Aue, Park und Strand

urbanegestalt
24. Januar 2024
Blick über das Münzbachtal (Visualisierung: urbanegestalt)

urbanegestalt gewinnt den Wettbewerb für den Standort Stadt Bacharach der BUGA 2029. Johannes Böttger stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.

Im Jahr 2029 wird im UNESCO Welterbe Oberes Mittelrheintal die Bundesgartenschau stattfinden. Am Standort Bacharach soll der Uferbereich am Rhein gestaltet sowie der südliche Stadteingang städtebaulich entwickelt werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?
Die Stadt empfängt seine Gäste am Rhein und wirkt mit ihrer mittelalterlichen Stadtmauer, über deren Tore Turmhäuser wachen, größer als sie ist, denn aufgrund der steilen Hänge gibt es nur wenige Reihen von Häusern. Die Verbindung über die Bundesstraße zwischen dem grünen Vorland und dem Zentrum sind schwach. Am Rhein gibt es Auenwiesen und einen historischen Landschaftsgarten, schön, aber spannungsarm und mit einem großen Parkplatz belastet. Bacharach liegt landschaftlich großartig. Das Mittelrheintal ist hier steil eingeschnitten und verläuft in einer malerischen Kurve. Eine grüne Flussinsel mit Weinanbau teilt stromabwärts einen Flussarm mit grünen, naturnahen Ufern ab. Burg Stahleck, die Ruine Burg Fürstenberg und die Wernerkappelle ragen aus den grünen Hängen heraus – das ist ein vielschichtiges Panorama.  Stromaufwärts liegt eine Sandbank, die direkt vor Bacharach einen flachen und strömungsarmen Badebereich erzeugt. Hier gibt es einen echten Strand, so etwas gibt es am Rhein extrem selten. Schon beim ersten Besuch zum Kolloquium haben wir uns gesagt, diese Lage in einer Bilderbuchlandschaft mit einem Strand, das müssen wir über unseren Entwurf neu erzählen. 
Vor diesem Hintergrund entstand der Titel »LIFE IS A BeACHarach«.

Bestand (Quelle: Auslobung)
Wie fanden Sie zum vorgeschlagenen Gesamtbild?

Die räumliche Beziehung zur historischen Stadt und zur Landschaft kann fabelhaft verbessert werden. Der Umbau der Bundesstraße zu einer Straße mit Tempo 30 erlaubt einfache Überwege, die historische Stadt gibt die Orte hierfür vor. Wir ordnen einen erweiterten und aktualisierten englischen Landschaftsgarten auf der Uferseite klar der Ausdehnung der historischen Stadtmauer zu, von Münzbachmündung bis St. Nikolaus-Kloster. Den Park aktualisieren bedeutet, dass Wege und Infrastruktur auf Stand zu bringen sind, bedeutet aber auch, dass eine Bundesgartenschau zeitgenössisch formuliert, warum ein Park gebaut wird. Dem alten Park fügen wir einen Klimagarten hinzu, es geht um neue Arten, heimisch in den Klimata, die wir hier erwarten. Und im Park geht es allgemein um aktuelle Anforderungen an einen multitalentierten Freiraum, der uns in Zukunft in Bacharach ein gutes Leben erlauben kann. 

Nördlich gilt es mit dem Mündungsbereich des Münzbach und der Flussinsel Bacharacher Werth eine Aue so zu entwickeln, dass Natur und Mensch gemeinsam wachsen. 

Südlich ist eben der Beach, den wir neu inszenieren und mit Sportflächen ergänzen. Der neue südliche Stadteingang ist integriert mit dem Freiraum entworfen. 

So baut sich das Gesamtbild aus diesen drei charaktervollen Bereichen zusammen. 

Lageplan (Zeichnung: urbanegestalt)
Schnitt Auenufer, Münzbachlagune und Klimagarten (Zeichnung: urbanegestalt)
Schnitt BeACHarach (Zeichnung: urbanegestalt)
Welche städtebaulichen Maßnahmen schlagen Sie vor?

Wir stärken sie südliche Bucht mit dem Strand. Neben dem natürlichen Strand auf Rheinebene ergänzen wir den OBENBeACH, eine offen gestaltete Spiel- und Sportlandschaft. Der Campingplatz wird neu strukturiert, die Zentrale baulich aufgewertet, so wird dieses touristische Angebot nachhaltiger organisiert und zu einem Impulsgeber für das öffentliche Strandleben. 
Daran knüpft die bauliche Neuausrichtung des südlichen Stadteingangs an. Ein Supermarkt braucht immer Stellplätze, in Bacharach kombinieren wir den Standort mit einem Mobility-Hub, der mit dem Regionalbahnhof auch die öffentlichen Verkehre anknüpft. Neben diesen kräftigen Bausteinen werden neue, gemischt genutzte Baukörper vorgeschlagen, die bis an die historische Stadt heran reichen, kleinteiliges Wohnen und Co-Working sind Programme, die Menschen mit neuen Lebensmodellen in der Region halten. 
Im Park gibt es mehrere bestehende Bauten, die umgebaut werden sollen, Pavillons und fliegende, hie eher schwimmende Bauten ergänzen für attraktive kulturelle Bespielung. 
Auf ganzer Länge wird die Beziehung zur Landschaft entlang des Rheins nachgeschärft. Die neu gestaltete Promenade wird an den Strand im Süden und an die Aue im Norden besser angeschlossen, die weiten Blicken ins Flusstal auf der Promenade lassen sich auf vielfältigen Rundwegen erleben, die jeweils an die historische Stadt anknüpfen. 

