Damit man weiß, was drinsteckt

Simone Hübener
2. Februar 2011
Bilder (von links nach rechts): Volvo, Barilla, InterfaceFlor 

Nachhaltiges und ökologisches Bauen spielen im privaten und im gewerblichen Bereich eine immer größere Rolle. Doch wer weiß schon, wie viel Energie zur Herstellung eines Mauerziegels benötigt wird, wie hoch das Treibhauspotenzial eines Bodenbelags ist oder wie sehr ein Dämmstoff während seines gesamten Lebenszyklusses dazu beiträgt, dass die Ozonschicht immer dünner wird? Antworten auf all diese Fragen finden Architekten, Bauträger und vor allem die Auditoren der DGNB in den Umweltproduktdeklarationen, kurz EPDs. Erste wissenschaftliche Arbeiten befassten sich bereits in den 1990er Jahren mit diesem Thema, doch erst rund zehn Jahre später tauchten diese Zertifikate auch in Deutschland auf. Entwickelt wurden die international anerkannten EPDs als sogenanntes Typ-III-Umweltzeichen von der ISO-Gruppierung; heute sind sie in der DIN ISO 14025 festgeschrieben. Darin heißt es: "Typ III Umweltdeklarationen stellen quantifizierte umweltbezogene Informationen aus dem Lebensweg eines Produkts zur Verfügung, um damit Vergleiche zwischen Produkten gleicher Funktion zu ermöglichen." Über die Länge des Lebenswegs, der für die jeweilige EPD betrachtet wird, entscheidet allerdings immer der Hersteller – je nachdem, wie groß sein Budget ist, oder vielleicht auch danach, welcher Zeitabschnitt sich als für sein Produkt am günstigsten erweist. Denn es gibt drei verschiedene Deklarationen: Die erste und einfachste erfasst nur die Herstellung des Produkts bis zu dem Zeitpunkt, an dem es das Werkstor verlässt (cradle to gate). Weniger geht nicht. Erweitern lässt sich diese "Minivariante" durch verschiedene Bausteine aus den Bereichen Baustadium, Nutzung und Entsorgung, was dann als "cradle to gate with options" bezeichnet wird. Diese "options" müssen allerdings konkret benannt werden. Am umfangreichsten und damit auch am aussagekräftigsten ist die dritte Möglichkeit, die von der Herstellung bis zur Entsorgung, also von der Wiege bis zur Bahre ("cradle to grave") reicht. Alle bewerten die Ergebnisse nicht, sondern stellen lediglich die Fakten dar, und – so das Institut Bauen und Umwelt (ehemals AUB) – machen Aussagen "zum Energie- und Ressourceneinsatz und in welchem Ausmaß ein Produkt zu Treibhauseffekt, Versauerung, Überdüngung, Zerstörung der Ozonschicht und Smogbildung beiträgt. Außerdem werden Angaben zu technischen Eigenschaften gemacht, die für die Einschätzung der Performance des Bauproduktes im Gebäude benötigt werden, wie Lebensdauer, Wärme- und Schallisolierung oder den Einfluss auf die Qualität der Innenraumluft."

Bis eine Umweltproduktdeklaration letztlich fertig ist, bedarf es vieler kleiner Schritte. Wichtig ist, dass ein unabhängiger Sachverständigenausschuss am Ende noch einmal alles prüft. (Grafik: Institut Bauen und Umwelt e.V.) 

Doch wie kommt man nun zu einer solchen EPD? Derzeit erstellt in Deutschland einzig und allein das IBU Umweltproduktdeklarationen und zwar produktübergreifend (eine Übersicht finden Sie hier). Voraussetzung dafür ist, dass man Mitglied im IBU ist – ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Denn als das IBU im Jahr 2006 die erste EPD herausgegeben hat, war dies wahrlich noch ein Fremdwort. Man wollte sicherstellen, dass die Firmen mit ihren EPDs kräftig die Werbetrommel rühren, damit sich dieses System auch in Deutschland etabliert. Dass man auf das richtige Pferd gesetzt hat, bestätigen heute folgende Tatsachen: Die amerikanische LEED-Zertifizierung soll in den nächsten sechs bis acht Jahren ebenfalls auf EPDs zur Bewertung umgestellt werden, auch in Großbritannien und Frankreich wurden bereits die ersten Schritte in diese Richtung getan.
Das ift Rosenheim will nun neben dem IBU das zweite deutsche Institut werden, beschränkt sich allerdings auf die dort relevanten Produkte, wie Fenster, Türen und Tore.

In solchen Tabellen werden die Auswertegrößen übersichtlich angegeben. Für die Produktion ist immer eine eigene Spalte reserviert. (Bild: Glunz) 

Auf die steigende Nachfrage nach Umweltproduktdeklarationen reagieren die Hersteller, die bereits einige EPDs für ihre Produkte vorlegen können, äußerst unterschiedlich. Denn wer das Thema Nachhaltigkeit nach wie vor mehr als Marketinginstrument betrachtet und sich der Umweltverträglichkeit seiner Produkte nicht sicher ist (oder vielleicht gar nicht sein will), der scheut eine allzu große Konkurrenz, die für Architekten und Planer letztlich Transparenz bedeutet. Denn – wie bereits erwähnt – lässt sich beispielsweise ein Holzwerkstoff im Hinblick auf seine Umweltwirkung dadurch plötzlich sehr einfach mit einem anderen vergleichen. Unternehmen, bei denen dieses Thema bereits ein Teil der eigenen Philosophie geworden ist, kann es nicht schnell genug gehen. Sie wissen sich auf der sicheren Seite, erhoffen sich einen klaren Marktvorteil und bekommen ein durch unabhängige Sachverständige erstelltes Dokument in die Hand, das ihnen ihre Bemühungen bestätigt. Genau in diese Richtung muss es weitergehen. Denn wir müssen wissen und sollten auch wissen wollen, wie sehr wir die Erde durch unser Tun belasten. Simone Hübener

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