Hamburg im Zeichen des Holzbaus

Katinka Corts
28. Januar 2024
Holz kann vermeintlich immer wieder nachwachsen, doch zahlreiche Faktoren wie Schädlinge, Klimaveränderung, Sturmwurf und Brände gefährden die Prognosen. (Foto: EcoTree)

Nach der Premiere 2023 folgte am 23. und 24. Januar dieses Jahres die zweite Auflage des Holzbauforums »Build in Wood«, erneut in Hamburg. Moderiert von Prof. Katja Frühwald-König, die an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe lehrt, spannte das Programm einen weiten Bogen von allgemeinen und regionalen Themen, über gebaute Beispiele bis hin zu den Spezialgebieten Holzwiederverwendung, Akustik sowie Brand- und Feuchteschutz.

Um den Holzbau voranzutreiben im Bauwesen braucht es die Zusammenarbeit von vielen Planungsbeteiligten, das ist keine neue Erkenntnis. Doch besonders in diesem Feld, das schnell automatisch als klimafreundliches Bauen identifiziert wird, ist der Wissenstransfer enorm wichtig: Wo geforscht und entwickelt wird, braucht es auch eine ständige Weiterbildung auf der Seite der prüfenden und bewilligenden Ämter. 

Der Umgang mit dem Baustoff zum Beispiel im Hochhausbau ist immer noch begleitet von großen Unsicherheiten, sodass oft mehr Nachweise und zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen gefordert werden. Und auch das Fachwissen zum Umgang mit dem Material auf der Baustelle ist wichtig, weil besonders bei feuchter Witterung eine unsachgemäße Lagerung, der falsche Einbau und eine zu geringe Sicherung schwerwiegende Schäden verursachen können.

Susanne Scharabi, Architektin BDA, Scharabi Architekten Berlin, stellt Projekte aus dem Bereich des mehrgeschossigen Holzbaus vor (Foto: Build in Wood)
Feuchteschutz als Herausforderung

So bringt der Holzbau die besondere Anforderung mit sich, dass die Elemente witterungsgeschützt aufgebaut werden müssen, damit es nicht zu Verformungen kommt und sich im nassen Material keine Pilze ansiedeln. Robert Heinicke, der als Sachverständiger für Energieeffizienz und hygrothermische Bauphysik einen Vortrag zum Thema Feuchteschutz hielt, formulierte das Idealbild: Bestenfalls sei das Material von der Vorfertigung in der Halle über den Transport und bis zum Einbau immer in der klimatischen Umgebung, in der es später auch im Gebäude zum Einsatz kommt. 

Die Realität auf der Baustelle hingegen sieht anders aus, wie er anhand zahlreicher Schadensbilder zeigte: fehlende Abdichtungen, lange stehendes Wasser, unsaubere Anschlüsse und Montage sowie fehlende Kommunikation der Gewerke untereinander führen oft dazu, dass Holzbauteile unnötig gefährdet werden. Er plädiert für den sorgsameren Umgang mit dem Material, das, wenn ordnungsgemäß gelagert, verbaut und geschützt, ein sehr langes Leben hat. 

Skandinavische Länder machen es mit Einhausungssystemen vor, die entweder jeweils die noch offenen obersten Stockwerke schützen oder gleich das gesamte Bauwerk mitsamt Lager- und Verladeplatz einfassen. Das letzteres in unseren engen Städten kaum zur Regel werden kann, versteht sich – jedoch der Vollschutz erlaube verzögerungsärmeres Arbeiten und reibungsfreiere Abläufe, wie Heinicke erläuterte.

Andrea Zickhardt, Geschäftsführerin bei Holzer Kobler Architekturen Berlin GmbH, erläutert den Bau des Erlebnis-Hus in St. Peter-Ording (Foto: Build in Wood)
Christoph Deimel (Geschäftsführer von Deimel Oelschläger Architekten GmbH) im Gespräch mit Stefan Winter (TU München und bauart) und Katja Frühwald-König (TH Ostwestfalen-Lippe) (Foto: Build in Wood)
Wir haben genug Holz – bis 2050 etwa

Neben den Herausforderungen auf der Baustelle gibt es beim Bauen mit Holz jedoch auch ganz pragmatisch das Problem der Holzbeschaffung. Laut des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik trägt die Steigerung der Holzbauquote aktiv zum Klimaschutz bei. Im deutschen Klimaschutzplan ist zudem festgehalten, dass dauerhaft erfolgreicher Klimaschutz mit nachhaltiger Ressourcennutzung und Ressourcenschutz Hand in Hand gehen muss. 

