Starke Kirche

Ackermann+Raff
1. Februar 2017
Die neuapostolische Kirche in den frühen Morgenstunden als Solitär in der umgebenden Wohnbebauung (Foto: Marcus Ebener)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Eine Kirche zu planen ist auch heute noch sehr anspruchsvoll und wirft vielschichtige Themen auf. Beginnend auf der städtebaulichen Ebene, welche Haltung eine Kirche heute im öffentlichen Raum und Kontext einnehmen soll, bis zur wichtigen gestalterischen Aufgabe, wie sich mit zeitgenössischen Mitteln eine sakrale Raumwirkung erzeugen lässt.

Mit einer hohen Fassade über dem Altarbereich präsentiert sich die Kirche zur Straße. Eine breite Treppe führt auf den Kirchplatz und in das Foyer. (Foto: Marcus Ebener)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die neue Kirche soll als markantes Gebäude in exponierter Lage am Rande eines Grünzugs mitten in Pliezhausen in Erscheinung treten. Als skulpturaler Baukörper setzt sie sich von der angrenzenden Wohnbebauung ab. Der vorgelagerte Kirchplatz bindet über eine großzügige Treppenanlage an die Dorfstraße an. Durch das erhöhte Platzniveau entsteht eine Differenzierung zwischen öffentlichem und sakralem Raum. 

Das geneigte Kirchenschiff steigt quer zum Hang an und bildet einen Hochpunkt zur Straße hin. Auffallend sind bereits von weitem die dicken Wände aus Leichtbeton mit einer fein texturierten Sichtbetonoberfläche und tiefen Fensterlaibungen. Durch den Zusatz von erdfarbenen Pigmenten entstand eine an Tuffstein erinnernde Oberfläche – ein Material, das früher in der Gegend am Rand der Schwäbischen Alb sehr verbreitet war.

Gewünscht war ein Grundriss, der ein vielfältiges Gemeindeleben ermöglicht. Zwei Mehrzweckräume orientieren sich zur angrenzenden Obstbaumwiese und können mittels mobiler Trennwände sowohl untereinander als auch zum Foyer geöffnet werden. Die Sakristei grenzt unmittelbar an den Kirchensaal mit direkter Sichtverbindung zum Altar an.

Der Blick von der Obstbaumwiese auf die Kirche und in das Neckartal (Foto: Marcus Ebener)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer den Entwurf beeinflusst?

Mit der Kirchengemeinde arbeiteten wir sehr konstruktiv in gestalterischen Fragen zusammen. Das Raumprogramm war aber bereits in der Mehrfachbeauftragung vorgegeben und hat sich nicht mehr verändert. Gewünscht war eine Grundrissstruktur, die ein vielfältiges Gemeindeleben ermöglicht. Zwei Mehrzweckräume orientieren sich zur angrenzenden Obstbaumwiese und können mittels mobiler Trennwände sowohl untereinander als auch zum Foyer geöffnet werden. Die Sakristei grenzt unmittelbar an den Kirchensaal mit direkter Sichtverbindung zum Altar an.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Im Grunde wurde unser Wettbewerbsentwurf ohne größere Veränderungen umgesetzt, bis auf das ursprünglich vorgesehene zweischalige Klinkermauerwerk, aus dem dann die Leichtbetonkonstruktion wurde. 

Eingefärbter Leichtbeton, Eichenholz und Licht in verschiedenen Stimmungen schaffen eine sakrale Atmosphäre (Foto: Marcus Ebener)
Die quadratischen Fenster sind mit unterschiedlichen Farben gestaltet und mit einem breiten Rahmen aus unbehandelter Eiche gefasst (Foto: Marcus Ebener)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die Bauherrschaft wünschte sich eine robuste und auf lange Sicht wartungsarme Konstruktion, die der innen und außen sichtbare Leichtbeton in idealerweise erfüllt, zumal es sich um einen homogenen Wandaufbau ohne Schnittstellen handelt. Aus dieser Konstruktionsweise heraus entwickelten wir das gestalterische Konzept.

