Paläste in den Alpen

Petra Bohnenberger
9. März 2011
Der Helikopter fliegt die vorgefertigten Bauelemente direkt an die Montagestelle der Olpererhütte am Fernwanderweg 502. Von dort blickt man auf den Schlegeisspeicher (Bild: Hermann Kaufmann) 
Ein paar Zahlen

Weit mehr als 1.300 Hütten werden von den Alpenvereinen Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, Italiens, Frankreichs und einiger anderer europäischer Länder geführt. Sie sind nicht nur Futterstationen für hungrige Wanderer oder Nachtlager für eifrige Tourengeher. Sie sind lebenswichtige Anlaufstationen und Schutzhütten für all jene, die jedes Jahr in den Bergen in Not geraten. Denn in der Regel funktioniert auf über 2.500 Metern Höhe das Handy nicht mehr. Doch viele Hütten sind bereits über hundert Jahre alt und der ständig steigenden Zahl an Bergsportlern – der Deutsche Alpenverein hat jährliche Zuwachszahlen von etwa fünf Prozent – nicht mehr gewachsen. So gilt es, die Hütten zu erweitern und zu modernisieren.
Der Deutsche Alpenverein ist mit etwa 893.000 Mitgliedern der größte Bergsportverband der Welt. In seinen 326 Hütten mit 20.000 Übernachtungsmöglichkeiten werden jährlich zwei Millionen Tagesgäste und 800.000 Übernachtungsgäste versorgt. Aus 1,6 Millionen Ehrenamtsstunden entstehen jährlich 19,5 Millionen Euro volkswirtschaftliche Wertschöpfung. Beeindruckende Zahlen.

 
Die Umwelt

Ein wesentlicher Aspekt der Hüttenarchitektur ist der Umweltschutz. So haben sich die Alpenvereine Deutschlands, Österreichs und Südtirols darauf verständigt, dass in den Alpen keine neuen Straßen, Wege und Hütten mehr gebaut werden, sondern die bestehende Infrastruktur erhalten und wo nötig verbessert wird. Dabei darf die sensible Landschaft nicht unnötigen Belastungen ausgesetzt werden. Stattdessen wird die bestehende Infrastruktur mit viel Geld, das aus den Mitgliedsbeiträgen stammt, modernisiert. Das beinhaltet vor allem, mit umweltverträglichen Materialien zu bauen, die Hüttenmit Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung energieautark zu machen, sie mit Filter- und UV-Anlagen auszurüsten, damit das Wasser gereinigt und mehrfach genutzt werden kann.

In einer Kaverne wird Schmelzwasser aus der Umgebung der Monte Rosa Hütte gesammelt und in deren Wasserkreislauf eingespeist. (Bild: Lauber IWISA AG, Naters) 

Um diese Qualität auch für die Bergsportler sichtbar zu machen, haben die Alpenvereine ein Umweltgütesiegel definiert. Damit werden seit einigen Jahren diejenigen Hütten ausgezeichnet, die alle Kriterien erfüllen.
Zu den Anforderungen zählt die Nutzung erneuerbarer Energien (Wind, Sonne, Erdwärme, Wasserkraft, Biomasse und Biogas) zur Stromerzeugung, wodurch mindestens fünfzig Prozent des Verbrauchs gedeckt sein müssen. Der Rest muss ebenfalls ausschließlich aus regenerativ erzeugtem Netzstrom kommen. Außerdem darf der Strom aus dem Netzanschluss nicht für Heizzwecke verwendet werden. Auch da steht die Nutzung regenerativer Energien im Vordergrund. Automatisch beschickte Holzfeuerungsanlagen müssen einen Wirkungsgrad von neunzig Prozent aufweisen.
Diese Kriterien sind nur Auszüge aus einem langen Katalog, der in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (BMLFUW) und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) entwickelt wurde, um die Hütten dafür zu rüsten, umweltgerecht zu wirtschaften.
Damit sind die Hütten auch zu Forschungsprojekten geworden, allen voran die Monte Rosa Hütte des SAC oder die Olpererhütte von Hermann Kaufmann. Die Architekten und Ingenieure suchen nach immer neuen Möglichkeiten, schon vorhandene Technologien noch effizienter zu kombinieren.

