Jugendhaus in Stuttgart-Degerloch
Ausgetobt
25. September 2006
Ausblick von der Turmterrasse.
Wie in Berlin-Kreuzberg oder in der Hamburger Hafenstraße ging es in der Baden-Württembergischen Hauptstadt, deren Bürgermeister mit einer lachhaften "Let's putz"-Aktion sogar die Aufmerksamkeit der Bild-Zeitung zu wecken wusste, nie zu. Hausbesetzer in Stuttgart? Es gab sie, und in einem kleinen Haus in Stuttgart-Degerloch alterten sie sogar in akademischen, wenngleich suspekten Würden. Im Degerlocher Jugendhaus lebten diese widerspenstigen Bürger, bis sich die dort ansässige, sozial engagierte Helene-Pfleiderer-Stiftung dazu entschloss, auf der Liegenschaft ein ambitioniertes Projekt zu starten. Der Altbau – ursprünglich eine Apotheke – stand zwar zur Disposition, aber nach einem Wettbewerb tendierten die Beteiligten zum Erhalt des Klinkerbaus – und entschieden sich ansonsten für das Konzept der Architekten Kauffmann Theilig Partner. Die laborierten mit rund vierzig Mitarbeitern in den letzten Jahren stark am kommerzialisierten Bauen, zeigen aber hier, dass räumliche Experimente immer noch ein Bürothema sind.
Prominent an der Hügelkante über Stuttgarter gelegen: die einstige Apotheke und der Erweiterungsbau zum Jugendhaus.
Rund um den Altbau schieben sich die neu hinzu gefügten Baukörper wie in einem Faltengebirge massiv an die Oberfläche. Aus der scheibenähnlichen Gemengelage hebt sich allein ein keck in die Höhe ragendes Türmchen empor, dessen oberste Etage nicht etwa eine prominentes Chefbüro, sondern eine anarchisch zu nutzende Aussichtsplattform bietet. Wohl erkennt man an der etwas ruppigen, schrägen und schiefen Architektur die Behnisch-Quellen des Büros KTP, doch schimmert eine Eigenart, die einer professionellen Disziplinierung geschuldet sein mag, aus dem ganzen Ambiente. Zu berücksichtigen ist dabei, dass ein Generalübernehmer am Werk war – andererseits interessieren sich KPT ohnehin nicht fürs perfektionierte Detail.
Gartenseite: rechts wird das Gelände noch aufgeschüttet, so dass der Flache Bau wie eingegraben wirkt.
Dezente Farben, eine schlüssig umgesetzte Funktionalität und natürlich der auratische Ort lassen hoffen, dass sich in diesem Jugendhaus, das Kindern und Jugendlichen eigene Bereiche zugesteht, eine muntere Szene beheimatet.
Ursula Baus
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss 1. Obergeschoss
Grundriss 2. Obergeschoss
Schnitt
Jugendhaus in Stuttgart-Degerloch
2006
Obere Weinsteige 9
70597 Stuttgart
Auftraggeber
Stuttgarter Jugendhaus e. V.
Helene-Pfleiderer-Stiftung
Architektur
Kauffmann Theilig & Partner
Ostfildern
Projektleitung
Jakob Eckert
Tragwerksplanung
Gustav Epple Bauunternehmung
Stuttgart
HLS
Ingenieurbüro Bauer
Stuttgart
Bauphysik
Ingenieurbüro Horstmann & Berger
Altensteig
Elektroplanung
Ingenieurbüro Lang
Stuttgart
Fassadenplanung
Erich Bohner GmbH
Fichtenberg
Bruttogeschossfläche
1.400 m² Alt- und Neubau
Baukosten
KG 2-7
3 Mio. €
Fotografie
Ursula Baus