Behutsam und eigenständig

NGA | Nehse & Gerstein Architekten
27. September 2017
Erweiterung linkerhand und Gründervilla

Am Firmenstandort Schalksmühle gelegen soll die JUNG Gründerzeitvilla als Begegnungs- und Dienstleistungszentrum neu ausgerichtet werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?
Die 1928 von Fritz Stutzkeitzki erbaute Gründervilla befindet sich auf einem repräsentativen Grundstück mit Hanglage auf einem Berg oberhalb von Schalksmühle. Die Umgebung der Villa ist durch eine offene Bauweise mit meist zwei- bis dreigeschossiger Bebauung, verstärkt durch die Hanglage und umliegenden parkähnlichen Gärten, geprägt.
Die Villa wurde von dem Firmengründer Albrecht Jung und seiner Familie bewohnt und steht seit 2015 leer. Neben der Villa wurde in den 60er Jahren eine Doppelgarage errichtet. Die Substanz der Gründervilla ist dem Alter des Hauses und der Nutzung entsprechend.
Die Raumaufteilung und Anmutung der Villa entsprechen noch der ursprünglichen Nutzung als Wohnhaus. Über die Jahre wurden einige Veränderungen an der Fassade vorgenommen – Fensteröffnungen wurden verändert und an anderer Stelle ergänzt. 

Lageplan

Wie kamen Sie zu dem vorgeschlagenen Baukörper?
Für uns stand im Vordergrund, dass die historische Gründervilla in ihrer Präsenz gestärkt wird und auf dem parkähnlichen Anwesen als Solitär wirkt. Der neue, langgestreckte Baukörper soll sich auf den ersten Blick zurücknehmen und die bestehende Villa respektvoll ergänzen.
Der Erweiterungsbau entsteht in Verlängerung der Zufahrt und kann durch das abfallende Gelände um ein Geschoss abgesenkt werden, so dass der Besucher beim Betreten des Anwesens einen großzügigen Vorplatz auf Eingangsniveau vorfindet und ein uneingeschränkter Blick auf die Villa und über den Garten in das Tal zur Gemeinde und die Weite der hügeligen Landschaft möglich ist. Gleichzeitig entsteht eine eindeutige Eingangssituation. Der Zugang zu dem neuen Begegnungs- und Dienstleistungszentrum erfolgt über die vorhandene Eingangssituation der historischen Villa, so dass eine enge Verbindung zwischen Alt und Neu entsteht.
Durch die Positionierung des Neubaus wird der Garten insgesamt baulich gefasst. Durch Geländemodellierungen entstehen neue Terrassen auf unterschiedlichen Höhen zwischen der Villa und dem Neubau.

Ursprungszustand
Ensemble

Können Sie uns um das Projekt führen, als ob es schon fertiggestellt wäre?
Das Grundstück wird über eine leicht Abfallende Zufahrt betreten. In der Verlängerung des Weges öffnet sich eine neue Terrasse, das Dach des Neubaus, von der man zunächst einen Überblick über das Gelände und auf die Villa erhält. Der Besucher betritt das neue Begegnungszentrum durch das Eingangsportal der Villa. Im Innenraum entsteht ein Spannungsfeld zwischen Stilelementen der Villa und der Architektursprache des Neubaus. Dem Eingangsbereich folgt das Foyer als Verteiler zwischen beiden Gebäudeteilen mit direktem Ausblick in den Garten. Die aufgearbeitete Bestandstreppe verbindet die Ebenen der Villa mit Tagungsbereichen und einem Hotelzimmer. Eine neue Treppe führt aus dem Foyer in das Untergeschoss und bindet den Neubau an. Hierüber gelangt der Besucher in das Zwischengebäude und geht direkt auf den Empfangsbereich des Neubaus zu. Über ein Oberlicht fällt Tageslicht in diesen Verbindungsbau. Der Neubau ist als Gebäude offenem Grundriss konzipiert. Betonkerne nehmen zum Beispiel Funktionen wie Empfang, Teeküche und Büros auf und gliedern den fließenden Grundriss. Hier kann der Besucher über Produkte informiert werden, es können Ausstellungen präsentiert werden oder Empfänge stattfinden. Die umlaufenden, raumhohen Fensteröffnungen geben den Blick in den Garten und auf die Villa frei. Vor der raumhoch verglasten, transparenten Fassade befindet sich eine umlaufende Terrasse – der Übergang von innen nach außen ist fließend.   

Schnittansicht Nord
Schnitt
2. Kellergeschoss

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Besonders wichtig sind uns das Spannungsfeld zwischen der historischen Villa und dem Neubau und der Umgang mit der Hanglage des Gartens. Das Bestandsgebäude soll in seinem architektonischen Erscheinungsbild gestärkt werden und durch den Neubau behutsam und gleichzeitig eigenständig ergänzt werden. Im Gegensatz zu der Architektur der Gründervilla soll sich der Neubau in seiner Gestaltung als reduziertes, offenes und modernes Gebäude präsentieren. Das Dach soll als schwebende Scheibe wirken, die von Betonkernen getragen wird. Die Abtrennung zwischen Innen- und Außenraum erfolgt über großflächige Verglasungen, die gleichzeitig einen Übergang in den Garten ermöglichen. Durch die Positionierung des Neubaus entstehen eine bauliche Fassung des Gartens parallel zur Grundstücksgrenze und eine räumliche Aufwertung der Gartenanlage durch terrassierte Außenbereiche. 

Zugang zum Erweiterungsbau
Schauraum

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Die historische Villa soll behutsam so weit wie möglich in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Das heißt, dass die ursprüngliche Positionierung und Dimensionierung der Fensteröffnungen wieder hergestellt und die Räume zum Teil an die neuen Anforderungen angepasst werden sollen. Hier soll das Material Holz in Böden und Vertäfelungen und die alte Treppenanlage und Möbeleinbauten mit gespachtelten, gestrichenen Wandflächen kontrastieren und den Innenraum prägen.
Der Neubau ist in Sichtbeton geplant. Hier dominiert ein Wechsel aus geschlossenen Betonkernen – die gleichzeitig die Lasten des Daches aufnehmen und abtragen – und raumhohen, schlankprofilierten Glasflächen. Der Bodenbelag ist als geschliffener Estrich oder Natursteinbelag vorgesehenen. Der Raum des Neubaus soll einen prägnanten Hintergrund für die Veranstaltungen und Präsentationen bieten.

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Einen konkreten Fertigstellungstermin gibt es noch nicht. Es haben erste Gespräche mit den Bauherren und Projektbeteiligten stattgefunden. Das Projekt soll aber zeitnah realisiert werden. 

Blick vom Garten
Umbau und Erweiterung der JUNG Gründervilla, Schalksmühle
Offener Realisierungswettbewerb

Auslober/Bauherr: Albrecht Jung GmbH & Co. KG, Schalksmühle (DE)
Betreuer: D&K drost consult GmbH, Hamburg

Jury
Prof. Michael Schumacher, Vors. | Prof. Sabine Keggenhoff | Jan Kleihues | Elke Reichel | Prof. Roger Riewe | Peter Cachola Schmal

1. Preis
Architekt: Nehse & Gerstein Architekten BDA, Hannover

ein 2. Preis
Architekt: Feyyaz Berber Architekt, Köln

ein 2. Preis
Architekt: Yonder - Architektur und Design, Stuttgart

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