Erhaltene DDR-Moderne

ARGE buttler matrix
27. September 2023
In der Parklandschaft des Schwanenteiches bilden die Kunsthalle Rostock und die Schaudepot-Erweiterung einen besonderen Kunst-Schwerpunkt. (Luftbild: KOE Rostock)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die Herausforderung bei dieser Bauaufgabe liegt in der Einzigartigkeit des Einzeldenkmals Kunsthalle Rostock als einer der wenigen Museumsneubauten der DDR und dem Willen für einen möglichst umfassenden Erhalt unter den heutigen Bau- und Nutzungsanforderungen. 
Im Kontext einer noch übergreifenden deutschen Moderne wurde die Kunsthalle 1969 kompromisslos klar in Formensprache, Raum und Materialität als Fenster für den baltischen Kulturraum fertiggestellt und bis zur denkmalpflegerischen Sanierung ununterbrochen genutzt. Diesen Ort mit Geschichte und Patina, einer reduzierten Materialauswahl und ganz eigener räumlicher Präsenz und Prägnanz galt es zu erhalten und zu erweitern für eine langfristige moderne Kunst-Nutzung.

Die kubische-kristalline Formensprache prägt das Ensemble bis in die Details. (Foto: Thomas Ulrich)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?

Dieser Kunst-Solitär, eingebettet in eine innerstädtische Parklandschaft und Oase, ist ein wichtiges Thema, mit dem wir uns seit über zehn Jahren auseinandergesetzt haben: Als besonderer Ausstellungsort und Hort einer wachsenden Sammlung wurde das Thema eines zusätzlichen Kunstdepots zwar bereits in der Entstehungsphase der Kunsthalle in den 1960er-Jahren mitskizziert, aber nie realisiert. 

So gab es neben unseren ersten denkmalpflegerischen Teilsanierungen bereits die intensive Auseinandersetzung mit den eigentlich erforderlichen Nutzungserweiterungen, die sich aus dem angewachsenen Sammlungsbestand ergaben. Aus diesen Ideen konnte das neue Schaudepot als Erweiterung entwickelt und 2019 fertiggestellt werden. Dieser Kunst-Ort hat sich damit über einen langen Zeitraum weiterentwickelt, deren letzter großer Bauabschnitt die denkmalpflegerische Gesamtsanierung der Kunsthalle bildet.

Der Plastiksaal bildet als Multifunktionsraum den Mittelpunkt der Veranstaltungen und öffnet sich über die großzügig verglaste Fassade zum Freiraum. (Foto: Thomas Ulrich)
Die Westgalerie im fließenden Raum des Obergeschosses bildet einen Haupt-Ausstellungsraum durch die hohe Flexibilität, Raumhöhe und ideale Oberlicht-Belichtung. (Foto: Thomas Ulrich)
Die Oberflächen in der Westgalerie zeigen die ursprünglichen Materialien. Aufgrund unterschiedlicher Klimaanforderungen zwischen den bisher offen verbundenen Erd- und Obergeschossen wurde eine Klimaschleuse neu ausgebildet. (Foto: Thomas Ulrich)
Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag oder direkt erteilt bekommen?

Die ersten Planungen zur Kunsthallensanierung und zum Neubau des Schaudepots wurden durch uns als buttler architekten begonnen. Zu den jeweiligen EU-weiten Ausschreibungen der Architekturleistungen beider Bauvorhaben Kunsthalle und Schaudepot haben wir uns als ARGE buttler architekten – matrix architektur aufgrund unserer Erfahrungen zusammengefunden, diese europaweiten Verhandlungsverfahren gewonnen und damit beide Bauvorhaben gemeinsam realisiert. Für die Hanse- und Universitätsstadt Rostock als etablierter Kunststandort waren diese Bauvorhaben extrem wichtig, vertreten durch den KOE wurden diese beiden Projekte mit langem Atem und anhaltender Intensität über einen langen Zeitraum und unter Einwerbung von wichtigen Fördermitteln bis zur Fertigstellung vorangetrieben.

Die Treppenanlagen konnten in den Tragkonstruktionen, Stufen- und Geländerausbildungen vollständig in den originalen Bauteilen gesichert und erhalten werden. (Foto: Thomas Ulrich)
Die dynamische Ausbildung von fünf unterschiedlichen Höhenebenen ist ein typisches Beispiel für die Raumvorstellungen eines bewegten, fließenden Raumes in den 1960er-Jahren. Die Thematik der Barrierefreiheit wurde in dieser Zeit nicht in den Mittelpunkt gestellt, sodass mit dieser denkmalpflegerischen Sanierung ein Aufzug integriert wurde. (Foto: Thomas Ulrich)
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt? Wie haben Sie diesen im Projekt Rechnung getragen?

