Drei Punkthochhäuser

Autor:
Peter Petz | Podest
Veröffentlicht am
Okt. 10, 2012

Pysall Architekten gewinnen den Wettbewerb Hotel und Wohnen an der Spree in Berlin. Justus Pysall stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Blick von Süden 
Welche Antworten gibt Euer Entwurf auf die Frage, die der Wettbewerb stellt?
Die Neubauten „Hotel und Wohnen an der Spree“ komplettieren die bestehende Bebauung und lassen ein Quartier mit differenzierten Freiräumen und Aufenthaltsqualitäten entstehen, das Wohnen, Hotel und Läden sowie der Öffentlichkeit gleichermaßen zugute kommt.

Mit der Minimierung der Grundfläche der Bebauung auf dem Flurstück 118 durch drei Punkthochhäuser entstehen einerseits hohe Wohn- und Aufenthaltsqualitäten für die Neubauten und verbleiben andererseits die Qualitäten der Bestandsbauten durch vielfältige Blickkontakte und Bezüge zur Spree.

Vertrautheit, Orientierung und Überschaubarkeit wird durch identitätsstiftende öffentliche Räume und Architektur gestärkt und bildet mit der belebenden Nutzungsmischung den Baustein für eine nachhaltig und soziokulturell ausgewogene Entwicklung des Stadtteils. So ergänzen sich Bestand und Neubauten zu einem Win-Win-Effekt für den Ort und die Bewohner. 
Situation 
Wie bindet Ihr Hotel- und Wohntürme in den Kontext ein?
Die Setzung der Gebäudemassen ist eine logische Entwicklung aus dem vorgefundenen städtebaulichen Strukturen und Parametern des Ortes. Entlang der Spree entsteht eine Komposition aus den Twin Towers - dem Hotel - den Wohntürmen - den Kopfbauten der Bürostruktur - und dem als Dominante abschließenden Allianz-Hochhaus.

Das Wohnquartier wird mit der Bebauung gefasst und so komplettiert, dass durch vielfältige Blickbeziehungen die besondere Qualität der Lage an der Spree allseits erlebbar bleibt. Die „Offenheit“ der südlichen Wohnvillenstruktur entlang der Martin-Hoffmann-Straße korrespondiert mit der ebenfalls „offenen“ Bebauung der Wohnhochhäuser im Norden.

Ein mit Südsonne und Spreeblick verwöhnter Platz zwischen dem Hotel und den Wohnhäusern entsteht. Neben der Aufenthalts- und Nutzungsqualität für Hotel und Gastronomie sorgt er bei der Zuwegung der Neubauten für ein identitätsstiftendes Erlebnis durch den ungehinderten Blick auf die Spree.

Das Zentrum des Quartiers bildet die große Park- und Spielplatzanlage, die in strenger Topografie und raumbildenden Baumgruppen wohltuend für Erholung und Spiel sowie den Anblick aus der umgebenden Bebauung ist. Das Grün überdeckt die geplanten Ladeneinheiten, der Biomarkt ist nicht nur innen „Bio“, sondern kommt seiner Verantwortung nach, versiegelte Flächen nachhaltig zu begrünen. Unliebsame Zufahrten für die Anlieferung und das Parkhaus erfolgen von der Fanny-Zobel-Straße und sind zurückhaltend in den eingeschossigen Bau integriert.
Erdgeschoss 
Höhenentwicklung 
Wie organisiert Ihr das Hotel?
Freistehend, jedoch typologisch durch seine Höhe mit den Twin Towers vernetzt, kommen dem Hotel vielfältige Außenraumqualitäten zugute. Die Vorfahrt, der Empfang und ein Bistro profitieren neben dem freien Spreeblick von dem direkten Bezug zum Spreeplatz sowie zum Quartiersgrün und dessen Verweilqualitäten.

