Beitrag für die Landesgartenschau 2026

hutterreimann Landschaftsarchitektur
23. August 2023
Waldbaden (Visualisierung: Rendercircle)
Die westlich von Hannover gelegenen Stadt Bad Nenndorf richtet 2026 unter dem Motto ›Quellen der Vielfalt‹ seine Landesgartenschau aus. Wie haben Sie die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?

Das Entwurfskonzept: ›Spuren der Vergangenheit – Quellen der Zukunft‹ ist metaphorisch zu verstehen und bezieht sich nicht ausschließlich auf die Wasserquellen. Das große Potential des Kurparks als Gartendenkmal resultiert aus den historischen Qualitäten des Parks insgesamt, die wieder erlebbar gemacht und perspektivisch in die Zukunft getragen werden. Die besondere Topografie und Vegetation, vorhandene und neue Staffagebauten spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle wie das Wasser als Ausgangspunkt und Basis der Kurbetriebs. Die Geschichte des Ortes wird dabei mit zeitgenössischen Nutzungswünschen kombiniert.

Der Kurpark wird behutsam punktuell aufgewertet und denkmalgerecht weiterentwickelt. In der Konzeption entsteht so eine vielfältige Anlage, deren besondere Bauwerke sich jeweils räumlich und atmosphärisch in bereits sanierte und historische Strukturen eingliedern und präsentieren. Räumliche Barrieren werden aufgelöst, wichtige Grünräume miteinander verwoben, in ihren Potentialen gestärkt und vielfältig nutzbar ausgebildet.

Panoramaweg, Bestand (Foto: Auslobung)
Wie haben Sie auf den Kontext reagiert?

Ausgangspunkt und Basis des Entwurfs ist der historische Kurpark, einer der ganz frühen Landschaftsgärten Deutschlands. Er ist  entstanden Ende des 18 Jahrhunderts auf Initiative von Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel nach Plänen des Kasseler Hofbaumeisters Simon Louis Du Ry, ergänzt im Stil des englischen Landschaftsparks  durch Hofgärtner Georg-Wilhelm Homburg. Heute ist er ein Kulturdenkmal mit seinem hochwertigen, baulichen und naturräumlichen Bestand und dem angrenzenden Landschaftspark mit seiner charakteristischen Topografie (mit dem Galenberg als Hochpunkt) und dem wertvollen Altbaumbestand, einem Buchen- Eichenmischwald.

Das bestehende und größtenteils historische Wegesystem wird fast gänzlich erhalten und vorsichtig saniert. Dadurch kann gewährleistet werden, dass sämtliche der raum- und gestaltprägenden, teilweise jahrhundertealten Bäume erhalten bleiben. Neben den introvertierten, ruhigen Bestandswegen gibt es einen neuen, rahmenden ›Beltwalk‹, einen Rundweg am Rande der Parkanlage, der die wichtigsten Bereiche des Landschaftsparks miteinander verbindet und seinerseits zum Großteil aus sanierten Bestandswegen besteht. Er ermöglicht ein besonderes Geh-Erlebnis, wie man es als gestalterisches Motiv aus vielen historischen Landschaftsparks kennt und dient als Rückgrat und Orientierungshilfe der neuen Parkanlage. Der Panoramaweg eröffnet, als Teil des Beltwalks, Blickbezüge in die umgebende Feldmark und zum Höhenzug des Deisters.

Wasser wird an geeigneten Stellen angemessen inszeniert. Ein reaktivierter, historischer Wasserlauf wird punktuell mit Spielmöglichkeiten für die kleinen Parkgäste ausgestattet. Eine neue Hauptattraktion wird der ›Kurparkspiegel‹ als belebendes Wasserspiel für Jung und Alt und gleichzeitig naturnahe Teichanlage rund um die imposanten, vorhandenen Sumpfzypressen direkt vor der sanierten, gastronomisch genutzten Liegehalle. Historische Staffagebauten (Borkenhaus, Birkenhaus, Knüppelhaus) werden in Anlehnung an die ehemaligen Entwurfsabsichten zeitgenössisch interpretiert und als moderne Holzkonstruktionen neu errichtet.

Der ehemalige Tempelplatz auf dem Galenberg wird zum stimmungsvollen Waldtempel und damit zum Höhepunkt des Kurparks inszeniert. Dieser spiralförmig steigende Holzsteg, ermöglicht den ›Aufstieg‹ in die alten Baumkronen, das ›Waldbaden‹ und erlaubt spannende Einblicke in den altehrwürdigen Baumbestand des Landschaftsparks.