Von vornherein wurde in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege ausgelotet, wie sich ein Rückbau von Schadstoffen, die hohen Sicherheits- und Brandschutzanforderungen, die Erneuerung der Gebäudetechnik nach den heutigen Anforderungen und die Nutzerwünsche eines modernen Kunst-Betriebes mit dem Einzeldenkmal behutsam umsetzen ließe. Da jede dieser Ebenen unterschiedliche Zielrichtungen verfolgt, war die Erarbeitung eines vielschichtigen Planungskonzeptes ein Kernstück der Planung. Zusätzliche Herausforderungen waren die Eigenschaften der Bestandssubstanz von teilweise starken Alterungs- und Abnutzungszuständen bis hin zur dringenden Erneuerungsbedarfen. Daher wurde in der Konsequenz jedes Bauteil unter den Anforderungen der Denkmalpflege neu gedacht, überprüft und bautechnisch entweder erhalten, erneuert oder neu entwickelt. 

Die Ostgalerie ist niedriger als die Westgalerie, da sie über dem erhöhten Plastiksaal liegt, sie ist über kleinere Treppenanlagen und nun auch über den Aufzug in das Kontinuum des Rundganges eingebunden. (Foto: Thomas Ulrich)
Die Gebäudetechnik ist in der Ostgalerie umfänglich in die Deckenebene integriert, deren Mittelpunkt die Licht-Glasdecke bildet. Als Überkopf-Verglasung musste diese Glasfläche entsprechend den bautechnischen Anforderungen an Sicherheitsgläser erneuert werden. (Foto: Thomas Ulrich)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Tatsächlich ist dieser Prozess sehr interessant, da wir natürlich das Ziel verfolgen, ein Denkmal als Ganzes und im Detail im Wesen zu erhalten. In der frühen Analyse stellen sich sehr schnell Erkenntnisse ein, die dieses Ziel im Detail einzelner Konstruktionen schon für unmöglich erklären. Die Diskussion und der Austausch zu dem, was ein historisches Gebäude einzigartig und unverwechselbar macht, die Spezifik, Typik, und Identifikation ist dabei ein wichtiger Prozess, um neben dem originalen Erhalt und originalgetreuer Erneuerung auch eine überzeugende Lösung für eine Neuentwicklung zu finden. Das überaus klare Konzept der historischen Kunsthalle konnte mit der Anbindung des Schaudepots und der damit möglichen Nutzungsentflechtung wesentlich strukturierter und offener weitergebaut werden. Die Umwandlung von Nebennutzungszonen in öffentliche Bereiche ist ein besonderer Gewinn für das Kunst-Haus. So ist bei Eintritt in die Kunsthalle neben der Einsicht in die historischen Ausstellungsräume über eine neue öffentliche Achse mit dem Museumsshop und großzügigem Café-Bereich jetzt auch das Schaudepot als neue Erweiterung sofort sicht- bzw. einsehbar. 

Der White Cube ist der zentrale zweigeschossige Raum im Mittelpunkt der Kunsthalle. Er ist besonders für Installationen, großformatige Kunst und Performances geeignet. (Foto: Thomas Ulrich)
Ursprünglich bildete dieser Raum einen offenen Innenhof zur Präsentation von Skulpturen, die Wände sind in Backstein ausgeführt worden und ein kleineres Wasserbecken war im Boden integriert. Diese Oberflächen und Bauteile sind denkmalpflegerisch unter der weissen, demontierbaren Hülle erhalten worden, die einzigartige Kunstnutzung in diesem zweigeschossigen Neutralraum ist jedoch unverzichtbar. (Foto: Thomas Ulrich)
Der schmale umlaufende Kunststein-Fries als oberer Raumabschluss entspricht mit den identischen Reliefplatten im Detail den Hauptfassaden. Die leichte Überdachung ermöglicht die Kunst-Nutzung und zugleich eine klimatische Gesamtzone für den kubischen Baukörper.  (Foto: Thomas Ulrich)
Welche Überlegungen stecken hinter den Entscheidungen für die eingesetzten Materialien?

Die Materialität dieses Museumsbaus unterliegt, wie die geschlossene Gesamtform als Kubus einem strengen, eingegrenzten Kanon: Neben dem Backstein als traditionsgeladenem Material gibt es in der Gebäudehülle nur wenige Glasflächen und den gestaltgebenden, umlaufenden Fries aus sehr hellen Kunststein-Reliefplatten mit einer besonderen plastischen Textur. Das Dach wird durch die Oberlichter strukturiert. Im Innenbereich prägen neben dem Backstein im Wesentlichen nur Naturhölzer, weiße Wandflächen und die besondere Licht-Glasdecke im Obergeschoss mit dem leichten Blauton des durchscheinenden Himmels den fließenden Raum. Diese reduzierte und konzentrierte Auswahl nimmt skandinavische Bezüge auf, denn dieses Kunsthaus an der Ostsee öffnet sich in der Präsentation und Auseinandersetzung von Kunst seit Anfang an im Schwerpunkt dem skandinavisch-baltischen Raum. Sowohl die starke Verortung von Rostock in diesem Kulturraum als auch die Beschäftigung der Architekten mit Museumsbauten in Skandinavien haben Einfluss auf diese Materialität der Kunsthalle in den 1960er-Jahren. Bei der denkmalpflegerischen Sanierung wurde dieses Konzept vollständig erhalten, es konnten weite Teile von gestaltprägenden Elementen im Original gesichert werden, darunter die Treppenanlagen, Geländer und Holzstufen. 

