Rollen lässt sich der offene Raum vielfältig nutzen. In diesem Ambiente aus verschiedenen Weißtönen ahnt man, wie schmal der Grat zwischen dem Sakralen und dem Klinischen sein mag – das Licht des Südens trägt sein Scherflein zum Gelingen der Gratwanderung bei.
Ursula Baus