Das Wahrzeichen Bad Nenndorfs, die Süntelbuchenallee, eine einzigartige, verkrüppelt und knorrig-verdreht wachsende Buchenart des Weserberglandes, die hier in 100 Stämmen malerisch gewachsen ist, wird durch einen leichten Steg in respektvollem Abstand zum empfindlichen Wurzelwerk der Bäume lesbar inszeniert.

Situationsplan (Zeichnung: hutterreimann Landschaftsarchitektur)
Wie gliedern Sie Park und Ausstellung?

Park und Ausstellung sind in sechs Teilbereiche untergliedert. Kur- und Landschaftspark wie oben beschrieben, erhalten auch während der Gartenschau nur punktuelle Interventionen, Waldstauden- und Wechselflorbände akzentuieren das Wegenetz.  Der Wiesenpark, eine Lichtung am westlichen Parkrand bietet, als offener Wiesenraum, zeitgemäße Spiel- und Freizeitsportangebote, hier entsteht der zentrale Veranstaltungsbereich der Gartenschau mit Themengärten, Bestuhlung und Großgastronomie. Thematische Lichtungen im seitlich angrenzenden Erlebniswald – ein durch Naturverjüngung entstandener Jungwald, liefern interessante Einblicke in die Vielfalt von Flora und Fauna und informieren Jung und Alt über die Bedeutung von Biodiversität. Klimabaumarten weisen in die Zukunft des Landschaftsraumes und der Vegetationstechnik unserer Profession.

Die historische, Kraterquelle, wird entstaubt, geputzt und mit neuer Aufenthaltsqualität versehen. Erlengrund und Bubikopfallee, zwei ebenfalls denkmalgeschützte Übergangsbereiche bieten die räumliche Verknüpfung in die Umgebung. Die nördliche Bahnhofstraße wird als ›Shared space‹ zum modernen Verkehrsraum und repräsentativen Ankunftsort der Besucher, das neue, benachbarte städtebaulichen Entwicklungsgebiet auf einer ehemaligen Bahntrasse wird als moderner Stadtteilpark mit Spiel- und Sportangeboten entwickelt.

Lageplan Wiesenpark (Zeichnung: hutterreimann Landschaftsarchitektur)
Welche landschaftsarchitektonischen Themen waren Ihnen für die Gartenschau besonders wichtig?

Es ging uns vor allem darum die bestehenden, historischen Qualitäten in Bad Nenndorf zu erhalten und durch punktuelle Interventionen lesbar zu machen ohne den Ort gestalterisch zu überformen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Ortes sollen lesbar zusammengeführt werden.

Lageplan Landschaftspark (Zeichnung: hutterreimann Landschaftsarchitektur)
Was bleibt der Stadt Bad Nenndorf nach der Landesgartenschau?

Der vorhandene Kur- und Landschaftspark wird – auf Basis des Vorgefundenen – entstaubt, punktuell ergänzt. So in seiner Erlebnisqualität bereichert wird er mit den neuen Nutzungsangeboten im städtebaulichen Kontext verknüpft.  Für die Stadt entsteht ein moderner, erweiterter Kurpark mit hoher Diversität, der die großen (gebauten wie naturräumlichen) Bestandspotentiale nutzt und sensibel zukunftsorientiert transformiert.

Kurparkspiegel (Visualisierung: Rendercircle)
Landesgartenschau 2026 in Bad Nenndorf
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslobung: Stadt Bad Nenndorf
Betreuung: DSK Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH, Bremen
 
Jury
Prof. Dr. Stefan Bochnig, Landschaftsarchitekt, Höxter (Vors.) | Prof. Kathrin Volk, Landschaftsarchitektin, Detmold | Friedhelm Terfrüchte, Landschaftsarchitekt, Essen | Prof. Rainer Sachse, Landschaftsarchitekt, Düsseldorf | Bertel Bruun, Landschaftsarchitekt, Hamburg | Christine Frenz-Römer, Landschaftsarchitektin, Bremen | Prof. Dr. Hans-Peter Rohler, Landschaftsarchitekt, Kassel | Mike Schmidt, Stadtdirektor Stadt Bad Nenndorf, Bürgermeister Samtgemeinde Nenndorf | Annette Stang, Leiterin Fachbereich 3 Bauen u. Umwelt Samtgemeinde Nenndorf | Ralph Tegtmeier, stellv. Bauausschussvorsitzender | Tatjana-Maria Großer | Volker Busse
 
1. Preis
hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH, Berlin
 
2. Preis
Grieger Harzer Landschaftsarchitekten GbR, Berlin
 
3. Preis
Lohaus Carl Köhlmos Part GmbB Landschaftsarchitekten Stadtplaner, Hannover

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