Die Architektur

Besondere Herausforderung an die Planer sind natürlich die örtlichen Gegebenheiten, in hohen Lagen, am Steilhang, auf einem Plateau und keine Straße weit und breit. Kein Wunder, dass es gilt, Baumodule oder Elemente so zu entwickeln, dass sie alle Anforderungen an Konstruktion und Dämmung erfüllen und dennoch leicht genug bleiben, um mit Hilfe von Hubschraubern oder durch die Muskelkraft der vielen ehrenamtlichen Helfer an den Bauplatz gebracht zu werden.

Die neue Monte Rosa Hütte wurde 2010 eröffnet. Die Form ergibt sich auch aus der optimierten Ausrichtung der großen Sonnenkollektoren zur Sonne. (Bild: ETH-Studio Monte Rosa/ Tonatiuh Ambrosetti) 

Die Monte Rosa Hütte auf 2.900 Metern Höhe, hoch über Zermatt, Gemeinschaftsprojekt der ETH Zürich, des Schweizer Alpen Clubs und der Hochschule Luzern, ist ein solches ein Beispiel. So kann man auf der Internetseite der ETH lesen: "Der Entwurf für die Neue Monte Rosa-Hütte hat die Parameter von Landschaft, Funktion und modernster Technologie zu einer prägnanten Form zusammengefasst." Wie ein Bergkristall erhebt sich der Bau, hat von außen nichts mehr gemein mit den gängigen Vorstellungen einer Berghütte. Im Innern jedoch dominieren Buchen- und Fichtenholz, die Essbereiche sind in kleinere Räume unterteilt. Und die Einzelbetten in den Schlafräumen bieten Ruhe und Geborgenheit. Die Erschließungstreppe an der Innenseite der Außenwand führt einmal im Kreis herum und bietet so einen Rundumblick.

Die Olpererhütte von Hermann Kaufmann ragt über den Hang und bietet mit ihrem breitem Panoramafenster einen grandiosen Ausblick (Bild: Hermann Kaufmann) 

Mehr dem üblichen Bild der Alpenhütten entsprechend und doch architektonisch deutlich als zeitgemäße Architektur erkennbar, steht die Olpererhütte des DAV auf fast 2.400 Metern über dem Meeresspiegel in den Zillertaler Alpen. Auch hier wurde größter Wert auf umweltgerechte Baumaterialien und regenerative Energien gelegt. Da die alte, über hundertjährige Hütte nicht mehr zu sanieren war, wurde der Neubau geplant. Das Betonfundament wurde mit Steinen aus der Umgebung verkleidet und mit dem Abbruchmaterial der alten Hütte hinterfüllt. Die eigentliche Hütte ist eine Konstruktion aus vorgefertigten Brettschichtholzelementen, 350 an der Zahl, die ebenfalls mit einem Helikopter angeliefert und vor Ort in lediglich drei Tagen montiert wurden. Da diese Hütte nur im Sommer bewirtschaftet wird, ist sie nicht gedämmt.
Die Liste der Hütten lässt sich fortführen. Die Keschhütte in Bergün auf 2.625 Metern erhielt 2001 den Schweizer Solarpreis für die gelungene Kombination von passiver und aktiver Solarenergie: Fenster, Elemente mit transparenter Wärmedämmung (TWD), Photovoltaikelemente (PV), Warmwasserkollektoren und Dachflächenfenster.
Die Capanna Cristallina auf 2.575 Metern beim Nüfenenpass überzeugt durch ihre schlichte Form und bietet 120 Gästen Platz. Oder das Schiestlhaus auf dem Hochschwab in 2.156 Metern. Architektonisch ist die Hütte in drei "Klimazonen" aufgeteilt: einen ständig beheizten Teil als Kern, einen Bereich, der zusätzlich beheizt werden kann und einen dritten Teil, der unbeheizt bleibt. Und auch die Tschierva-Hütte drei Stunden oberhalb von Pontresina zeigt sich modern. Neben dem steinernen Haupthaus entstand ein Anbau aus Lärchenholzelementen und mit großem Panoramafenster zum Tal.
Die Konsequenz, mit der die Hütten renoviert und modernisiert werden, ist beeindruckend. Jährlich können die Vereine nur wenige Hütten erneuern, bei der großen Zahl ist das noch ein langer Weg. Doch es ist der richtige Weg, ganz im Sinne des ersten Satzes im Leitbild des DAV: "Vielfalt braucht auch Einheit".
Es lohnt also durchaus, einen Architektur-Urlaub in den Alpen zu verbringen und sich wieder ein bisschen der jugendlichen Zeiten zu erinnern. pb

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