Doch obwohl das bekannt ist, übersteigt die Nutzung der natürlichen Ressource jetzt schon die Regenerationsfähigkeit der Erde deutlich. Holz kann vermeintlich immer wieder nachwachsen, doch zahlreiche Faktoren wie Schädlinge, Klimaveränderung, Sturmwurf und Brände gefährden die Prognosen. Der Langlebigkeit des Holzes steht also die Endlichkeit – oder zumindest die Unsicherheit in Bezug auf die künftige Verfügbarkeit – der Ressource entgegen.

Eine Lösung ist, das Holz kaskadenartig zu nutzen. Wird es trennbar oder als sortenreiner Baustoff in Gebäuden verwendet, muss Holz bei einem Abriss nicht direkt in die Verbrennung gehen. Es gilt vielmehr, diesen wertvollen Baustoff über mehrere Lebenszyklen sinnvoll einzusetzen. So sollte Holz nach der Ernte zunächst in Gebäuden als Vollholz verbaut werden. 

Jene Elemente, die nach dem Rückbau eines Objekts nicht im Ganzen in einem anderen Gebäude verwendet werden, können immer kleiner zerlegt werden – also z. B. zunächst für Lattungen, dann zerhobelt in Plattenwerkstoffen oder gereinigt und aufgefasert als Dämmprodukt. Um das umzusetzen, bedarf es noch Forschung und Entwicklung und je nach Verwertungsschritt können diese Kaskaden anders aussehen.

»Mit der zu erwartenden Verringerung der Produktivität der Wälder und Verschiebung der Baumartenzusammensetzungen hin zu mehr Laubholz wird langfristig die Versorgung mit dem Rohstoff Holz insbesondere aus heimischen Wäldern eine große Herausforderung. Dies erfordert auch eine Anpassung der nachgelagerten Holzwirtschaft und Holzverwendung. Dafür müssen Wertschöpfungsketten etabliert werden, die die wirtschaftliche und klimawirksame Nutzung von Holzrohstoffen aus heimischer Waldbewirtschaftung optimieren und die Transformation zu einer Bioökonomie als Grundlage neuer umweltfreundlicher Produkte stützen.«

Aus: Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik, 2021

Sandra Schuster, TU München, über »circularWOOD« (Foto: Build in Wood)
Planung kreislauffähiger Gebäude

Dr. Sandra Schuster von der TU München stellte mit Fokus auf die Wiederverwendung das Forschungsprojekt »circularWOOD« vor, das aus einer Kooperation des Lehrstuhls für Architektur und Holzbau der Technischen Universität München (TUM) und dem Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern entstanden ist. Konkretes Projektziel von circularWOOD ist es, einen Beitrag zur Skalierbarkeit der Kreislauffähigkeit von Holzbauten in Deutschland zu leisten. Welche Hemmnisse und Potenziale gibt es aus Sicht der Holzbaubranche? Welche Erfahrungen konnten bereits in der Umsetzung gemacht werden? Und wie kann Holz künftig besser in der Kreislaufwirtschaft Fuß fassen? 

Als Fallstudien kreislauffähig geplanter Holzbauprojekte untersuchten die Autorinnen Sandra Schuster und Sonja Geier vier Projekte: The Cradle (HPP Architekten, Düsseldorf, 2023), das Bankgebäude Triodos (RAU Architects, Zeist, NL, 2019), das Feuerwehrhaus Straubenhardt (wulf architekten, Straubenhardt, 2022) und das Haus des Holzes von Pirmin Jung in Sursee (marc syfrig architekten, Sursee, CH, 2022). 

»Die Initiative liegt derzeit immer bei den Auftraggebenden. Die Planung eines kreislauffähigen Gebäudes ist aktuell mit einem erhöhten Planungsaufwand, meist mit zusätzlichen Projektbeteiligten und nicht zuletzt mit einem finanziellen Mehraufwand verbunden«, so die Autorinnen in ihrer Studie. Die Fallstudien würden jedoch zeigen, dass die beschriebene Vorreiterrolle für alle Beteiligten einen Mehrwert bedeutet. 