Kunsthalle Rostock
Fertigstellung Denkmal: 1969
Denkmalpflegerische Sanierung: 2023
Neubau Schaudepot: 2018
Hamburger Str. 40
18069 Hanse- und Universitätsstadt Rostock

Auftragsart
Europaweites Vergabeverfahren
 
Bauherrschaft
KOE Eigenbetrieb Komm. Objektbewirtschaftung & -entwicklung der Hanse- & Universitätsstadt Rostock

Architektur
ARGE buttler matrix, Rostock, Maik Buttler, Tobias Rosenfeld, Frank Steinbach, Claus Sesselmann

Fachplaner
Planung: buttler architekten GmbH, Rostock
Bauüberwachung: matrix architektur gmbh, Rostock
Energieplanung: Architekturbüro Bendin, Stäbelow
Lichtplanung: aurelia design, Rostock
Brandschutz: Hagen Ingenieurgesellschaft für Brandschutz mbH, Stralsund
Statik: Ingenieurbüro Schur, Rostock
Akustik: Akustikbüro Schröder und Lange GmbH, Rostock
Elektro: ibe Mahnke & Schaarschmidt GbR, Rostock
Heizung, Lüftung, Sanitär: Ingenieurbüro Lorenz GbR, Sievershagen
Landschaftsarchitektur: Landschaftsarchitekten Hannes Hamann, Rostock
Innenarchitektur Foyer, Café: chezweitz GmbH, Berlin
 
Ausführende Firmen
Rohbau / Abbruch: Roland Müller Bau GmbH Ribnitz Damgarten
Sub. Abbruch: Hagemann GmbH Schwerin
Rohbau Umbau Foyer: Roland Müller Bau GmbH Ribnitz Damgarten
Dacharbeiten: Tom Reincke - Dachdeckermeister GmbH Papendorf Sandkrug
vorgezog. Dacharbeiten: Tom Reincke - Dachdeckermeister GmbH Papendorf Sandkrug
Metallbau Türen (Einbauten/Objekte): Schriever Metallbau HHS GmbH & Co. Kisserow
Metallbau: Metallbau Böttcher Neubrandenburg
Holzfenster: Ligna Gesellschaft für Holzgestaltung und Innenausbau mbH Elmenhorst
Putz: Mauersegler GmbH Stuck- und Putzarbeiten Hamburg
Betonfassade: Hollerung Restaurierung GmbH Reichenbach
Estrich / Fliesen: Flex Estrich Bau Broderstorf
Innentüren Fenster Schröder GmbH Schwerin-Mueß
Denkmalpflege Tischler: Ligna Gesellschaft für Holzgestaltung und Innenausbau mbH Elmenhorst
Parkett und Dielung: Bembé Parkett Studio Rostock Warnemünde Rostock-Warnemünde
Trockenbau: ATG Akustik & Trockenbau Gleß Zarrendorf
Maler Malerbetrieb: Lindemann GmbH Dorf Mecklenburg OT Karow
Baureinigung: ARS Allesreinigung Dummerstorf
Bodenbelag: Fubo Fußbodenservice Tessin GmbH Tessin
Pflasterarbeiten: Fliesenlegermeister Mirko Zerbe GmbH&Co.KG Bützow
Schließanlage: Schlüssel Kurth Rostock
Verdunkelungsanlagen: DeSoTec GmbH Güstrow
Baustellenüberwachung: AWR All Wacht Rennwanz GmbH Trollenhagen
Teeküche: Küchenstudio Hartmann & Möller GbR Rostock
FW Leiter: Lüdecke und Schmidt Rostock
Heizung: Carl Grönhagen GmbH Stralsund
Sanitär Haustechnik: Niederstrasser GbR Klein Stove
vorgezogene HS: Carl Grönhagen GmbH Stralsund
Container SWTW: Hanse Bad & Wellnesstechnik GmbH Rostock
Feuerlöschanlage: Haustechnik Niederstrasser GbR Klein Stove
Lüftung: Intec Versorgungstechnik GmbH & Co. KG Neubrandenburg
Abriss: Baustrom EAS Elektro-Anschluß-Service GmbH Rostock Kritzmow
Elektro Starkstrom: Teschke Elektroinstallation GmbH Rostock
Fernmeldetechnik / IT: Teschke Elektroinstallation GmbH Rostock
EMA ISW Kommunikationstechnik GmbH Rostock
Aufzug: K&R Aufzüge GmbH Kritzmow
Hublift: Tavé GmbH Lemgo
Geb.-Automation: IBA Innovative Automation GmbH Stäbelow
 
Bruttogeschossfläche
2.760 m²
 
Gebäudevolumen
13.380 m²
 
Gesamtkosten
k.A.

Fotos
Luftbild: KOE Rostock
alle weiteren Fotos: Thomas Ulrich

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