Die sakrale Wirkung entsteht durch eine differenzierte Lichtführung und die natürliche Haptik der Materialien. Ein großes Lichtband über dem Altar holt helles blendfreies Tageslicht in den Raum. Akzentuiertes Licht in dezenten Farben belebt den Raum über kleine Fenster an der Seitenwand, die wie Glasbilder in verschiedenen Formaten an der Wand hängen. Künstliches Licht in Form von indirekt wirkenden Lichtbändern an der Decke und punktförmigen Pendelleuchten ergänzen das Tageslicht je nach gewünschter Stimmung.

Durch die tief in die Leichtbetonwände eingeschnittenen Fenster erhält der Baukörper eine große Plastizität (Foto: Marcus Ebener)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Die Auswahl der Materialien beschränkt sich auf wenige naturbelassene Oberflächen. Prägend ist dabei die Betonoberfläche des Leichtbetons, die durch den Pigmentzusatz und den Blähton eine natürlich wirkende Haptik bekommt. Aus Kostengründen verwendeten wir nur eine gewöhnliche Rahmenschalung. Fenster, Altar und Kirchenbänke sind aus massiver Eiche gearbeitet, entweder unbehandelt oder geölt. Einen Kontrast dazu bilden der Fußboden aus dunkler, sägerauer Räuchereiche und die Einfassung des Altars aus rohem Schwarzstahl.
 
Die sakrale Wirkung des Kirchenraums mit dem naturnahen Ambiente und der handwerklichen Bearbeitung soll den Besuchern einen angemessenen Ort bieten, um aus dem Alltag herauszutreten.

Grundriss (Zeichnung: Ackermann+Raff)
Schnitt (Zeichnung: Ackermann+Raff)
Neuapostolische Kirche Pliezhausen
2016
Bachstraße 40
72124 Pliezhausen

Auftragsart
Mehrfachbeauftragung

Bauherrschaft
Neuapostolische Kirche Süddeutschland K.d.ö.R.

Architektur
Ackermann+Raff, Stuttgart
Projektleiter: Johannes Weiß
Fachplaner
Tragwerk: Bornscheuer – Drexler – Eisele, Stuttgart
HLS: IB Ebök, Tübingen
Bauphysik: IB Ebök, Tübingen
ELT: Planungsbüro Fetzer, Rot am See
Brandschutz: Planungsgruppe Kuhn, Sindelfingen
SiGeKo: Hauser Engineering, Göppingen
Vermessung: Vermessungsbüro Gugel, Reutlingen

Ausführende Firmen
Rohbau: Adolf List GmbH, Reutlingen
Dachabdichtung: Holl Flachdachbau, Pleidelsheim
Fenster: Etter Fenstertechnik, Rosenfeld – Leidringen
Schreiner: Die Echaz Schreinerei, Kirchentellinsfurt
Trockenbau: Ullrich & Schön, Fellbach
Fliesen: von Au – Gehrung, Nürtingen
Elektro: Mössner Elektrotechnik, Schorndorf
Heizung: Ulf Schreiner, Tübingen
Lüftung: Mesch GmbH, Weilheim / Teck
Sanitär: Fa. Bayer, Pliezhausen
Malerarbeiten: Bernd Kuß Malerbetriebe, Hohenstein
Mobile Trennwände: Karl Günter GmbH, Glatten
Orgel: Orgelbau Teichmann + Krautter, Rosenfeld/ Bickelsberg
Schlosser (innen): Schlosserei Veit, Gomaringen
Schlosser (außen): Grauer Metallbau, Reutlingen
Estrich: Bozic Estriche, Kirchheim/ Teck
Gerüst: Baier Gerüstbau, Bad Urach
Bodenbeläge: Hagenlocher Raumausstattung, Magstadt

Bruttogeschossfläche
550 m²

Gebäudevolumen
3.500 m³

Kubikmeterpreis
405 €/m³

Gebäudekosten
1.418.000 €

Fotos
Marcus Ebener

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