Verwaltungsgebäude in Strohballenbauweise

Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten
18. Oktober 2023
Blick vom Eingang in den Innenhof (Visualierung: Patricia Bagienski)
Im Hochtaunuskreis gelegen präsentiert das zentrale Freilichtmuseum des Landes Hessen die Vielfalt des Bauens, Wohnens sowie des handwerklichen, landwirtschaftlichen und häuslichen Arbeitens vom 16. Jahrhundert bis in die jüngere Vergangenheit. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Das Freilichtmuseum Hessenpark zeigt verschiedene Strukturen, und zwar einen städtisch anmutenden Marktplatz sowie dörflich zertreut liegende Gehöfte aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Während der Marktplatz eine klare räumliche Struktur aufweist, ist die Eingangssituation aktuell räumlich nicht gefasst. Durch die Ergänzung um ein neues Gebäude kann diese Situation maßgeblich verbessert werden. Die Schwierigkeit bestand allerdings darin, nicht das eigentliche Eingangsgebäude neu zu bauen, sondern einen Verwaltungsbau, der zwar einladend wirken darf, aber nicht per se der Öffentlichkeit gewidmet ist.

Lageplan (Zeichnung: Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten)
Wie fanden Sie zum vorgeschlagenen Baukörper?

Es war wie immer ein Zusammenspiel aus verschiedenen Aspekten. Uns war schnell klar, dass wir den Neubau nicht im Duktus der bestehenden Gebäude entwerfen möchten. Da es sich um ein Ensemble zusammengetragener Bauwerke aus unterschiedlichen Zeiten handelte, ging es uns nicht darum, eine gewachsene Struktur weiter zu bauen. Vielmehr sollte der neue Baustein die Eingangssituation harmonisch ergänzen, ohne das bestehende Eingangsgebäude zu dominieren. Daraus und aus dem Wunsch möglichst einfach, ohne zusätzliche technische Erschließungselemente zu bauen, ergab sich der Ansatz eingeschossig zu bleiben, auch wenn die Auslobung etwas anderes suggeriert hat. 

Die geneigte Dachform folgte dann wieder der Logik des Ortes. Auch hier galt die Maxime so viel wie nötig und so wenig wie möglich: Den Räumen eine angemessene Höhe geben, keine kathedralhafte Überhöhung generieren, aber durch die Neigung die Spezifik des Baukörpers auszubilden. Dabei sollte keine komplexe Geometrie entstehen, sondern ein sinnfälliges und einfaches Tragwerk. 

Längsschnitt (Zeichnung: Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten)
Grundriss mit Umgriff (Zeichnung: Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten)
Wie organisieren Sie das neue Verwaltungsgebäude?

Von innen heraus wollten wir eine kommunikative, aber auch kontemplative Arbeitsatmosphäre schaffen. Die Organisation der kleinen Dorf- oder Hofplätze auf dem Gelände war die Inspiration für den Innenhof mit Brunnen. Er gliedert die Büroräumlichkeiten in Abschnitte, die von den unterschiedlichen Arbeitsgruppen genutzt werden können. So entsteht eine offene, aber in Inseln gegliederte Bürolandschaft. Der Hof bildet die gemeinsame Mitte, abseits der Besucherströme. Die natürlichen Elemente des Wassers und der Pflanzen, dienen im Sommer der Kühlung und der Schaffung eines angenehmen Raumklimas. In der kalten Jahreszeit ergänzt der Hof das Raumangebot um einen windgeschützten Außenraum.

Ansichten (Zeichnung: Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Ruhe, Einfachheit und Selbstverständlichkeit. Die Spannung entsteht durch den Versatz des Innenhofes, der gleichzeitig den Innenraum zoniert. Ansonsten ist es ein einfaches Haus, das vom gezielten Einsatz einzelner Elemente lebt. Der Einschnitt am Eingang, der Hof, der leichte Versatz. Das Holztragwerk folgt der Logik des Hauses, ebenso wie das Technikkonzept. 

Detail (Zeichnung: Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Jedes Material wird dort eingesetzt, wo es benötigt wird. Die Verwendung von Stroh als Material war nahezu gesetzt, das hat den Wettbewerb für uns besonders attraktiv gemacht. Ein sinnvoller Naturbaustoff, den man inzwischen schon standardisiert anwenden kann, bei Nutzung der lokalen Ressourcen. Solche Ansätze brauchen wir, wenn wir die Bauwende vorantreiben wollen. Für die erdberührten Bauteilen werden wenige mineralische Baustoffe zum Einsatz kommen. Das Dachtragwerk und die Außenwände sind aus Holz konstruiert, mit Strohballen in den Gefachen. Bei den Verbindungen der Holzbauteile legen wir Wert darauf, dass sich die Elemente zerstörungsfrei für den Um- und Rückbau demontieren lassen. 

Blick auf den Eingang des neuen Verwaltungsgebäudes für das Freilichtmuseum Hessenpark in Neu-Anspach (Visualierung: Patricia Bagienski)
Freilichtmuseum Hessenpark – Neubau eines Verwaltungsgebäudes in Strohballenbauweise in Neu-Anspach
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslobung: Land Hessen, Hessische Ministerium der Finanzen, Wiesbaden; Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen, Zentrale; Freilichtmuseum Hessenpark GmbH
Betreuung: Faltin + Sattler | FSW Düsseldorf GmbH
 
Jury
Prof Jörg Aldinger, Stuttgart (Vors.) | Prof. Gesine Weinmiller, Berlin | Prof. Ludwig Wappner, München | Prof. Gesche Grabenhorst, Hannover | Andrea Georgi-Tomas, Darmstadt | Stefan Haub, Hessisches Ministerium der Finanzen, Wiesbaden | Dr. Martin Worms, Hessisches Ministerium der Finanzen, Wiesbaden (ab 18:00 vertreten durch Eberhard Feußner, Freilichtmuseum Hessenpark GmbH) | Sarah Corell, Leiterin Leistungsbereich Bauen, Planen, Umwelt Stadt Neu-Anspach (für Birger Strutz, Bürgermeister Neu-Anspach) | Jens Scheller, Freilichtmuseum Hessenpark GmbH | Andrea Jürges, D.A.M Frankfurt a. M. (für Peter Cachola Schmal, D.A.M Frankfurt a. M.) | Karl-Hermann Krombach, Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen, Zentrale, Wiesbaden (für Thomas Platte, Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen, Zentrale, Wiesbaden)
 
1. Preis
Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten, Stuttgart | Stephan Birk, Liza Heilmeyer, Martin Frenzel
Mitarbeit: Judith Blatter, Doreen Hüther
Energie und Technik: Prof. Andreas Winkels, Lehrgebiet Energie und Technik, RPTU, Rheinland-Pfälzische Technische Universität, Kaiserslautern
Tragwerk und Material: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Graf, Forschungssprecher t-lab Holzarchitektur und Holzwerkstoffe, Kaiserslautern
Visualisierung: Patricia Bagienski, Wien
 
2. Preis
Neumann & Heinsdorff Architekten, Köln | Thomas Neumann, Marko Heinsdorff
Mitarbeit: Gaëtan Favrie
 
3. Preis
Meurer Generalplaner, Frankfurt am Main | Kristina Meurer, Prof. Thomas Meurer
Mitarbeit: Michael Fassold, Branco Radjenovic
Technische Gebäudeausrüstung: Transsolar Energietechnik, Stuttgart
Tragwerksplanung: B+G Ingenieure Bollinger + Grohmann, Frankfurt am Main

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