Städtebau (Axonometrie: urbanegestalt)
Welche landschaftsarchitektonischen Themen waren Ihnen für die Gartenschau besonders wichtig?

Mit Aue, Park und Strand stellen wir uns drei großartigen entwerferischen Aufgaben. 
Der Auenpark erlaubt den Umgang mit für den Uferbereich typischer Vegetation. Wir wünschen uns strukturelle Vielfalt und punktuell dichtes, wildes Grün. Mit den Uferterrassen wollen wir umgehen, so dass der Bezug zu den Kräften des Flusses erneuert wird, die hier immer schon Formen und Schichtungen erzeugt haben. 
Im Park können wir aus dem historischen Fundus des englischen Landschaftsgartens schöpfen, ergänzen und updaten. Mit Pflanzen aus dem Süden wollen wir neue Gehölzbereiche und Beete anlegen, die räumliche Idee wieder erkennbar machen und dabei neu. 

Für den Strand sind die wichtigsten Zutaten da. Der Strand mit sehr schönem feinen Rheinkiesel als Boden und dem Fluss selbst. Außerdem das landschaftliche Panorama und der von den Bergkuppen gefasste Himmel über Bacharach. Niedrig und robust und zugleich jetztzeitig und farbenfroh wollen wir hier ein neues altes Lebensgefühl erwecken. LIFE IS A BeACHarach 

Blick über den Wasserplatz (Visualisierung: urbanegestalt)
Was bleibt der Stadt Bacharch nach der Landesgartenschau?

Schön, dass Sie das fragen, denn das war für uns eine große Motivation einmal einen BUGA Wettbewerb mitzumachen. Die dezentrale Bundesgartenschau Mittelrhein 2029 verfolgt in dem Sinne ein schlaues Konzept, als dass Bacharach fast alles bleibt, was hier für 2029 investiert wird. Es gibt nurmehr einen Eingangsplatz und einen temporären Bushalt, die für das große Eventjahr dimensioniert sind und danach zurückgebaut werden. Weil aber einige Attraktionen, wie die Blumenhallen als Boote auf dem Rhein zwischen den Standorten wechseln und weil die Rheinanlagen sowieso für temporäre Events ausgelegt sind, ist die große Mehrzahl der neuen Qualitäten auf Dauer angelegt. Dazu kommt, dass neben Bacharach weitere Standorte gestärkt werden, für die lokale und für die regionale Entwicklung ein vielversprechendes Konzept! 

Übersichtsplan (Zeichnung: urbanegestalt)
BUGA 2029, Standort Stadt Bacharch
Nicht offener Wettbewerb

Auslobung: Bundesgartenschau Oberes Mittelrheintal 2029 gGmbH
Betreuung: arc.grün | landschaftarchitekten. landschaftsplaner, Kitzingen

Jury
Prof. Ulrike Kirchner, Landschaftsarchitektin, Koblenz/Kelberg (Vors.) | Prof. Burkard Wegener, Landschaftsarchitekt, Köln | A.W. Faust, Landschaftsarchitekt, Berlin | Prof. Stephan Lenzen, Landschaftsarchitekt, Bonn | Gabriele Pütz, Landschaftsarchitektin, Berlin | Torsten Becker, Stadtplaner, Frankfurt | Jochen Sandner, DBG | Sven Stimac, BUGA 2029 | Philipp Rahn, Stadtbürgermeister Bacharach | Rainald Kauer, Beigeordneter Stadt Bacharach | Entschuldigt: Volker Boch, Verbandsvorsteher Zweckverband WOM – an seiner Stelle vertritt Nadya König-Lehrmann, Geschäftsführerin Zweckverband WOM
 
1. Preis
urbanegestalt, Köln
Hille Tesch Architekten+Stadtplaner PartGmbB, Ingelheim
Schilling Architekten, Köln | Johannes Böttger, Fabrice Tesch, Marcus Hille, Prof. Johannes Schilling
Mitarbeit: Hannah Tesch, Ana Lucia Valencia Rubio, Moritz Eßer, Marie Tzschentke, Franziska Bräuninger
 
2. Preis
A24 Landschaft Landschaftsarchitektur GmbH, Berlin
Holzer Kobler Architekturen Berlin GmbH, Berlin | Jan Grimmek, Andrea Zickhardt, Steffan Robel, Prof. Barbara Holzer
Mitarbeit: Zlatina Stoyanova, Xinyi Wang, Ruby Banning, Ingo Böhler, Adela Hass
 
3. Preis
Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin | Leonard Grosch
Mitarbeit: Florian Kündig, Ziad Sayeed, Jakob Guba

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