Licht und Schatten am Berg

Osterwold°Schmidt
28. Juni 2023
Foto: Brigida González
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Der funktional wichtigste Raum, der Targetraum mit dem Teilchenbeschleuniger, liegt unter dicken Betonwänden und -decken geschützt und unsichtbar. Oberirdisch wird geforscht, gearbeitet, gelernt und Wissen vermittelt – mit oder ohne Tageslicht. Dafür galt es einen an diesem Standort einen angemessenen Baukörper zu entwickeln, der das bereits in den 1930er-Jahren errichtete Forschungsgebäude in Jena erweitert und vervollständigt.

Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Teilchenbeschleuniger und Lasertechnik als Inspirationsquelle? Tatsächlich haben wir schon sehr früh im Wettbewerb nach einer Architektur gesucht, die eine Wechselwirkung von Licht und Materie in eine Form transferiert. Generiert wurde daraus das allseitige plastische Fassadenrelief, das – wenngleich vollständig weiß ausgeführt – in differenzierten Dimensionen und feineren Oberflächenstrukturen als Außenhülle Licht- und Schattenspiele abbildet und einen symbolischem Bezug zur Ionen- und Photonenforschung sucht. Als Nichtphysiker erlaubten wir uns hier die Antimaterie stellvertretend für extrem kurze Aggregatzustände, für schnelle Wechsel zwischen Stabilität und Instabilität, zwischen Erscheinen und Vergehen vorzustellen. Das Gegenteil davon ist ja quasi Architektur, deren Halbwertzeit weit darüber liegen muss.

Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Das neue Gebäude für das Helmholtz-Institut erscheint als eigenständiger, ungerichteter und gleichförmiger Bau am Südhang des Jenaer Landgrafen. Zwischen den vorhandenen Forschungsgebäuden wurde der Neubau mit dem Grundvolumen eines Würfels (Kantenlänge 15m) so platziert, dass das Grundstück effizient genutzt wird, Anbindungen auf verschiedenen Geschossebenen funktionsorientiert erfolgen können und eine vermittelnde Maßstäblichkeit in der städtebaulichen Körnung zwischen den vorhandenen Villen des direkt anschließenden Wohnviertels und großen Solitärbauten der Universität erreicht wird.

Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Im äußeren Erscheinungsbild fast gar nichts. Die ursprünglich geschlossene, fensterlose »Beletage« der Laborebene im EG hat ein Fenster bekommen, was ganz im Sinne der Flexibiltät und langfristigen Nutzung des Gebäudes und der Entscheidung für eine flexible Stahlbetonskelettstruktur und »leichten« Ausfachungen des Baukörper ist.

Natürlich gab es ein »Finetuning« mit den Laboren, Büros und den Nebenflächen. Die bewußte Farb- und Materialgestaltung des Foyers und der zentralen Ellipse ist natürlich erst nach dem Wettbewerb gemeinsam mit Bauherrin und Nutzer weiterentwickelt worden.

Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Gewollt war ein nahezu weißer, fugenloser Baukörper, der sich in verschieden Zwischenstufen von partiell bis komplett geschlossen darstellen sollte. Die Mischung aus Konstruktionsraster, gefüllt mit mehrfach konischen Füllungen versehen mit differenzierten Putzoberflächen in Kombination mit den Faltscherenläden für die äußere Verschattung kommen unserer Intention schon recht nahe.

Ein besonderes gestaltprägendes Element sind zweifellos auch die dreigeteilten Vertikalschiebefenster als Holz-Alu-Konstruktion. Im zentralen Foyer dominieren ein auf die Gesamtform des Würfels abgestimmte vierseitige Farbgestaltung aus erdigen Kautschukböden, flexiblen Trennwänden und Einbaumöbeln.

Lageplan (Zeichnung: Osterwold°Schmidt)
Ansichten Ost, West Nord, Schwarzplan, Schnitt (Zeichnung: Osterwold°Schmidt)
Ansicht Süd, Schnitt (Zeichnung: Osterwold°Schmidt)
Detail (Zeichnung: Osterwold°Schmidt)
Helmholtz-Institut Jena
2022
Fraunhoferstraße 8
07743 Jena
 
Nutzung
Forschung, Targetraum, Labore, Büro, Seminar 
 
Auftragsart
Offener Realisierungswettbewerb RPW 2018, 1. Preis
 
Bauherrschaft
Freistaat Thüringen Landesamt für Bau und Verkehr
 
Architektur
Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten BDA, Weimar
Team: Antje Osterwold, Matthias Schmidt, Marko Schneider, Annemarie Kolano
 
Fachplaner
Landschaftsarchitektur: Impuls° Landschaftsarchitektur GbR
Statik: Jena SGHG Ingenieure
Haustechnik: Jena HKL Ingenieure, Erfurt
 
Ausführende Firmen
Fensterbauer: Ledermann GmbH, Brotterode
Außenputz: W+H Bau GmbH, Naumburg
Metallbau: A+P Treppenbau. Jena
Bodenbelag: Teppichstudio Scheler
 
Hersteller
Beschläge: FSB
Kautschuk: Nora
Naturstein: Kalkstein
Putz: Acurit 
Faltscherenläden: Griesser
Mobiliar: Sedus 
 
Bruttogeschossfläche
1.150 m²
 
Gesamtkosten
k.A.
 
Fotos
Brigida González, Stuttgart

Verwandte Artikel

Andere Artikel in dieser Kategorie