Städtebauliche Beruhigung

Carsten Sauerbrei
21. August 2017
Unterschiedlich breite, leicht geneigte und geschossweise zueinander versetzt angeordnete Betonelemente verleihen der Fassade des Neubaus einen lebendigen Charakter. (Bild: Roland Halbe)

Ein quaderförmiger Baukörper mit einer gerasterten Fassade – was andernorts nur Langeweile hervorruft, ermöglichte beim Neubau der Architekten von Auer Weber am Kemptener Residenzplatz ein harmonisches Gesamtbild von Neubau und den angrenzenden Gebäuden von barocker Fürstäbtlicher Residenz, klassizistischen Weidle-Haus und nachkriegsmodernen «Langen Ständen». Der Baukörper des abgerissenen 1970er-Jahre Vorgängerbaus an gleicher Stelle wirkte dagegen wesentlich unruhiger, bot außerdem zu wenig Platz, um alle Mitarbeiter an einem Standort unterzubringen, und ließ sich wirtschaftlich nicht mehr sanieren.

Der neue Baukörper fügt sich als beruhigendes Element in die heterogene Nachbarschaft am Kemptener Residenzplatz ein. (Bild: Roland Halbe)

Obwohl in Teilen der Kemptener Bürgerschaft als zu massiv kritisiert, nimmt der vier- bis fünfgeschossige, neue Baukörper nur wenig mehr Platz ein als der Vorgängerbau, indem er entlang der Königstraße bis an die Straße heranrückt. Die Wirkung des benachbarten Weidle-Hauses, wie auch die der «Langen Stände» verstärkten die Architekten, indem sie deren Fassaden frei stellten und den Neubau von fünf auf vier Geschosse in Richtung Residenzplatz abtreppten. Die Fassade aus Betonfertigteilen des 35 Millionen Euro teuren Gebäudes erscheint auf den ersten Blick als etwas zu gleichförmig. Das Wechselspiel der geschosshohen Fenster und der unterschiedlich breiten, leicht geneigten und geschossweise zueinander versetzt angeordneten Betonelemente verleiht ihr jedoch - aus der Nähe betrachtet - einen lebendigen Charakter.

Die offen gestaltete Hoffassade nimmt das Gliederungsthema der Stadtfassade auf und führt es in einer anderen Materialität fort. (Bild: Roland Halbe)

Offene und transparente Räume, die vielfältige und interessante Blickbeziehungen innerhalb des Gebäudes zulassen, prägen das Innere des Neubaus. Die Außenräume, der vielfältig nutzbare Innenhof und der angrenzende Stadtpark werden durch das offene Raumkonzept förmlich in den Innenraum geholt. Die transparente Hoffassade greift dabei das Gliederungsthema der Straßenfassade in einer anderen Materialität aus Glas und Metall auf. Das Nachhaltigkeitskonzept, das unter anderem eine Photovoltaikanlage auf der begrünten Dachfläche zur Eigenstromversorgung und LED-Beleuchtung umfasst, rundet die gelungene Gestaltung ab.

Offene Raumkonzepte und Transparenz durch großzügige Verglasung prägen das Innere des Neubaus. (Bild: Roland Halbe)

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