In einer Zwischenebene befinden sich die separat erschlossene Hoteladministration und Personalräumen. Eine große Terrasse mit Morgensonne liegt vor dem Frühstücksrestaurant im 2. Obergeschoss. Das Frühstücksrestaurant, wie auch der darüber liegende Konferenzbereich, erhalten neben der Erschließung über die Hauptaufzugsgruppe eine großzügige separate Erschließung direkt von der Lobby. Der Konferenzbereich ist flexibel aufteilbar, um mehreren gleichzeitig stattfindenden Veranstaltungen gerecht werden zu können.

Die Hotelzimmeretagen bieten eine einfache Orientierung durch kurze Flure mit Sicht- und Lichtbeziehung nach außen. Die kleinen Gästezimmer sind gen Süden mit Blick über das Grün des Quartiers und Treptow – die großen mit Blick über die Spree orientiert. Die klare Typologie der Hotelgrundrisse ermöglicht in hohem Maße, spätere Betreiberwünsche einzupflegen bzw. ihnen nachzukommen.

Über einen eigenen Zugang von der Spree oder durch die Lobby des Hotels wird das Restaurant im obersten Geschoss mit einem eigenen Aufzug erschlossen. Mit einer lichten Höhe von ca. 5 m, geschosshoher Verglasung und dem freien Blick über die Spree und Berlin entsteht ein beeindruckendes Raumerlebnis. 
Grundrisse Hotel- und Wohntürme 
Schnitt 
Welches Prinzip schlagt Ihr für die Wohntürme vor?
Schlank erheben sich die Wohntürme, erschlossen über eine großzügige Lobby mit direkter Blickbeziehung zur Spree. Im großzügigen Entree ist Raum für kleine Läden und Serviceeinrichtungen, die das Leben angenehm machen, z. B. Croissanterie, Zeitungskiosk, Facility Management et cetera.

Zwei verglaste Aufzüge bringen den Bewohner in die oberen Etagen. Über die natürlich belichtete, großzügige Etagenlobby werden die Wohneinheiten erschlossen. Eltern mit Kinderwagen legen auf dem Weg zur Wohnung einen Zwischenstopp ein und deponieren das gute Stück in der hierfür vorgesehenen Etage – in einem natürlich belichteten Raum großer Übersichtlichkeit, ohne uneinsehbare Ecken.

Der Radler fährt sein Bike über eine Rampe in das Untergeschoss in jeweils separate Fahrradkeller je Wohnturm. Natürlich belichtet und belüftet über ein bis in das 1. Untergeschoss geführtes Atrium entsprechen sie höchstem Nutzungs- und Sicherheitskomfort. Dieser Zielsetzung wird auch den Pkw-fahrenden Eigentümern entsprochen. Eine klare, großzügige und in heller Farbigkeit gehaltene Tiefgarage mit nutzerentsprechenden Parkplätzen, wie       zum Beispiel für Eltern mit Kindern oder für Gehbehinderte direkt an den verglasten, hell erleuchteten Erschließungskernen.

Die Wohneinheit betretend wird diese nicht nur über opake Elemente in den Wohnungszugangstüren belichtet – sondern vielfältig auch über die direkte Belichtung von der Fassade. Der erste Eindruck ist somit ein helles Entree mit Weitblick über Berlin.

Der Herausforderung, unterschiedliche Wohnungsgrößen zu entwickeln, die flexibel auf unterschiedliche Nutzergruppen reagieren können – und dieses auch noch in der Vermarktungsphase - entspricht die Typologie der Wohntürme. Das statische System lässt eine Vielzahl von unterschiedlichen Wohnungsgrundrissen und –größen zu, die sich ausnahmslos mindestens in zwei Himmelsrichtungen orientieren. Die „Wohnungskonfiguration“ kann somit für unterschiedlichste Interessengruppen durchgespielt werden. Einhergehend mit der Optimierung des Wohnungsmix erfolgt die Optimierung der technischen Gewerke, wie zum Beispiel die Übereinanderlegung der Bäder für die vertikale Leitungsführung und Verzug der Horizontalleitungen,  jede 6. – 8. Etage in einem erhöhten Geschoss, sowie die Festlegung der Öffnungen in der statischen Konstruktion.
Wohnprinzip 
Welche Materialstrategie schlagt Ihr vor?
Die Hotelfassade aus variierenden opaken und transparenten Flächen dezenter Farbigkeit nimmt dem Hotel die Monotonie der typischen Lochfassaden von Hotelzimmern und lässt einen signifikanten, sich im Wasser der Spree spiegelnden Kristall entstehen.

