Stadtbaustein aus Stampfbeton

MONO
14. Februar 2024
Der neue Stadtbaustein verbindet in Neuenburg am Rhein Stadtkern und Stadtpark. (Foto: Gregor Schmidt)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Am Stadtrand von Neuenburg am Rhein klaffte seit langem eine städtebauliche Lücke. Früher befand sich hier die Stadtmauer, die wie das Münster von Hochwassern im 16. Jahrhundert weggerissen wurde. Durch die Rheinbegradigung wurde der Fluss später zwar sehr viel weiter nach Westen verlegt, verschiedene Straßenplanungen führten allerdings dazu, dass hier eine sehr unansehnliche Restfläche entstanden war. Rein funktional sollte diese Lücke geschlossen und damit eine Verbindung zwischen dem tiefer gelegenen Wuhrlochpark und dem Stadtkern geschaffen werden. Das Besondere an dem Projekt ist, dass die Bauteile mehrere Funktionen erfüllen – denn auf dem Parkhausdach ist ein öffentlicher Platz entstanden, und auch der Bertholdturm dient nicht nur als Erschließungsbauwerk, sondern ist durch seine Aussichtsplattform ein konkretes Ausflugsziel. 

Der Turm bildet mit dem horizontal ausgerichteten Parkhaus als Gegenüber einen spannungsvollen Dialog. Im Zusammenspiel mit dem verbindenden Brückenbauwerk entsteht ein eindeutiges Wiedererkennungszeichen. (Foto: Gregor Schmidt)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?

Als Inspiration diente unter anderem die früher an dieser Stelle verlaufende Uferkante des Rheins. Das wird besonders deutlich, wenn man die Radierung aus dem 17. Jahrhundert mit unserer Darstellung der heutigen Situation vergleicht. 

Für die Fassaden wurde der Stampfbeton lagenweise verdichtet – inspiriert von natürlichen Sedimentschichten, die durch Verwitterung und Ablagerung von Gesteinen entstehen. Die organische Form der Parkhausfassade greift außerdem den Verlauf der ehemaligen Stadtmauer auf, die sich hier befand. Die rötliche Pigmentierung harmoniert mit dem traditionell in dieser Gegend verwendeten Sandstein.

Das dreistöckige Volumen des Parkgebäudes schmiegt sich in die Hanglage ein. Die dahinter aufgefüllten Flächen bilden den Sockel für den darauf angelegten öffentlichen Münsterplatz. (Foto: Gregor Schmidt)
Das Parkhaus ist als dreigeschossige Großgarage mit 231 Stellplätzen ausgebildet. (Foto: Gregor Schmidt)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der Entwurf greift die vorhandenen Strukturen auf, transformiert sie und schafft ein neues städtebauliches Ensemble, das buchstäblich eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt. Durch die neuen Nutzungen wie den öffentlichen Platz und den Aussichtturm wird der Ort mit Leben gefüllt. Topographisch findet der Stadtgrundriss durch das Heranführen an die westliche Kante einen klaren Abschluss.

ie Zähringerbrücke führt zum Bertholdturm und über die vertikale Erschließung weiter nach unten zum Wuhrlochpark sowie zum Rhein. (Foto: Gregor Schmidt)
Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag oder direkt erteilt bekommen?

Die Stadt lobte im Jahr 2015 einen offenen, zweiphasigen Planungswettbewerb aus, den wir gewinnen konnten. Im nachgeschalteten VGV-Verfahren erhielt unser Team den Zuschlag für die Planung. 

Am Ende der Brücke lässt sich ein erster Blick auf die Umgebung werfen. In Zukunft soll das Ende als Rampe bis auf das Niveau des Wuhrlochparks weiter nach unten geführt werden, womit zusätzlich zum Aufzug eine weitere barrierefreie Anbindung geschaffen wird. (Foto: Gregor Schmidt)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Beim Blick auf die Wettbewerbsvisualisierungen und die Fotos vom realisierten Projekt wird klar: unser Entwurf konnte fast eins zu eins umgesetzt werden. Zum Auftrag gehörte neben dem Parkhaus die Planung einer Brücke zwischen Wuhrlochpark und Stadtkern. Außerdem sollte eine Platzsituation geschaffen werden, verbunden mit der zentrumsnahen Nachverdichtung, die zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden soll. 

