Altstadt und Elbaue miteinander verknüpfen

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6. September 2023
Blick auf den Stadtgrabenteich (Visualisierung: bbzl)
Die Landesgartenschau 2027 Lutherstadt Wittenberg will neben einer klassischen Gartenschau auf innovative Weise die Themen Stadtschau und Naturschau einbinden und dabei klimatische, ökologische und naturschutzfachliche Aspekte berücksichtigen. Wie haben Sie auf den Kontext reagiert und die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?

Uns hat der Kontrast zwischen Kernstadt und Landschaftsraum beeindruckt. Die Stadt besteht aus langgestreckten und teilweise kleinteiligen Raumabfolgen. Davor liegt die offene und fast unberührt wirkende Auenlandschaft der Elbe. Allerdings ist dieser Gegensatz nur an wenigen Orten direkt erlebbar. Mehrere parallel geführte Verkehrstrassen trennen die Stadt vom Elbufer. Bundesstraße, Bahn und Kurfürstenring bilden zusammen eine solide Barriere, die sich nur an zwei Stellen queren lässt.

Besonders wichtig war uns daher, Altstadt und Elbaue räumlich und visuell stärker miteinander zu verknüpfen. Dazu dient die Weiterentwicklung der Uferbereiche als neue attraktive Erlebnisräume. Für diese sehr prägnanten und gleichzeitig sensiblen Landschafts- und Naturräume gelten u.a. besondere naturschutzfachliche Anforderungen. Hier galt es, das richtige Maß an Zurückhaltung zu finden. Wir haben dazu die gestalterischen Eingriffe wie beispielsweise die Lage von Aufenthaltsbereichen und Nutzungsangeboten sowie das erweiterte Wegenetz an den jeweiligen Kontext angepasst. Wichtig war es uns auch, neue Freiräume gegenüber den geschützten Bereichen nachvollziehbar abzugrenzen. 

Übersichtsplan (Zeichnung: bbzl)
Wie gliedern Sie die Flächenkulissen aus Realisierungsteilen, Ideenteilen und Ausstellung?

Wir haben die klare Aufteilung entsprechend der Auslobung aufgenommen – am Großen Anger mit seinen geschützten und sensiblen Bereichen sind nur zurückhaltende Interventionen vorgesehen. Der Raum wird über den Rundweg Elbaue entlang der Uferkante besser zugänglich gemacht. Dabei entsteht auch eine Verbindung zum neuen Uferpark im Osten. An besonderen Orten verschwenkt der Weg und schafft so unterschiedliche Merkpunkte, zum Beispiel für punktuelle künstlerische Interventionen oder für Stationen für Umweltbildung. In diesem Bereich sind punktuell – gegebenenfalls auch nur während der Gartenschau – Stege über die Buhnen eingefügt, die zu besonderen Aussichtspunkten direkt an der Elbe führen. Den Übergang zur Kernstadt markiert eine neue Loggia als Schattenspender.

Östlich schließt sich der neue Uferpark an. Er setzt sich zusammen aus einem intensiv genutzten und einem extensiven Teil, gegliedert durch ein einfaches Wegegerüst. Es besteht aus einem Netz schmaler Pfade nahe des Elbufers und dem breiteren »Saumweg«, der an den Rundweg des »Großen Angers« anschließt. Der Weg begleitet den bestehenden Gehölzsaum an Hartungschanze und Kuhlache und ist bewusst abgesetzt vom »großen Bogen«, der Erschließung für das geplante Elbquartier. Im Bereich des Gehölzsaums sowie punktuell, beispielsweise an Wegekreuzungen, ist eine Ergänzung des Baumbestands vorgesehen. Im intensiv genutzten Parkteil finden sich viele unterschiedliche Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten, die von den besonderen Ausblicken Richtung Elbe profitieren.

Vor dem geplanten Elbquartier liegen hochwassersicher zwei Stadtplätze. Sie werden über den «großen Bogen« verbunden. Hier findet sich zur Gartenschau ein Areal mit besonderen Themengärten. Diese Eingriffe berücksichtigen die Gliederung der zukünftigen Baufelder, so dass die neuen Gehölzpflanzungen Teil des zukünftigen Stadtquartiers werden.

Der Kleingartenpark mit dem Stadtgrabenteich als Teil der ehemaligen Wallanlagen wird ebenfalls sehr bestandsorientiert qualifiziert und bildet zukünftig einen Trittstein und wichtigen Übergang zur Altstadt. Während der Gartenschau werden hier Themen rund um «Urban Gardening« präsentiert, aber auch dauerhaft Orte für Partizipation und Teilhabe geschaffen. 

Ausstellungskonzept Landesgartenschau (Diagramm: bbzl)
Uferpark (Zeichnung: bbzl)
Elbhafen, Ideenteil (Zeichnung: bbzl)
Welche landschaftsarchitektonischen Themen waren Ihnen für die Gartenschau besonders wichtig?

Über die vergangenen Jahre sind Wittenbergs Freiräume bereits an vielen Stellen qualitätvoll weiterentwickelt worden. Uns war es wichtig, hier jeweils anzuknüpfen. Dazu haben wir die Ausstellungsthemen mit den jeweiligen Kontexten verknüpft: Klassische Gartenschauthemen, wie Staudenpflanzungen und Wechselflor wurden in die bestehenden Parks der Wallanlagen integriert. Dagegen liegen die gärtnerisch-gemeinschaftlichen Aktivitäten im Kontext der Kleingärten »Am Stadtgraben«. Experimentelle und naturnahe Gärten entstehen im neuen Uferpark.