»Die Kernaussage aus unserem Projekt ist wohl: der Holzbau hat das Potenzial kreislaufgerechte Gebäude umzusetzen. Vieles ist heute schon möglich, an vielen Stellen wird geforscht, anderswo muss noch Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt werden«, so Schuster. »Allerdings müssen wir unsere Prozesse, auch unsere Planungsprozesse grundsätzlich überdenken – oder auch ganz neu denken.«

»Zwar steigt die Umsetzung von Holzbauten in den vergangenen Jahren kontinuierlich, jedoch liegt der Anteil von Holzbauprojekten derzeit bei ca. 21 Prozent (Holzbau Deutschland, 2022) und konzentriert sich vorwiegend auf den süddeutschen Raum. Mit Hilfe verschiedene Bildungsoffensiven zur Ausbildung von Architekt*innen und Ingenieur*innen im Holzbau wird diese Thematik sowohl auf Hochschulebene als auch mit Hilfe von Weiterbildungsformaten offensiv angegangen. Dennoch hat das Wissen um das Bauen mit Holz noch Verbreitungsbedarf.«

Aus: circularWOOD. Paradigmenwechsel für eine Kreislaufwirtschaft im Holzbau. Dr. Sandra Schuster und Dr. Sonja Geier

Aktuelle Projekte in Frankreich, Dänemark und Deutschland (Grafik: EcoTree)
Aufforstung Renaturierung für mehr Lebensqualität

Einen interessanten weiteren Impuls zur Unterstützung der landeseigenen Rohstoffbeschaffung brachte Christian Bergius ein, der sich bei EcoTree Deutschland für zirkuläre Waldwirtschaft und Biodiversität einsetzt. Das Unternehmen, das sich vor Jahren schon in Frankreich und Dänemark etabliert hat, ist u. a. in den Bereichen Aufforstung, Agroforstprojekte und Wiedervernässung von Mooren aktiv. Kohlenstoffbindende Maßnahmen werden zertifiziert und können von Unternehmen und Privaten erworben werden. 

So bewaldet das Unternehmen Brachen und agrarisch genutzte Böden, die nicht mehr zur Nahrungsproduktion genutzt werden können. »In Dänemark wird aufgrund der sehr schlechten Trinkwasserqualität proaktiv die Umwidmung und Aufforstung unterstützt«, so Bergius. »In Deutschland arbeiten wir an interessanten Agroforst-Modellen, die Wirtschaftlichkeit mit einer natürlichen Landnutzung kombinieren.«

Bestimmung von CO2-Bindung, -Bestand und -Substitution (Grafik: EcoTree)

Die Gemeinden und Städte, die früher traditionell auf Bauland setzten, würden jetzt mehr auf die Lebensqualität vor Ort achten, wollen Umweltziele erreichen und klimaneutral sein. »Auch ansässigen Unternehmen geht es immer mehr darum, einen Beitrag zu leisten.« Doch es gibt auch Grenzen, so Bergius und er erzählt amüsiert: »Wir sind auch schon gefragt worden, ob man über uns einen Privatjet kompensieren kann – das haben wir dann natürlich abgelehnt.«

In der auf den Vortrag folgenden Fragerunde wurde diskutiert, dass es bei derartigen Projekten nicht dazu kommen dürfe, dass die Kohlenstoffspeicherung im Holz mehrfach in Form von Zertifikaten oder in Bauten verrechnet wird. Wenn erst Waldzertifikate verkauft, die darin gewachsenen Bäume aber nach der Ernte erneut als Kohlenstoff-Speicher betrachtet würden, käme es zu einem Greenwashing-Effekt, der die Klimabilanz verfälscht. 

Bei EcoTree, so präzisierte Bergius, würde jeweils nur ein Anteil der Holzmasse zertifiziert (Anrechnung bislang nur in Frankreich und Dänemark geregelt), die im neu gepflanzten Wald wächst. Die Holzmasse jener Bäume, die selektiv geerntet werden, wächst langfristig dank jüngerer Bäume nach. Zertifikate gibt es für die jungen Bäume nicht, da der Wald als Ökosystem irgendwann seine maximale Leistung erreicht hat (»Long Term Average«). Ein neu geschaffener Wald bringt also nur eine festgelegte Menge an Zertifikaten mit sich – sobald das Holz den Wald verlässt, verlässt es auch die waldinterne Bilanz.

Apropos Bilanz...

Zwei Tage Holzbauforum haben gezeigt, dass das Thema Holzbau Planende auf sehr vielfältige Weise fordert und beschäftigt. Angesichts der Dringlichkeit des Themas möchte man wünschen, dass sich derartige Formate zukünftig mehr etablieren und einen immer größeren Interessiertenkreis ansprechen. Was erfreute: War bei der ersten »Build in Wood« noch die Frage, wieso keine Frauen auf dem Podium für den Holzbau eintreten, erbrachte das diesjährige Forum mit einem sehr ausgeglichenen Verhältnis von Frauen und Männern auf der Bühne den Beweis, dass Holz alle angeht und beschäftigt. 

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