Neu- und Umbau Hessischer Landtag
Jetzt sind die Parlamentarier dran
19. August 2008
Blick aus den Arkaden des Altbaus auf den Neubau, dessen Herz der Plenarsaal ist.
Der hessische Landtag ist in einem zentralen innerstädtischen Block, in einem in den letzten 160 Jahren gewachsenen Ensemble untergebracht. Das Schloss, nach Plänen von Georg Moller in der Mitte des 19. Jahrhundert errichtet, ist in diesem Ensemble ein bedeutender Teil. Für den in den 1960er Jahren errichteten Plenarsaal wollte das am Ende des letzten Jahrhunderts keiner mehr sagen. An Stelle der ehemaligen Reithalle errichtet, erfüllte er funktionale Anforderungen nicht mehr, noch erfüllte er den Anspruch einer der Funktion entsprechenden Repräsentanz. Der Plenarsaal hatte keine Fenster, die Fassade zur angrenzenden Grabenstraße war abweisend, die Räume für die Bürger waren unzureichend in den Komplex eingebettet. Ein Wettbewerb für einen Neubau wurde ausgeschrieben, der Abriss des Plenarsaals als Bedingung gestellt. Waechter und Waechter Architekten gewannen den Wettbewerb 2001, 2003 wurde der Entwurf überarbeitet, im April 2008 wurde der neue Plenarsaal eingeweiht.
Nicht nur architektonisch, auch stadträumlich eine Verbesserung: der “Parlamentsplatz”.
Schon im Stadtraum ist der Neubau ein großer Gewinn. Das Ensemble ist auf die historische Raumkante der Mollerbauten zurückgeführt, die Fußwegverbindung durch das Prinzengässchen wieder geöffnet. Zwei neue Plätze bereichern den öffentlichen Raum. In Gliederung und Maßstäblichkeit fügt sich der Neubau ins Umfeld ein, seine strenge und kubische Formensprache macht ihn als neusten Teil des Ensembles erkennbar. Die Plastizität des Baukörpers wird durch die helle, grau-beige, fast weiße Kalksteinfassade betont. Die stehenden Formate und die unterschiedliche Stärke der Steinplatten mit Versätzen bis 15 Millimetern erzeugen eine lebhafte Textur der Wandflächen, in die die großen Fenster mit umlaufenen Rahmen aus Baubronze eingesetzt sind. Aufmerksamkeit verdienen die senkrecht in die Natursteinverkleidung eingeschnittenen, schmalen Lichtschlitze. Durch sie dringt tagsüber Licht nach innen und nachts nach außen, sie erzeugen dabei jeweils ein lebendiges Licht- und Schattenspiel, das die Massivität der Wand relativiert.
Im neuen Plenarsaal, hier von der Besuchergalerie aus gesehen, sind anders als in seinem Vorgängerbau die Sitze kreisförmig angeordnet.
Bürgernähe drückt sich in einem repräsentativen Besuchereingang, einem großzügigen Foyer und einem daran angrenzenden Informationszentrum aus. Von der Grabenstraße ist ein Durchblick über die Innenhöfe des Landtags bis zum Schlossplatz möglich.
Zentrum des Neubaus ist aber der im ersten Geschoss liegende Plenarsaal, platziert im Schnittpunkt aus der Diagonalachse des Schlosses und der Symmetrieachse des Innenhofs. Große Fenster zur Grabenstraße und zum Innenhof öffnen den Saal zur Stadt. An Stelle der frontalen Sitzordnung des Vorbängerbaus ist die Bestuhlung des neuen Plenarsaals nach dem Bild des runden Tischs konzipiert, um symbolhaft das gleichzeitige Miteinander und Gegenüber der Parlamentsmehrheit und -minderheit, der Landesregierung und Landtagspräsidium zum Ausdruck zu bringen.
Bleibt zu hoffen, dass die amtierenden Politiker den Neubau als Verpflichtung nehmen, sich respektvoll zu begegnen, vor allem aber auch nicht zu vergessen, dass sie nicht auf sich selbst bezogen agieren sollten, sondern der Bürgergesellschaft verpflichtet sind. So wie das Haus seiner Verpflichtung gegenüber der Stadt gerecht geworden ist.
Christian Holl
Erdgeschoss
1. Obergeschoss
Neu- und Umbau
Hessischer Landtag
2008
Schlossplatz 1-3
65183 Wiesbaden
Bauherr
Hessischer Landtag
Wiesbaden
vertreten durch
Hessisches Ministerium der Finanzen
Wiesbaden
endvertreten durch
Hessisches Baumanagement
ML West
Wiesbaden
Architektur
Waechter+Waechter Architekten BDA
Darmstadt
Bauleitung
BSC Frankfurt
OFB Frankfurt mit SHP Architekten
Darmstadt
Tragwerksplanung
Ruffert & Partner Ingenieurgesellschaft mbH
Limburg
Haustechnik
Zibell Willner & Partner
Wiesbaden
Elektro und Lichttechnik
Steinigeweg Beratende Ingenieure
Darmstadt
Lichtplanung
Lichtdesign
Ingenieurgesellschaft mbH
Köln
Außenanlagen
W+W mit
Adler & Olesch
BGF
17.109 m²
Baukosten
27.500.000 Mio €
Fotografie
Thomas Ott