Der Uferpark ist auch der geeignete Ort, um Wasser im Freiraum erfahrbar zu machen. Anknüpfungspunkte dazu bieten unter anderem die Öffnung und Renaturierung der Bäche, die Nutzung des anfallenden Regenwassers zur Bewässerung, aber auch die Anforderungen des Hochwasserschutzes. Diese Themen bestimmen die Gestaltung der Daueranlage. Sie sollen aber auch im Rahmen der Ausstellung präsentiert werden. Das Format Ausstellung erlaubt zusätzlich ein experimentelles Erproben von neuen Materialien und Bautechniken. Ergänzend werden zeichenhafte, leichte Bauten an Orten gesetzt, um die Orientierung zu erleichtern, zum Beispiel am Elb-Hafen oder an den Übergängen aus der Altstadt in die Elbaue.

Was bleibt – Elbquartier Uferpark (Zeichnung: bbzl)
Was bleibt Lutherstadt Wittenberg nach der Landesgartenschau?

Anders als der Name es vermuten lässt, zielen Landesgartenschauen auf bleibende städtebauliche und freiraumplanerische Verbesserungen ab. So auch hier: Wittenbergs Verbindungen zwischen Kernstadt und Uferraum werden gestärkt. Das geplante Elbquartier wird einen Teil seiner Identität aus den vorgelagerten Elb-Terrassen beziehen. Wenn es in einigen Jahren entsteht, gibt es einen weiteren Impuls östlich des Bahnhofs. Der Kleingartenpark entfaltet sich zu einem besonderen Ort zwischen privaten und öffentlichen Freiraumnutzungen. 

Und besonders wichtig - der neue Uferpark erschließt den Landschaftsraum entlang der Elbe. Damit eröffnet sich für Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Besucherinnen und Besuchern ein neues Spektrum an Freiraumnutzungen: Dazu gehört eine intensive Erfahrung mit der weiten Flußlandschaft – dazu gehören aber auch klassische Angebote zum Spielen, Toben, Lagern, Ausruhen, Erkunden, in den Himmel schauen… Insgesamt wird Wittenberg attraktiver als Ort des Wohnens und Arbeitens und als Reiseziel. 

Blick auf den Uferpark (Visualisierung: bbzl)
Landesgartenschau 2027 in Lutherstadt Wittenberg
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslobung: Landesgartenschau 2027 Lutherstadt Wittenberg
Betreuung: gruppe F Freiraum für alle GmbH, Berlin – in Zusammenarbeit mit der SALEG mbH
 
Jury
Prof. Ariane Röntz, Landschaftsarchitektin (Vors.) | Axel Lohrer, Landschaftsarchitekt | Sofia Petersson, Landschaftsarchitektin | Matthias Därr, Landschaftsarchitekt | Thomas Wirth, Landschaftsarchitekt | Thomas Dietzsch, Architekt | Dr. Gabriele Seelemann, Landschaftsarchitektin | Franziska Buse, Stadtratsvorsitzende Lutherstadt Wittenberg (ab 16:00 Uhr, vertreten durch Bernhard Naumann, stellvertr. Stadtratsvorsitzender Lutherstadt Wittenberg) | Torsten Zugehör, Oberbürgermeister Lutherstadt Wittenberg | Dr. Jörg Hartmann, stellvertr. Landrat, Landkreis Wittenberg (Vertretung von Christian Tylsch, Landrat, Landkreis Wittenberg) | Joachim Richter, Vorsitzender Bauausschuss Lutherstadt Wittenberg | Janine Stiller, kommissarische FBL Stadtentwicklung, Stadtverwaltung Lutherstadt Wittenberg | Jochen Kirchner, Koordinator LAGA, Stadtverwaltung Lutherstadt Wittenberg
 
1. Preis
bbzl böhm benfer zahiri landschaften städtebau, Berlin | Prof. Ulrike Böhm (Landschaftsarchitektin), Prof. Katja Benfer (Landschaftsarchitektin), Prof. Dr. Cyrus Zahiri (Architekt)
Mitarbeit: Rita Leal (Landschaftsarchitektin), Anna Vogels (Landschaftsarchitektin), Martina Costanzo, Ludovica Pinto, Alexandre Kauffmann, Anton Fischer
 
2. Preis
Planorama Landschaftsarchitektur, Berlin | Maik Böhmer
Mitarbeit: Janina Gäckler, Otis Schmidt, Tom Schneider, Sarah Lemnitz
MONO Architekten GbR Greubel Schilp Schmidt, Berlin | Jonas Greubel, Daniel Schilp, André Schmidt
Mitarbeit: Sina Wendl
 
3. Preis
Rudolph Langner – Station C23 Architekten Landschaftsarchitekten Partnerschaftsges., Leipzig | Prof. Dr.-Ing. Sigrun Langner (Landschaftsarchitektin), Michael Rudolph (Architekt)
Mitarbeit: Sebastian Pietzsch (Landschaftsarchitekt), Franziska Busch(Landschaftsarchitektinn), Till Pulst (Landschaftsarchitekt), Sarah Zimmermannn (Landschaftsarchitektin), Cosima Czekalla (Landschaftsarchitektin), Beatrice Puschkarski (Architektin)

4. Preis
A24 Landschaft Landschaftsarchitektur GmbH, Berlin
Mitarbeit: Ermal Molishti, Xinyi Wang, Courtney Jones
FRÖLICHSCHREIBER Architekten GmbH, Berlin
Mitarbeit: Angelika Heinzl, Jon Lindau

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