Der Nutzung entsprechend nehmen die Größe der Paneele und der Anteil an transparenten Flächen in den Konferenz- und Restaurantbereichen sowie den oberen Etagen mit großen Zimmersuiten zu. So zeigt der kristalline Körper dezent seine Nutzung, bei Tag als farbiges Spiel von transparenten Flächen – bei Nacht als leuchtendes, lebendiges Pattern aus den hier stattfindenden Aktivitäten.

Die Fassade der Wohntürme in den Balkonbereichen wird als raumhohe Glasschiebeelemente bzw. Festverglasung ausgeführt. Die Brüstungsbereiche werden bis zu einer Höhe von 80 cm als Festpaneel erstellt, um einerseits dem Brandüberschlag gerecht zu werden (1,0 m mit Stahlbetondecke) und andererseits ein gutes Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Ein zusätzlicher Handlauf gewährleistet die Absturzsicherung. Die über der Brüstung liegenden Fenster werden als vertikale Glasschiebeelemente ausgeführt, so wird die Reinigung der Fenster von innen sichergestellt, eine „Feinjustierung“ der Lüftung ermöglicht und der Grundriss nicht durch aufstehende Fenster beeinträchtigt.  Die Festpaneele (Brüstung sowie raumhohe Elemente) werden als hochwärmegedämmte Sandwichpaneele, die Außenflächen als satinierte, weiß punktbedruckte Gläser – innenseitig weiß lackiert bzw. mit Holzfurnier ausgeführt.
Nach Abstimmung über die Wohnungstypologien erfolgt die Festlegung der Ausführung der Balkone als 1. Balkon, 2. Wintergarten, 3. Wohnraumerweiterung.

Die Balkone sollen mit Makassar-Holzdielung und einer Brüstung aus eingespanntem Verbundsicherheitsglas mit verlaufender Bedruckung (zum Boden dichte Bedruckung – zur Brüstung verlaufend in Klarglas), Höhe 1,10 m, Edelstahlhandlauf auf 0,90 m für ein erhöhtes Sicherheitsgefühl, ausgeführt werden.
Detail Wohntürme 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Die bisherige städtebauliche Planung sieht eine 60 Meter hohe Bebauung ähnlich der bestehenden Twin Towers vor, die das Areal gänzlich von der Spree isoliert. Unsere Planung lässt differenzierte Freiraumqualitäten und Bezüge zur Spree entstehen, die den Neu- sowie Bestandsbauten gleichermaßen zugute kommen. Um diese Qualitäten bei gleicher Grundfläche zu erzielen ist eine Komposition von hohen Gebäuden, die die städtebauliche Höhenvorgabe von 60 Meter überschreiten, anstatt von massiven Riegelbauten entlang der Spree unumgänglich. Und das bedeutet die Erstellung und Verabschiedung eines neuen Bebauungsplans. Ziel ist diese Hürde Mitte 2013 genommen zu haben und zeitnah die Genehmigungsplanung einzureichen, um 2016 das Projekt fertig stellen zu können.
Blick von der Spree 

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 10/2012
Hotel und Wohnen an der Spree in Berlin
Zweiphasiger Realisierungswettbewerb mit 15 eingeladenen Teilnehmern

Jury
Prof. Ulrike Lauber, Vors.
Prof. Hans-Peter Achatzi
Oliver Hirt
Ingo Kanehl
Ute Löbel
Regula Luscher
Kathrin Maltzahn
Franz Rembold
Dr. Schamburg
Prof. Ludwig Wappner

1. Preis
Pysall Architekten
Justus Pysall
Berlin

2. Preis
Barkow Leibinger
Berlin

3. Preis
Hascher Jehle Planungsgesellschaft
Berlin