Der Bertholdturm kündigt sich schon von Weitem an.  (Foto: Gregor Schmidt)
Die barrierefreie Anbindung von Wuhrlochpark und Rhein an den Münsterplatz und das Stadtzentrum macht die öffentlichen Räume für alle Personengruppen gleichermaßen zugänglich. (Foto: Gregor Schmidt)
Welche Überlegungen stecken hinter den Entscheidungen für die eingesetzten Materialien?

Der Einsatz von langlebigen Materialien war uns sehr wichtig. Der für die Fassaden verwendete Stampfbeton stellt nicht nur den regionalen Bezug her, sondern unterstreicht auch den robusten Charakter der Bauwerke. Bei der Herstellung handelt es sich um eine urtümliche, handwerklich geprägte Bauweise, bei der ein erdfeuchtes Sand-, Kies-, Zement- und Wassergemisch lagenweise verdichtet wird. Eine Besonderheit ist die präzise Perforierung der vorwiegend auf Druck belasteten, unbewehrten und bis zu 35 Meter hohen Stampfbetonmauern. Durch die quadratischen Öffnungen können Turm und Parkhaus natürlich belichtet und belüftet werden. Für die Brückenkonstruktion kam Cortenstahl zum Einsatz – ein Material, das ebenfalls für Langlebigkeit und Robustheit steht.

Prägendes Element sind die perforierten Fassaden, die einheitlich aus sedimentären Schichten in Rot eingefärbten Stampfbeton hergestellt wurden. (Foto: Gregor Schmidt)
Die quadratischen Öffnungen ermöglichen eine natürliche Belichtung und Belüftung. (Foto: Gregor Schmidt)
An klaren Tagen lassen sich stellvertretend für die drei Länder Schwarzwald, Alpen und Vogesen sehen. Informationstafeln geben Aufschluss über die Geschichte der Stadt und verweisen auf weitere landschaftliche Bezüge. (Foto: Gregor Schmidt)
Areal Kronenrain damals und heute (Bildquellen: MONO)
Schwarzplan (Zeichnung: MONO)
Grundriss Parkhaus Ausfahrtsebene (Zeichnung: MONO)
Querschnitt (Zeichnung: MONO)
Ansicht Nordwest (Zeichnung: MONO)
Areal Kronenrain (Axonometrie: MONO)
Areal am Kronenrain
2023
Am Kronenrain
79395 Neuenburg am Rhein

Nutzung
Parkhaus, Brücke, Aussichtsturm, öffentlicher Platz
 
Auftragsart
Wettbewerb 2015, 1. Preis

Bauherrschaft
Stadt Neuenburg am Rhein
 
Architektur
MONO Architekten, Berlin
Projektleitung: Daniel Schilp 
Team: André Schmidt, Jonas Greubel, Mariana Varela, Zsofia Mester, Peter Heckeroth, Eric Zapel, Lisa van Heyden, Noah Ehlers, Dorit Schneider-Maas
 
Fachplaner
Landschaftsarchitektur: Planorama Landschaftsarchitektur, Berlin
Tragwerksplanung: WTM Engineers, Berlin
Fassadenplanung: wh-p Ingenieure, Stuttgart
Leitsystem: mus studio /MONO, Berlin
 
Bauleitung
Guggenberger & Ott, Leinfelden-Echterdingen

Ausführende Firmen
Erdbau: Joos Umwelttechnik GmbH, Hartheim
Spezialtiefbau: PST Spezialtiefbau Süd GmbH, Ludwigsburg
Rohbau: Implenia Regiobau GmbH, Freiburg
Dachabdichtung: Refa Dachbau GmbH, Freiberg am Neckar
Metallbauarbeiten: Metall & Stahlbau Schmickler GmbH & Co. KG, Remagen
Brückenbau: Schmees & Lühn Holz- und Stahlingenieurbau GmbH& Co. KG, Niederlangen
Bodenbeschichtung: Heinrich Schmid GmbH & Co. KG, Bad Krozingen
Sanitärarbeiten: Martin Stoll Heizungsbau, Buggingen
Elektrotechnik: Elektro Geppert GmbH, Breisach am Rhein
Lüftung: KMH Kühlmöbelvertrieb & Montageservice e.K., Zell im Wiesental
Freianlagen und Kanalarbeiten: Oskar Vogel Straßenbau GmbH & Co. KG, Lörrach
Förderanlagen: Aufzugstechnik Süd GmbH, Freiburg

Gesamtkosten
k.A.
 
Auszeichnung
Materialpreis 2023, Kategorie ›Material‹
 
Fotos
Gregor Schmidt, Berlin

Andere Artikel in dieser Kategorie